/

Am liebsten keine grauen Städte mehr

Bilderbuch | Géraldine Elschner: Hundertwasser – Ein Haus für dunkelbunte Träume

Vor 20 Jahren starb der Österreicher Friedensreich Hundertwasser. Aus diesem Anlass erscheint dieses außergewöhnlich schöne Kinderbuch, ein Bilderbuch, das bunter nicht sein könnte und das mit großer Farbenprächtigkeit und einer hübschen Geschichte beeindruckt. Von BARBARA WEGMANN

Hundertwasser: Ein Haus fuer dunkelbunte Traeume von Geraldine ElschnerMaya und ihre Freunde sind völlig aus dem Häuschen: in ihrer Stadt gehen seltsame Veränderungen vor sich. »Die alte Möbelfabrik sieht plötzlich aus wie ein Schachbrett. Und in der Ferne leuchtet ein hoher Schornstein in vielen Farben.« Und dann ist da dieser prächtige Baum, der den Kindern so ans Herz gewachsen war und unter dessen Zweigen Maya und Leo und Lea jedes Jahr Geburtstag feierten. Doch »eines Morgens kamen die Bagger …«, und am nächsten Tag hatte der Baum einen großen Umhang um sich herum. »Der Mantel der Hexe, flüsterte Leo«. »Oder der Umhang des Zauberers! raunte Lea.« Würde man den Baum etwa fällen? Aber dann entsteht etwas ganz Überraschendes und Wunderschönes, die Kinder können es kaum fassen, alles verändert sich, bekommt Farbe, ein verspieltes Aussehen und irgendwie hat jeder gute Laune.

Es sind all die Häuser, die Fassaden, die Türme, die Fenster, die Straßen, Plätze und Balkone, die Hundertwasser geschaffen hat und in deren Nähe schon man sich automatisch und spontan, ohne es begründen zu können, bis ins Innerste wohlfühlt, die Seele scheint zufrieden in der Nähe dieser Konstrukte, irgendwie angekommen, zu Hause.

Es ist wie bei so vielen Dingen im Leben, warum gestaltet man eigentlich Häuser, Straßen oder Städte nicht viel intensiver nach den Prinzipien und Vorbildern, die der Architekt, Maler, Umweltschützer und Philosoph Hundertwasser schuf. »Eine solche Architektur versöhnt Mensch und Natur, weil sie beide respektiert.« Ja, Hundertwasser sagte sogar, dass man jeden Quadratmeter, den wir der Natur für den Bau unserer Häuser wegnehmen, ihr im Gebäude selbst wiedergeben müsse. Was für eine tolle Ansicht. Und damit die Natur dieses Recht bekomme, seien beispielsweise 900 Tonnen Erde auf die Dächer und Terrassen des berühmten Hundertwasserhauses in Wien geschüttet worden.

Eine wunderbare und fast dankbare Aufgabe auch für die Illustratorin, die üppig das weite Farbspektrum ausnutzte. Und das alles für ein Kinderbuch? Ja, und sie ist überzeugt, dass alle Linien, alle Farben, die Spiralen, die Brücke zwischen der Fantasiewelt der Kinder und der des Künstlers bilden.

Die Autorin der Geschichte, wie die Illustratorin auch Französin, erzählt im Nachwort, dass der Baum der Geschichte tatsächlich lebt: im französischen Lille. Kinder hätten ihn adoptiert und in diesem Buch habe er nun Wurzeln geschlagen.

Eine schillernde Geschichte, die spielerisch an die Ideen eines herausragenden Künstlers und Menschen heranführt. Hundertwasser pur auf all den großformatigen Seiten, keine geraden Formen an den Häusern, den Straßen und Plätzen, alles scheint zu leben, sich zu bewegen, im Fluss zu sein und die Bewohner mit Farbigkeit und natürlichen Formen zu begrüßen.

Und was wird aus dem Baum in der Geschichte? Maya fragt einen alten Mann, der aussieht wie der »Zauberer der Dächer«. »›Entschuldigung, wissen Sie, was mit meinem Baum passiert ist?‹ … ›Du magst ihn gern, nicht wahr?‹ lachte der Mann. ›Ich auch…komm mit!‹«

| BARBARA WEGMANN

Titelangaben
Géraldine Elschner: Hundertwasser: Ein Haus für dunkelbunte Träume
Illustriert von Lucie Vandevelde
München: Prestel 2020
32 Seiten, 14 Euro
Bilderbuch ab 4 Jahren
| Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander

Reinschauen
| Leseprobe

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Zurück in die 70er

Nächster Artikel

Venedig, ein Fest fürs Leben

Weitere Artikel der Kategorie »Kinderbuch«

Neue Erfahrungen

Kinderbuch | Katja Gehrmann: Stadtbär Die Tiere sind plötzlich aus dem Wald verschwunden. Der Bär wundert sich – und reist ihnen hinterher. Die anderen sind alles andere als begeistert. Von ANDREA WANNER

Durch schmale Gassen und ins Schneegestöber

Bilderbuch | Sydney Smith: Unsichtbar in der großen Stadt

Seine liebste Freundin lässt man nicht im Stich. Und wenn sie verloren geht, dann sucht man sie. So gefährlich es in der Großstadt auch sein mag, vor allem im Winter, wenn ein Schneesturm durch die Straßen tobt und man selbst noch ganz klein ist. Sydney Smith erzählt eine berührende Wintergeschichte. Von GEORG PATZER

Fundsachen

Kinderbuch | Maja Konrad: Henry Kolonko und die Sache mit dem Finden

Henry Kolonko hat ein ungewöhnliches Hobby: Er sucht verloren gegangene Dinge und bringt sie dann zu ihren Besitzern zurück. Dahinter stecken eine ziemliche Logistik, Kombinationsgeschick, wie es ein Detektiv braucht, und großer Eifer. Von ANDREA WANNER

Zum Leben erweckte Monster

Kinderbuch | J.K. Rowling: Der Ickabog

Schlaraffien ist ein wunderbares Königreich. Wer dabei sofort an das Schlaraffenland denkt, liegt nicht falsch. Gebäckteilchen wie Feenwiegen oder Himmelshoffnungen treiben einem, sollte man das Glück haben hineinbeißen zu dürfen, Tränen des Glücks in die Augen, Schinken, Käse, Räucherware, Obst: Es mangelt an nichts in diesem glücklichen Land. Bis der Ickabog zum Leben erwacht. Von ANDREA WANNER

Immer einfacher, immer schneller

Kinderbuch | Yvonne Rogenmoser: Über den Gotthard Flüsse und Täler, Wälder oder Berge haben Menschen noch nie daran gehindert, sie zu durchqueren, ganz gleich, wie groß oder auch gefährlich das Hindernis war. Dafür haben sich Menschen immer viel einfallen lassen. Die Aufgabe scheint zu lauten, Wege immer schneller und einfacher passierbar zu machen. Ein solcher Weg führt über den Gotthard-Pass. Yvonne Rogenmoser erzählt seine lange Geschichte in bunten Bildern für die Kleinen. Von MAGALI HEISSLER