Bühne | Herman Sörgels ›Atlantropa‹ im Hamburger Theater das Zimmer
Afrika und Europa vereinen sich zu ›Atlantropa‹. Herman Sörgel schuf einst eine große Utopie für eine kriegsfreie, wirtschaftsstarke, autarke Gemeinschaft. Kann seine Idee das heutige Europa retten? Von MONA KAMPE
1928 kreierte Architekt Herman Sörgel eine einzigartige Idee: Ein monumentaler Staudamm für die Straße von Gibraltar sollte Europa und Afrika vereinen und ›Atlantropa‹ bilden. Seine geopolitische Utopie sollte Energie aus Wasserkraft sowie Neuland für die zunehmende Bevölkerung gewinnen und einen neuen autonomen Kontinent neben Amerika und Asien bilden.
Der überzeugte Pazifist glaubte an eine friedliche Europäische Union durch die Schaffenskraft seiner Völker. Nach seinem Tod 1952 geriet seine Vision in Vergessenheit – bis jetzt, denn im kleinsten Utopie-Labor in Hamburg-Horn lebt sie wieder auf.
Gleich vier Mal erscheint Herman Sörgel den Zuschauern des ›Theater das Zimmer‹ und erzählt ihnen von seinem »Gutort«. Gemeinsam mit Sandra Kiefer, Hanna Hagenkorth, Tobias Schaller und Jascha Schütz tauchen diese in ›Atlantropa‹ ein und spinnen Ideen für das heutige Europa und den Stadtteil Horn. Was brauchen wir? Autarke Gemeinschaften, auf die die Welt blickt oder gemeinschaftliche Kulturorte, an denen wir bewusst und glücklich leben?
Interaktives Theatererlebnis zur Förderung der Stadtteilentwicklung
Mit Förderung durch die ›Kulturbehörde Hamburg‹ entsteht unter der Regie von Marcel Weinand mit Assistenz von Lara Prignitz ein besonderes Theatererlebnis, denn das Publikum soll sich nicht nur mit der Idee Herman Sörgels vertraut machen, sondern seine eigenen Utopien für das Horner Stadtteilleben entwickeln. Der Architekt selbst hat natürlich auch Vorschläge mitgebracht, zieht sich aber galant zurück, um seine Zuhörer ihren Diskussionen zu überlassen. Ob sie ihm zustimmen oder nicht, wird er im Anschluss erfahren.
Das kleinste Theater Hamburgs bietet somit seinen Zuschauern nicht nur die Möglichkeit, das Bühnengeschehen interaktiv mitzugestalten, sondern auch Visionen für ihren Stadtteil zu äußern, Städtebauer zu spielen. Die exotisch gestaltete, fröhliche Bühnenoase von Heike Böttcher lädt zum Träumen und Fantasieren ein. Das Utopie-Labor ist Vorreiter für andere Stadtteile, mit Hilfe von Kunst und Kultur aktiv die Stadtteilentwicklung zu fördern. »Wir sammeln die Ideen und tragen diese später weiter. Es ist nicht nur reine Spinnerei, sondern es können tolle Ansätze für Horn entstehen«, so Sandra Kiefer, Theaterleitung.
Weiterhin macht das Stück auf brisante geopolitische Probleme wie Zuwanderung, Wirtschaft, Nachhaltigkeit, Klimawandel, Ressourcenknappheit und den Zusammenhalt der Europäischen Union allgemein aufmerksam. Ob diese mit der einstigen Vision Sörgels lösbar sind, bleibt den abendlichen Utopisten selbst überlassen. Alles ist möglich – nicht nur in ›Atlantropa‹.
| MONA KAMPE
| TITELFOTO: PATRICK BIEBER
Titelangaben
›Atlantropa‹ im Hamburger Theater das Zimmer
Regie: Marcel Weinand, Assistenz: Lara Prignitz
Es spielen: Sandra Kiefer, Hanna Hagenkorth, Tobias Schaller und Jascha Schütz
Bühne & Kostüme: Heike Böttcher