Roman | Håkan Nesser: Der Verein der Linkshänder
Nachdem der Münchner Friedrich Ani in seinem letzten Roman ›All die unbewohnten Zimmer‹ schon auf Teamarbeit setzte, lässt nun auch Schwedens Krimi-Altmeister Håkan Nesser seine beiden bekanntesten Serienhelden zusammen ermitteln. In ›Der Verein der Linkshänder‹ versuchen sich Ex-Kommissar Van Veeteren – zehn Auftritte zwischen 1993 und 2003 – und der etwas jüngere Gunnar Barbarotti – fünf Auftritte zwischen 2006 und 2012 – an einem Fall, der eigentlich längst geklärt schien und zu den Akten gelegt war. Aber der Mann, den man 1991 für den flüchtigen Mörder von vier Personen hielt, taucht 20 Jahre später plötzlich wieder auf – als unweit des Tatorts vergrabene Leiche. Von DIETMAR JACOBSEN
Eigentlich, so die neugierige und lebenslustige Ulrike Fremdli, Lebensgefährtin von Kommissar Van Veeteren, ist das eine geniale Idee: Jemand, der fünf Menschen in einer einsamen Pension ums Leben bringt, lässt für die Polizei nur vier Leichen zurück. Die fünfte vergräbt er in einem nahen Waldstück.
Automatisch wird der Verdacht auf den fallen, der fehlt. Und wenn man dann noch dazu jemand aussucht, der bereits jede Menge Dreck am Stecken hat, darf der wahre Täter sich für den Rest seines Lebens sicher fühlen. Es sei denn, die Leiche jenes Fünften taucht irgendwann wieder auf.
Ein Mörder taucht wieder auf – ermordet
Genau das ist die Ausgangssituation in Håkan Nessers Roman Der Verein der Linkshänder. Wer die zehn zwischen 1993 und 2003 erschienenen Romane um dessen Kommissar Van Veeteren gelesen hat, weiß, dass der längst aus dem Polizeidienst ausgeschieden ist und ein kleines Antiquariat in der fiktiven Stadt Maardam betreibt. Literatur und Musik waren ihm neben dem Schachspiel schon immer wichtig. Von seiner Arbeit als Ermittler ließ er sich durch sie aber nie abbringen. So dass er, inzwischen auf die 75 zugehend, immer noch einen legendären Ruf geniest. Und Legenden können es sich nicht leisten, wenn an ihrem Image gekratzt wird.
Also macht sich Van Veeteren, als er hört, dass der Mann, den er und seine Kollegen vor 20 Jahren als Mörder ermittelt hatten – einen Mörder, der allerdings nie gefasst wurde -, in der Nähe des damaligen Tatortes, einer kleinen Pension, erschlagen und verscharrt gefunden wurde, noch einmal auf in das Küstenstädtchen Oosterby, um dem wahren Geheimnis des »Vereins der Linkshänder« auf den Grund zu gehen.
Letzteren hatten in den 1960ern drei Jungen gegründet, die ihre Linkshändigkeit zu Außenseitern in ihrer schulischen Umgebung machte. Ein weibliches Zwillingspärchen und ein weiterer Junge komplettierten die Clique im Laufe der Zeit. Nach dem Schulabschluss ging man auseinander und verlor sich aus den Augen. Warum man sich 1991 noch einmal traf, wer dieses Treffen, von dem niemand etwas wissen durfte, initialisierte und aus welchem Grund es damit endete, dass in der komplett niedergebrannten Pension, in der die Ex-Vereinsmitglieder übernachteten, die kaum mehr zu identifizierenden Leichen von vieren der Linkshänder gefunden wurden – die sich damals den Polizisten aufdrängende Wahrheit gilt nicht mehr nach dem Fund des fünften Toten.
Tödliches Wiedersehen
Der Verein der Linkshänder erzählt seine Geschichte auf drei Zeitebenen. Der Leser ist dabei, wenn drei schulische Außenseiter im Jahre 1961 einen Klub ins Leben rufen, der ihnen und ihresgleichen helfen soll, das Leben zu bewältigen. Auf einer zweiten Ebene erlebt man das tragisch endende Wiedersehen von fünf Vereinsmitgliedern im Jahr 1991. Dass sich das Team um den Maardamer Kommissar Van Veeteren in der Einschätzung der Situation nach den Morden von 1991 furchtbar irrte und sich deshalb der längst aus dem Dienst geschiedene Kriminalist gut 20 Jahre später noch einmal aufmacht nach Oosterby, um nach dem Auftauchen der Leiche des fälschlicherweise für den Mörder gehaltenen fünften Mannes die Ereignisse jener Nacht einer Neubewertung zu unterziehen und den wahren Täter endlich dingfest zu machen, wird schließlich auf einer dritten, der Gegenwartsebene des Jahres 2012 verhandelt.
Hier darf sich dann auch eine weitere Gestalt aus dem Erzählkosmos Nessers in das Geschehen einmischen: Den im westschwedischen Kymlinge ermittelnden Kriminalinspektor Gunnar Barbarotti treibt ein eigener Mordfall, der im Umfeld des die Mordnacht von 1991 durch einen glücklichen Zufall überlebt habenden zweiten weiblichen Mitglieds des Vereins der Linkshänder geschehen ist, in die Zusammenarbeit mit Van Veeteren. Und gemeinsam finden die beiden heraus, dass es sich bei dem legendären Verein nicht nur um ein Projekt gehandelt hat, mit dem eine Handvoll Außenseiter versuchte, sich einen eigenen Platz im Leben zu schaffen, sondern dass die Mitglieder der Clique auch ein dunkles Geheimnis miteinander teilten, welches das Leben aller bis zum Schluss überschattete.
Ein dunkles Geheimnis
Håkan Nessers Romane waren noch nie actiongeladen. Auch seine beiden Kommissare leben eher von ihrer Geistes- als von ihrer Muskelkraft. ›Der Verein der Linkshänder‹ macht davon keine Ausnahme. Und doch bleibt er spannend auch über die diesmal sehr lange Distanz von mehr als 600 Seiten. Nesser füllt sie mit einem raffinierten Spiel aus Verbergen und Enthüllen, lässt seine Leser langsam erahnen, was zu der Katastrophe des Jahres 1991 geführt hat, und baut ein raffiniertes Verwechslungsspiel ein, das aber letzten Endes auf eine falsche Fährte lockt.
Für Humor sorgt Van Veeterens Lebensgefährtin Ulrike Fremdli, die fleißig mitermittelt und den Kommissar, dessen Sehnsucht nach dem einem 75-Jährigen eher angemessenem Leben zwischen Buch und Schachspiel manchmal überhandnimmt, immer wieder anspitzt, nicht innezuhalten ehe der alte Fall endgültig gelöst ist. Gute, intelligente Unterhaltung, von der es im Moment viel zu wenig gibt!
Titelnagaben
Håkan Nesser: Der Verein der Linkshänder
Aus dem Schwedischen von Paul Berf
München: btb Verlag 2019
604 Seiten, 24.- Euro
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