/

Galileo!

Bühne | Theater: Ich bin nicht Mercury

Eine Coverband hat ihre letzte Probe vor der Studioaufnahme. Sie interpretiert Songs von Queen. Man ist sich noch nicht einig, ob man sie neu interpretiert oder doch lieber original singt. Nach und nach entfalten sich die Charaktere auf ihre völlig eigene, allerdings im Kontext Mercurys nicht sonderlich überraschende, Art und Weise. ANNA NOAH taucht erneut in ein Queen-Song-Potpourri ein.

Rock-Theater

Dieter Hallervorden, Ihnaber des Schlosspark Theaters, setzt mit »Ich bin nicht Mercury‹ auf Rockkonzert-Atmosphäre. Und sammelt damit auch beim eher äteren Publikum viele Sympathiepunkte für seine Bühne. Die Zuschauer klatschen fast zwei Stunden zu den Songs mit und es gibt am Ende lange Standing-Ovations. Somit dürfte die Produktion viele neue Gäste anlocken.

MercuryManche erwarten ein Theaterstück mit Musik. Das trifft es nicht so ganz. Musical ist es aber auch keins. Vielmehr könnte man an es als eine konzertante Freddie-Mercury-Hommage betrachten. Alle Zuschauer sind eingeladen, die fantastischen Stimmen der Darsteller zu genießen.
Doch worum geht es noch?

»Dein Lachen hat mich geil gemacht«

Das Stück dreht sich um eine vierköpfige Coverband, die für eine bevorstehende Aufnahme verschiedene Queen-Songs proben. Dabei gibt es viel Platz für Vorwürfe und Zigarettenpausen. Einige zwischenmenschliche Zustände werden neben den Songs aufgearbeitet, natürlich immer mit einem Bezug zur Freddie-Biographie. Chris (Thomas Borchert) hat neben Starallüren ein Techtelmechtel mit seiner Kollegin Lisa (Sophie Berner), obwohl er eigentlich schwul ist. Das weiß er schon länger, gesteht es seinen Kollegen aber erst in dieser letzten Probe. Und auch nur deshalb, weil Lisa ihn zu einer Antwort, wo er nachts hingeht, drängt. Interessant ist seine Erklärung: Schon in jungen Jahren hätte er sich sexuell zum Sturmriesen aus »Peterchens Mondfahrt« hingezogen gefühlt.

Lisa ist verletzt, als sie es erfährt.
Chris wird quengelig, weil in dem Moment klar ist, dass er Lisa verlieren wird.

Der spießige und eher homophob dargestellte Ken (Marco Billep), wittert seine Chance und gesteht Lisa seine Zuneigung. Eine überdeutliche Abfuhr ist ihm in der Situation sicher.
Zuletzt ist da noch der Sänger Frank (Michael Ernst), der einige Schwächeanfälle auf der Bühne hat und öfter Pillen schluckt – ein subtiler Hinweis auf HIV. Er beichtet Chris im Laufe der Probe, dass er heimlich für ihn schwärmt. Auch hier eine äußerst interessante Erklärung: »Dein Lachen hat mich geil gemacht«. Später bittet Frank seinen Bandkollegen: »Bring mich nach Hause und hab mich lieb.«

Das kann man so stehen lassen, aber es wirkte nach den ganzen eher derben Ansagen wie »Halt’s Maul!« oder »Ich hätte dich gleich f****n sollen.« eher unpassend.

Ausnahmekünstler

Es ist ein offenes Geheimnis, dass die eigentliche Theater-Story eine absolut untergeordnete Rolle spielt. Der Abend lebt fast ausschließlich von den Gesangstücken der Band, wobei Thomas Borchert, bekannt unter anderem in seiner Paraderolle des Grafen Krolock im ›Tanz der Vampire‹ und aus seiner Show ›Rock it!‹, sowie die Chanson-Sängerin Sophie Berner, bekannt als Sally Bowles in ›Cabaret‹, hervorstechen. Trotzdem bekommen die anderen beiden Sänger genug Raum für eigene Interpretationen, was toll ist, denn sie müssen sich absolut nicht hinter den Stars verstecken.

Mercury

Borchert sagte der ›BZ‹ zu seiner herausfordernden Rolle: »Wahrscheinlich werde ich zwischen den Aufführungen weitgehend meine Klappe halten und ins Sauerstoffzelt gehen.«

Gelungen

Mit den Sängern steht die UnderPressured-Rockband auf der Bühne. Genau wie die Darsteller beherrschen sie ihr Handwerk perfekt – Queen-Feeling vom ersten bis zum letzten Ton. Alle zusammen machen diesen Konzertabend zu etwas ganz besonderem. Und dabei ist es völlig egal, ob es um Krachernummern wie »Under Pressure«, »Bycicle Race«, »We are the Champions« beziehungsweise am Ende »The Show Must Go On« oder auch um ruhigere Lieder, wie »Cool Cat«, »Jealousie“ oder »You Take My Breath Away« geht. Zusammen mit ihrer eigenwilligen Interpretation von »Bohemian Rhapsody« setzen sie damit einen neuen Standard im Kosmos der Tribute-Revues.

