Kinderbuch | Samuel Castaño Mesa: Die Uhr meines Großvaters
Wir leben nach ihr, müssen uns so oft nach ihr richten und sie bestimmt so Vieles: die Uhr und die Zeit, die vergeht, das Ticken des Uhrwerks, der immer wiederkehrende Schlag der Uhr. Dies ist eine Geschichte, die von der Zeit handelt, davon, was passiert, wenn sie stehen bleibt und es ist die Geschichte von einem wunderbaren alten Mann. Von BARBARA WEGMANN
Ein Kinderbuch, ja, natürlich, aber auch ein Buch, das Erwachsene vielleicht an ihre eigene Kindheit erinnert. »In unserem Haus gab es eine Pendeluhr, die viele Male am Tag schlug.« Es ist die Uhr des Großvaters und der kleine Junge weiß sehr wohl, wie sehr ihr Ticken und Schlagen das Leben im Haus bestimmt. Der Großvater dreht die Uhr stets mit einem kleinen Schlüssel auf. Und dann hört man die Uhr durch das ganze Haus, besonders nachts konnte man hören, »wie das Ticken der Uhr in jeden Winkel des Hauses drang und das Schnarchen meines Großvaters begleitete.«
Viel Symbolik so einfach und liebevoll in Wort und Bild verpackt, eine Uhr wird neu aufgezogen, eine neue Generation wächst heran, übernimmt die Verantwortung.
Eines Tages stirbt der Großvater, das Leben scheint plötzlich still zu stehen. »Die Suppe wurde nicht heiß, die Wäsche trocknete nicht, die Pflanzen wuchsen nicht, die Blumen verwelkten nicht«, ja sogar ein Kind kommt nicht auf die Welt.
Wieder ein so wunderbares Buch aus einem großartigen Verlag! »Baobab heißt der Affenbrotbaum, in dessen Schatten sich die Menschen Geschichten erzählen.« So heißt eben auch der Verlag bzw. die Buchreihe: Geschichten aus aller Welt, jeweils in Originalsprache mit Übersetzung.
Diese Geschichte stammt aus Kolumbien. Einfach und schlicht illustriert, mit »Bleistift, Aquarellfarben und Collagen«, nur kurze Texte, aber das Ticken der alten Pendeluhr des Großvaters, es liegt in allen Bildern, zwischen allen Zeilen und hinter jeder Seite. Ein Ticken, das vielleicht nicht nur dem Jungen der Geschichte Geborgenheit, Aufgehobensein und heile Kindheit bedeutet, ein Ticken, das vielleicht beim Blättern durch das kleine Buch einen selbst an Früher erinnert, der Schlag einer alten Pendeluhr, das Ticken der Wanduhr. Dieses regelmäßige Ticken, das den Puls des Lebens bestimmt.
Der Junge vermisst den Großvater sehr, er trauert, zieht auch dessen viel zu große Jacke an, und? Er findet in einer Tasche den Schlüssel der alten Uhr.
Viel Symbolik so einfach und liebevoll in Wort und Bild verpackt, eine Uhr wird neu aufgezogen, eine neue Generation wächst heran, übernimmt die Verantwortung. Eine Uhr als Lebensmotor, als Regulativ und Struktur gebend für den Tag und das Leben. Eine Uhr, die plötzlich stillsteht, wenn ein Mensch stirbt. Aber auch die Chance für den Trauernden, mit dem gefundenen Schlüssel dem Leben wieder Sinn und Zukunft zu geben. Und dabei wird die Uhr eines sicher immer tun: sie wird die Erinnerung an den Großvater nie verblassen lassen.
Titelangaben
Samuel Castaño Mesa: Die Uhr meines Großvaters
(El reloj de mi abuelo) Zweisprachig Deutsch–Spanisch
Aus dem Spanischen von Jochen Weber
Basel: Baobab Books 2019
44 Seiten. 17 Euro
Bilderbuch ab 5 Jahren
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