Bilderbuch | Vincent Bal: Shadowology
Schatten? Klar. Wenn Licht auf einen Gegenstand trifft, dann wird die unbeleuchtete Fläche auf weitere Gegenstände projiziert. Das Spiel von Licht und Schatten macht Vicent Bal zu einer amüsanten wissenschaftlichen Disziplin – ohne tatsächlich wissenschaftlichen Anspruch aber mit viel Sinn für Humor, findet ANDREA WANNER.
Der Schatten eines Knoblauchs wird sehr überzeugend zu »e.t. (extra tasty)«, dem kleinen schrumpeligen Alien mit seinem Leuchtfinger. Gabelzinken hinterlassen als Schattenbild perfekte Notenlinien und ein Handyladekabel verwandelt sich in einen grimmigen »phone charger guard dog«. Alltagsgegenstände hinterlassen ihre Schattenspuren und mit wenigen ergänzenden Strichen sorgt Vincent Bal dafür, dass wir entdecken, was er entdeckt hat.
Angefangen haben seine Schattenspielen mit einem kleinen Elefanten: Die Sonne schien auf seinen Schreibtisch, wo seine vietnamesische Teetasse stand: Und schwupps – war da das Tier. Ein Auge und ein Ohr per Stift hinzugefügt, das Ganze fotografiert und auf Instagram gepostet: der Beginn jener mysteriösen Wissenschaft, der Shadowologie, die unerkannte Schattenwesen ans Licht befördert.
Hinter Apfelbutzen, Badeenten, Wassergläsern, Beistiftspitzern, Himbeeren oder Ohrringen verbirgt sich Ungeahntes. Verblüffend und immer wieder überraschend lädt Bal dazu ein, mitzuschauen, mitzuraten, mitzulachen.
Sein Witz endet nicht beim Bild, sprachkreativ versieht er seine kleinen Kunstwerke mit Titeln, die nicht weniger zum Schmunzeln sind. Der Turnschuh wirft einen »homer stinkson«-Schatten, das Gänseblümchen wird zur Palme auf einer Miniinsel im Meer, auf der ein Schiffbrüchiger ein Plakat hochhält, auf dem »HELP« zu lesen ist: »his favourite beatles song«.
Manches eignet sich für Kleine, anderes werden eher die Großer verstehen. Die magische Welt hinter dem Offensichtlichen wartet darauf, entdeckt zu werden. Und garantiert verändert sich der eigene Blick auf bisher vermeintlich Unscheinbares.
Titelangaben
Vincent Bal: Shadowology
(Shadowology 2017)
Aus dem Niederländischen von Birgit Erdmann
München: mixtvision 2019
144 Seiten, 18 Euro
Bilderbuch für alle