/

Lear has fallen

Bühne | König Lear am Deutschen SchauSpielHaus Hamburg

Eine Entscheidung, fatale Folgen. Eine List und das Böse droht Lears Königreich zu reagieren. Der Herrscher selbst alt und verzweifelt. Dem Chaos folgen Wahnsinn und das Jüngste Gericht. Wird er den Fall überleben? Von MONA KAMPE

König Lear ist alt und dankt ab. Seine Töchter erbringen ihm Liebesbeweise und er teilt sein Königreich unter ihnen auf. Die jüngste, geliebte Tochter Cordelia weigert sich, seiner Bitte nachzukommen und wird daraufhin verstoßen.

Zur selben Zeit wird Edgar, der Sohn des Grafen Gloucesters, Lears Berater, Opfer einer List seines Bruders Edmund. Dieser fälscht einen Brief an den Vater, in dem Edgar ankündigt, ihn stürzen zu wollen. Er ist zur Flucht gezwungen.

Cordelia (Lina Beckmann) und Lear (Edgar Selge): Liebe und Enttäuschung
Cordelia (Lina Beckmann) und Lear (Edgar Selge): Liebe und Enttäuschung
Lears machtbesessene Töchter wollen das Reich nach ihren Vorstellungen führen und ignorieren den Irrsinn des alternden Königs. Lear verfällt nach und nach dem Wahnsinn, da er sich von seinen Töchtern verraten fühlt. Diese buhlen zudem beide um Edmund. Der Machtkomplott ist perfekt.

In seinem Verzweiflungswahn begegnet Lear dem getarnten Edgar. Die Franzosen, angeführt von Cordelia, fallen in Dover ein. Dem Reich droht der Krieg. Doch nicht alle stehen auf einer Seite.

Apocalypse now!

Karin Beier gelingt eine moderne, außergewöhnliche Inszenierung des Shakespeare-Doppeldramas ›König Lear‹ von 1603. Nicht nur die Dialoge sind hier in die Neuzeit transferiert, das Bühnenbild schlicht und ausfüllend gestaltet, sondern auch die Interpretation ist eine sehr politische sowie ideelle.

Denn neben Machtbesessenheit und Alterswahnsinn gehen Selbstzerstörung, Krieg und apokalypsenähnliche Zustände Hand in Hand in Lears Reich. Unter der Gier der Töchter und dem nachlassenden Verstand Lears zerfällt das einst prächtige Königreich, die Charaktere sind dem Jüngsten Gericht unterworfen und das kennt bekanntlich kaum Gnade. Eifersucht, Rache, Maskerade, Gewalt und Zerstörung folgen der fatalen Entscheidung Lears.

 Deutsches SchauSpielHaus Hamburg: „König Lear“ von William Shakespeare. Regie: Karin Beier. Bühne und Kostüme: Johannes Schütz. Premiere am 19.10.2018 im SchauSpielHaus. Foto v.l.: Carlo Ljubek, Sandra Gerling, Samuel Weiss © Matthias Horn, 2018. Die Bilder dürfen im Rahmen der Ankündigung und Berichterstattung unter Nennung des Copyrights honorarfrei genutzt werden. Bitte senden Sie uns ein Belegexemplar an presse[at]schauspielhaus.de. Kontakt zur Fotografin: 0163 1905732 / matthias@hornphotography.de
Goneril (Carlo Ljubek, l.) und Regan (Samuel Weiss, r.) buhlen um Edmund (Sandra Gerling, M.)
Neben den großartigen schauspielerischen Leistungen, auch geprägt von prägnanten Nebenrollen wie dem Hofnarr oder dem Hausdiener, begeistern vor allem die ausdrucksstarken Kostüme von Johannes Schütz. Auch sein Bühnenbild arbeitet mit kleinen, aber interpretativen und eindrucksvollen Elementen wie Schattenbildern, Live-Musik am Piano und Hausmitteln.

Durch vertauschte Rollen – Lears zwei Töchter werden von Carlo Ljubek und Samuel Weiss sowie Edmund von Sandra Gerling dargestellt – verschwimmen die klaren Reichs- und Charaktergrenzen. Nichts ist mehr so schwarz oder weiß, wie es scheint. Der Zuschauer wird in die Reichskarte des Guten und Bösen entführt, in der er die Welt und ihre Elemente ordnen muss, ohne so wahnsinnig zu werden wie ihr großer König.