Somit war das ein absolut gelungener Konzertabend mit wenigen fragwürdigen Textpassagen.

| ANNA NOAH
| FOTOS: DERDEHMEL/Urbschat

Showangaben
Ich bin nicht Mercury
(Schlosspark Theater)

Cast:

  • Thomas Borchert
  • Sophie Berner
  • Marco Billep
  • Michael Ernst

Musik:

  • UnderPressured-Rockband
  • Leitung – Harry Ermer

Regie: Thomas Schendel

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Music For Heart, Brain and Feet: New Release Reviews

Nächster Artikel

Eldin

Weitere Artikel der Kategorie »Bühne«

Abgesagt: Franco Berardi

Literatur | Festival »Poetische Quellen« Ohne dass es der Öffentlichkeit hinreichend präsent wäre, existiert hierzulande eine lebhafte Szene von Literaturfestivals, eines davon das jährlich in Ostwestfalen-Lippe in Bad Oeynhausen und Löhne veranstaltete internationale Literaturfest »Poetische Quellen«: vier Tage Literatur stets am letzten vollen Augustwochenende, diesmal: ›Der Platz des Menschen – Wirklichkeiten, Wahrheiten, Illusionen‹. Von WOLF SENFF

Eloquenz und Kalauer

Menschen | Zum 80. Geburtstag des kulturellen Tausendsassas Hellmuth Karasek »Manchmal fürchtete ich schon, ich schreib mich in eine Depression hinein«, bekannte Hellmuth Karasek über die Arbeit an seinem 2006 erschienenen Band Süßer Vogel Jugend. Der kulturelle Tausendsassa mit der stark ausgeprägten Affinität zur Selbstironie sprüht aber immer noch vor Tatendrang und hat im letzten Frühjahr unter dem Titel Frauen sind auch nur Männer einen Sammelband mit 83 Glossen aus jüngerer Vergangenheit vorgelegt. Sogar prophetische Züge offenbart Karasek darin, sagte er doch den Niedergang der FDP schon zwei Jahre vor der letzten Bundestagswahl voraus. Von PETER MOHR

Liebe bis über alle Grenzen hinweg?

Bühne | ›Love hurts/!לא לשכוח – לאהוב‹ – ein deutsch-israelisches Dokumentarstück (Badisches Staatstheater Karlsruhe) Dass Liebe und Beziehungen zwischen Mann und Frau keine leichte Angelegenheit sind, davon erzählen Klassiker der Weltliteratur und das Leben selbst. Daraus schöpfen Filmemacher ihre Stoffe – und nicht nur diese: Auch im Badischen Staatstheater ging es um die Liebe, um die Art, die schmerzt, wie es schon der Titel ›Love hurts‹ verrät. Doch das beeindruckende und überraschende Resumée des deutsch-israelischen Dokumentarstücks von Avishai Milstein (Koproduktion mit dem Teatron Beit Lessin, Tel Aviv) ist ein anderes: Die deutsche Schuld gibt es nicht. Von JENNIFER WARZECHA

Mariss Jansons besiegt Stefan Herheim im Duell

Film | DVD: Tschaikowski – Eugen Onegin Tschaikowskis Eugen Onegin gehört zum festen Repertoire der Opernhäuser. In den vergangenen Jahren konnten zwei so unterschiedliche Inszenierungen wie die von Achim Freyer in Berlin und von Andrea Breth in Salzburg die anhaltende Wirkung dieses Bühnenwerks bestätigen. In Amsterdam hat der deutlich jüngere Norweger Stefan Herheim sich seiner angenommen. Herheim ist für seine enigmatischen Inszenierungen bekannt und nicht unumstritten. Er neigt dazu, sich mehr zu denken, als er szenisch zu vermitteln mag. Ohne Erläuterungen ist das Publikum bei ihm oft ratlos. Von THOMAS ROTHSCHILD

Swinglegende, Dandy, Charmeur

Bühne | »›My way‹- the true story of Frank Sinatra and Ava Gardner« Nicht wenige Sänger, vor allem Rocklegenden, sind entweder durch Alkoholexzesse oder andere Eskapaden schon zu Lebzeiten aufgefallen und am Ende durch diese stellenweise sogar zu Tode gekommen. Die Biographien anderer Autoren und Sänger wiederum sind nicht nur von der Qualität ihrer Lieder und Texte geprägt, sondern auch von ihren erotischen Abenteuern und Frauengeschichten gezeichnet. Zum Beispiel die von Francis Albert »Frank« Sinatra (1915-1998), Swinglegende, Dandy, Entertainer und Frauenschwarm, der unter anderem mit Songs wie ›My Way‹ und ›Strangers in the night‹ bekannt und berühmt wurde. Von JENNIFER