/

Meine Freunde lächeln sehen

Menschen | Hans Bender

Der Schriftsteller Hans Bender wurde (am 1. Juli) vor 100 Jahren geboren Ein Porträt von PETER MOHR

»Nicht gefallen
Nicht ungehorsam gewesen zu sein.
Und weiterzuleben
Mit dieser Schuld«.

Hans Bender - Grafik von Eva Zippel
Grafik von Eva Zippel
So kurz, so lakonisch und doch prägnant hat Hans Bender in seinem ›1919‹ betitelten Vierzeiler die Gefühlswelt seiner Altersgenossen auf den Punkt gebracht.

»Was ich unternahm, wie ich lebte, wohin ich reiste, mit wem ich zusammenkam, war bestimmt von meiner Liebe zur Literatur«, notierte der umtriebige Schriftsteller Hans Bender völlig zutreffend in seinem vor zwanzig Jahren erschienenen Band ›Wie die Linien meiner Hand‹.

Bender, der am 1. Juli 1919 in Mühlhausen im Kraichgau geboren wurde, verkörperte ein lebendiges Stück deutsche Nachkriegsliteratur. Seine Bedeutung war ungleich größer als es die Summe seiner Bücher und deren literarischer Rang vermuten lässt.

Als Herausgeber und Redakteur, als Kritiker und wohlwollender Förderer hat er vielen jungen Autoren den Start ins literarische Leben ermöglicht. In den 1980er Jahren gehörte er zu den »Entdeckern« der damals noch unbekannten Ralf Rothmann und Richard Wagner.

Nach Studium und Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft arbeitete Bender als Feuilletonredakteur der ›Deutschen Zeitung‹, gab von 1952 bis 1954 in Alleinregie die Zeitschrift „Konturen“ heraus, aus der später die renommierten ›Akzente‹ hervorgingen, die er 1954 mit Walter Höllerer gründete und bis 1980 als verantwortlicher Redakteur leitete. Zwei Romane (›Eine Sache wie die Liebe‹, 1954 und ›Wunschkost‹, 1959), zahlreiche Bände mit Erzählungen, ein Essayband und hochgelobte Lyrik-Anthologien sind die sichtbaren Zeichen seines fast 65-jährigen literarischen Wirkens.

Dahinter verbirgt sich allerdings auch eine fast schon einmalig zu nennende Liebe zum geschriebenen Wort. »Jeden Tag ein Buch lesen, wenigstens ein Drama oder eine Erzählung zu lesen, nahm ich mir vor«, notierte Bender in seinem Buch ›Postkarten aus Rom‹ (1989). Einen herben Rückschlag hat Bender beim Einsturz des Kölner Stadtarchivs vor neun Jahren verkraften müssen. 27000 Dokumente hatte der Autor in der Vergangenheit auf Anraten von Heinrich Böll abgegeben. Siebzig Prozent davon sind verloren gegangen.

»Seine Kurzgeschichten gelten heute schon als klassische Beispiele. Seine Lyrik besticht durch ihre klare und unpathetische Sprache«, rühmte Kölns damaliger Oberbürgermeister Fritz Schramma, als sich der mit dem Professorentitel des Landes Nordrhein-Westfalen ausgezeichnete Autor im September 2002 ins goldene Buch der Stadt eintrug.

»Vertraute Wörter, Rhythmen, Reime
vier Zeilen, leicht zu verstehn.
Schön, meine Freundinnen und Freunde
bei der Lektüre lächeln zu sehn«
,

hieß es in seinem letzten Band ›Wie es kommen wird‹ (2009). Und in jenem schmalen Band hat Bender auf ungewöhnliche Weise auch eine Hommage auf seine Heimatregion, den Kraichgau angestimmt. Er »feierte« in vier Zeilen den Bundesliga-Aufstieg der TSG Hoffenheim.

Am 28. Mai 2015 ist der literarische Tausendsassa Hans Bender im Alter von 95 Jahren in Köln gestorben. Beigesetzt wurde er später in einem Ehrengrab in seiner Heimatgemeinde Mülhausen.

| PETER MOHR
| TITELGRAFIK: Eva Zippel creator QS:P170,Q1233085, Eva Zippel, 097, CC BY-SA 3.0 DE

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Nicht nur Nixon erlebte sein Watergate

Nächster Artikel

Klassentreffen der Buchverrückten

Weitere Artikel der Kategorie »Menschen«

Ah! jetzt! ja! Ah! jetzt! ja!

Sachbuch | Alastair Brotchie: Alfred Jarry. Ein pataphysisches Leben Pataphysik ist ein Thema mit doppeltem Boden, mindestens. »Die Schmerzen in Ihrem linken Schultergelenk«, diagnostiziert die Ärztin, »sind altersbedingt.« – »Unmöglich«, widerspricht der Patient, »die rechte Schulter ist doch ebenso alt und sie tut nicht weh.« Hm. Oder anders: Weshalb bleibt ausgerechnet die Teekanne, die seit Jahren einen Sprung hat, länger heil als diejenige, die die ganze Zeit lang immer heil war? Diese Art Fragen treiben uns um. Von WOLF SENFF

Kino der Poesie

Menschen | Film | Abbas Kiarostami Ich erinnere mich noch genau daran, als uns das Kino von Abbas Kiarostami zum ersten Mal vor Augen kam. Es war Ende der Achtziger, Anfang der Neunziger Jahre, als Ayatollah Chomeini, die Fatwa gegen Salman Rushdie und sein Buch ›Die satanischen Verse‹ aussprach und weltweit jeder bedroht wurde, der Rushdie lobte, verteidigte oder ihm Unterschlupf gewährte. Es schien, als sei das europäische Mittelalter mit Bannbulle und dem von jedermann tötbaren »Vogelfreien« in die globale Moderne eingebrochen. Von WOLFRAM SCHÜTTE

Letzte Zuflucht Vatikan

Menschen | Molfenter / Strempel: Über die weiße Linie JOSEF BORDAT über Arne Molfrenters und Rüdiger Strempels Porträt eines Priesters, der Tausenden das Leben rettete.

Er wollte noch fliegen lernen

Menschen | Zum Tod des provozierenden Multitalents Herbert Achternbusch

»Mein Vater war sehr leger und trank gern, er war ein Spaßvogel. Kaum auf der Welt, suchten mich Schulen, Krankenhäuser und alles Mögliche heim. Ich leistete meine Zeit ab und bestand auf meiner Freizeit. Ich schrieb Bücher, bis mich das Sitzen schmerzte. Dann machte ich Filme, weil ich mich bewegen wollte. Die Kinder, die ich habe, fangen wieder von vorne an. Grüß Gott!« Mit diesen typischen, schelmisch-provokanten Sätzen hat Herbert Achternbusch vor einigen Jahren sein eigenes Leben beschrieben. Zugespitzt, drastisch, gegen den Strom – so wie sein gesamtes künstlerisches Werk. Von PETER MOHR

Günter Grass – Erinnerungen an die Zukunft

Menschen | Zum Tode von Günter Grass Vor zehn Tagen verstarb der Autor Günter Grass. Sein Tod löste Erinnerungen an ein Gespräch im Jahre 1999 aus, das PETRA KAMMANN, damalige Chefredakteurin des BuchJournal, mit dem streitbaren Schriftsteller und Bildhauer, Citoyen und Geschmähten in Lübeck führte.