Edgar Selge glänzt als dem Wahnsinn des Unverständnisses an den neuen Ordnungen und des Verrats verfallenden Lear, dem der Verlust seiner Macht und seiner Cordelia das Herz bricht. Lina Beckmann ist neben der Rolle der in Ungnade gefallenen Königstochter auch als amüsanter Hofnarr zu bestaunen.

Lear (Edgar Selge) verfällt dem Wahnsinn
Lear (Edgar Selge) verfällt dem Wahnsinn

Einzig die Spieldauer von drei Stunden mit nur einer Pause und die Darstellung des Wahnsinns durch nackte Protagonisten hätte dem begeisterten Publikum erspart bleiben können. Kürzer, und dafür ein Kostüm mehr, hätten der eindrucksvollen Inszenierung keinen Abzug getan.

| MONA KAMPE
| Bilder: MATTHIAS HORN

Titelangaben
König Lear von William Shakespeare
Deutsches SchauSpielHaus Hamburg
Deutsch von Rainer Iwersen
Es spielen: Lina Beckmann, Sandra Gerling, Jan-Peter Kampwirth, Matti Krause, Carlo Ljubek, Maximilian Scheidt, Edgar Selge, Ernst Stötzner, Samuel Weiss
Regie: Karin Beier, Kostüme und Bühne: Johannes Schütz

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Das Ticken der Standuhr

Nächster Artikel

Zwischen Gut und Böse

Weitere Artikel der Kategorie »Bühne«

Die »Magie einer unglaublichen Musik«

Interview | Bühne | Toby Gough: The Bar at Buena Vista ›Social Club‹ ist der Name eines kulturellen Zentrums in Buena Vista, einem Stadtteil in Havanna. Ob Rumba, Salsa oder Cha-Cha-Cha – die Tänze verändern sich so schnell wie die Stimmungen der Menschen. Theaterregisseur Toby Gough spricht über seine Show ›The Bar at Buena Vista‹, die uns mit spannenden und humorvollen Geschichten von Liebe, Eifersucht und Versöhnung im Kuba der 40er und 50er Jahre unterhält. ANNA NOAH freut sich darauf, herauszufinden, was das Publikum erwarten kann.

Nuancen einer Liebe

Live | Bühne | Show: Ghost – Nachricht von Sam Man nimmt das Motiv der unsterblichen Liebe und bringt es als magisches Geistermusical auf die Bühne. Dazu ein hinterhältiger Mord und zack ist der Zuschauer emotional mitten im Geschehen. Die Macher von ›Ghost – Nachricht von Sam‹ wissen, wie sie das Publikum verzaubern können. Dies funktioniert beeindruckend gut. ANNA NOAH freut sich über einen gelungenen Abend.

Der ganz normale Alltagswahnsinn

Bühne | Badisches Staatstheater Karlsruhe: Der Gott des Gemetzels

Der entsetzte Blick geht schier ins Herz. Verzweiflung, Leere – alles ist in ihm drin. Und nein, dem liegt nicht der Verlust eines lieben Menschen oder ein ähnliches tragisches Ereignis zu Grunde. Die Ehefrau wirft das Smartphone ihres Gatten absichtlich ins Wasser der Blumenvase. In der Gegenwart, in der jeder ständig mit seinem Smartphone beschäftigt ist, sicherlich kein Einzelfall. Gerade in der Aufführung des „Der Gott des Gemetzels“, einer schwarzen Komödie von Yasmina Reza, im Badischen Staatstheater zeigt es, wie mangelnde oder falsche Kommunikation nicht nur das Familienleben beeinträchtigen können. Von JENNIFER WARZECHA

Theater, oh Theater

(Bühne | Nachtgespräche im Zimmer)

Juhu, Hamburgs Bühnen haben wieder geöffnet! Und was tut Bunzel? Er ist ganz philsophisch vor Glück, denn er darf nicht nur auf den großen Durchbruch hoffen, sondern auch eine alte Flamme wieder auflodern lassen. Von MONA KAMPE

Die Magie des Breakdance

Bühne | Tanzshow | Flying Illusion Genau zwölf Breakdancer braucht es für die Inszenierung des alten Kampfes: Gut gegen Böse. Was die Zuschauer erwartet? Spektakuläre Akrobatik mit effektgeladenen Bühnenbildern. Diese wurden mit aufwändigen 3D-Projektionen versehen. Dabei scheinen die Grenzen tänzerischen Könnens auf magische Weise aufgehoben zu werden. ANNA NOAH feiert die lang erwartete Show-Premiere der Breakdance Weltmeister.