Aufs Ganze

Jugendbuch | Antje Herden: Keine halben Sachen

Robin findet sich und sein Leben doof und öde. Grauschwarz. Bis eines morgens Leo vor dem Haus steht. Mit ihm, Alkohol, Zigaretten und Joints wird das Leben anders, lebenswerter. So könnte das ewig weitergehen … Von ANDREA WANNER

Keine halben SachenWas und wie der 15jährige Robin erzählt, zieht vom ersten Satz an in einen Bann. Jedes Wort ist glaubwürdig, jeder Satz wirkt authentisch. Da hat ein Teenager keine Ahnung, wo sein Platz im Leben ist. Die alleinerziehende Mutter kommt eher wie eine ältere Freundin daher, hat viel Verständnis. Zu viel? Die Freundschaften aus Grundschultagen erweisen sich als nicht mehr tragfähig. Die Kindheit liegt Kinder Robin. »Pubertät« nennt seine Mutter das große, dunkle Loch, in das er gefallen ist. Aber dann ist da Leo und irgendwie könnte alles gut werden.

Leo ist ein Freund. Auch wenn Robin nicht viel über ihn erfährt. Die beiden hängen zusammen im Park rum, zunächst nach der Schule, dann statt der Schule. Sie reden, trinken, kiffen, philosophieren. Und als dann auch noch zwei Mädchen auftauchen, Anna und Karla, scheint alles perfekt. Aber statt besser wird alles immer schlimmer. Robin gerät in einen Abwärtsstrudel, aus dem er nicht mehr herausfindet. Die Drogen werden andere, härtere. Und Leo zieht sich zurück.

Antje Herden findet Worte für die Einsamkeit, den Rausch, die Ekstase und die Verzweiflung. Was sie Robin erzählen lässt, klingt ehrlich. Die Entwicklung der Dinge plausibel. Da hat sich einer auf etwas eingelassen, das eine Eigendynamik entwickelt. Eine, die auch tödlich enden kann. Der Preis scheint es Robin über weite Phasen wert.

Es liest sich schockierend, wie einer da mit seiner Gesundheit, seinem Leben, seiner Zukunft umgeht. Vor allem, weil es über weite Stellen durchaus reflektiert geschieht. Und weil Robin doch im Grunde »ein guter Junge« ist, wie der Polizist, der ihn nach einem Zwischenfall zu Hause abliefert, zu Robins Mutter sagt.

Herden hat für dieses offene und rigorose Buch den Peter-Härtling-Preis bekommen. Es nimmt einen beim Lesen mit in Welten, die vielen jungen Menschen – hoffentlich – nicht vertraut sind. Es berichtet so ehrlich über die Faszination von Drogen und die Folgen des Konsums, dass hoffentlich alle die Finger davon lassen. Auch wenn es neugierig macht. Wie schon das psychodelisch angehauchte Cover.

Aber ohne diese Aufrichtigkeit wäre das Buch nicht, was es ist. Dass damit auch Risiken verbunden sind, darf nicht verschwiegen werden.

Es ist eine Geschichte mit unglaublicher Spannung – und einem Ende, dass man erst beim zweiten Lesen kapiert. Ob es das Buch überzeugender macht – auch darüber lässt sich streiken. Ansonsten: Einfach lesen!

| ANDREA WANNER

Titelangaben
Antje Herden: Keine halben Sachen
Weinheim: Beltz & Gelberg 2019
144 Seiten, 12,95 Euro
Jugendbuch ab 14 Jahren
| Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander

Reinschauen
| Leseprobe

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Viel könnten wir erzählen…

Nächster Artikel

Gesundheit

Weitere Artikel der Kategorie »Jugendbuch«

Neue Töne

Jugendbuch | Elin Hansson: Zweiklang

Nach dem Tod seiner Mutter hat Torleif das Dorf seiner Kindheit verlassen und lebt in einem Internat in der Stadt, wo er nicht nur musikalisch gefördert wird, sondern auch endlich zu sich selbst stehen kann. Aber dann hat sein Großvater einen Schlaganfall und Torleif muss die Herbstferien zu Hause verbringen, um ihn zu unterstützen. Eine Rückkehr, die vieles verändern wird. Von ANDREA WANNER.

Die Macht des Gewohnten

Jugendbuch | Karen-Susan Fessel: Liebe macht Anders Sie sind fünfzehn. Der Schulunterricht hat wenig Bedeutung für sie, was das Leben sonst verspricht, viel mehr. Sie wollen ihre Kräfte messen, sie posieren, schlüpfen in Rollen und sind überzeugt, die Welt zum ersten Mal zu entdecken. Sie glauben an ihre eigene Macht und übersehen, dass diese nur die Macht des Gewohnten ist. Wenn etwas Ungewöhnliches auftaucht, scheitern sie an Kinderängsten. Dann können sie gefährlich werden. Karen-Susan Fessel hat in Liebe macht Anders ein raffiniertes Psychogramm von Teenagern vorgelegt, das zugleich ein ungutes Licht auf die Gesellschaft wirft, deren Kinder sie sind.

Das Gegenteil von »Schmetterlinge im Bauch«

Jugendbuch | Lucia Zamolo: Elefant auf der Brust

Wenn die rosarote Brille zu Bruch gegangen ist und aus Liebe Liebeskummer geworden ist, dann fühlt sich das an, als ob ein Elefant auf der Brust sitzt. So beschreibt es jedenfalls die Ich-Erzählerin. Und wer auch schon mal Liebeskummer hatte – und wer hatte das nicht? – kann das sicher nachempfinden, findet ANDREA WANNER

Phönix

Jugendbuch: Lola Renn: Hier stirbt keiner Wenn die gewohnte Welt zerstört wird und nichts mehr bleibt außer Trümmern und Asche, muss man aufgeben. Nein, sagt Lola Renn in ihrem neuesten Jugendroman, nichts dergleichen. Mit ein bisschen Vertrauen nur kann man neues Leben finden, das eigene nämlich. Von MAGALI HEIẞLER

Nackt und bloß

Jugendbuch | Lena Hach: Nichts wünsche ich mir mehr Zu keinem anderen Zeitpunkt im Leben ist man empfindlicher als in der Teenagerzeit. Das Leben scheint Unsicherheit pur zu sein. Wenn es dann tatsächlich zuschlägt, steht man nackt und bloß da. Was tun? Lena Hach erzählt eine harte Geschichte. Mit süßer Lösung. Von MAGALI HEIßLER