Lust auf ein unterhaltsames Gefühls-Karussell? Dann lade ich sie ein für einen Abend in jenem Lokal zu Gast zu sein, in dem sich Tom und Louise regelmäßig treffen, bevor sie zur Eheberatung gleich gegenüber gehen. Ein Bier, ein Glas Wein, ein Gespräch, nahezu ein einziger Dialog auf viel zu schnell gelesenen 160 Seiten. Ich habe noch gefühlt viele Seiten später geschmunzelt: eine so typische Nick Hornby-Geschichte, meint BARBARA WEGMANN
Musikjournalist Tom und die Gerontologin Louise sind im besten Alter, zwei Kinder, er zurzeit arbeitslos, sie sehr erfolgreich. Aber: »Du hast nicht mehr mit mir geschlafen, deshalb habe ich mit jemand anderem geschlafen.« Louise bringt es auf den Punkt. Die handfeste Krise ist da, Tom ausgezogen, aber irgendwie sind beide unglücklich. Da kommt die Eheberaterin ins Spiel. Bei ihr soll endlich einmal alles auf den Tisch. Mal sehen, was zu retten ist. Ob das in den Sitzungen tatsächlich so ist, das erfährt man als Leser nicht, denn alleiniger Schauplatz der Geschichte ist die gegenüberliegende Kneipe, in der sich die beiden vor jeder Therapiestunde treffen. Hier wird dafür tatsächlich all das an- und ausgesprochen, was schon lange auf Herz und Leber drückt.
Auf manchem herumreiten, Sätze in Sarkasmus ertränken, mehr im Subtext sagen als auf andere Art, Spitzen verteilen, weh tun, obwohl man es doch gar nicht will, Vorwürfe herauskramen, die längst vergessen schienen, Gewohnheiten aufzeigen, die nie gewollt oder bewusst waren, alle Beziehungserfahrenen werden sich irgendwo auf dieser flotten, lebendigen und sehr amüsanten Dialogstrecke wiederfinden, versprochen! Da gibt es eine bunte Mischung an Stolpersteinen in einer Partnerschaft, die plötzlich zur kleinen Lawine werden, aufgearbeitet in einem amüsanten und temporeichen Gesprächs-Ping-Pong.
Wo ist die Leidenschaft, das Interesse füreinander, warum regt es Louise so auf, dass Tom für den Brexit stimmte, warum kommt Tom aus seinem Stimmungstief nicht heraus? Und, und, und. »Weißt du wo das Problem liegt?« fragt Louise Tom, »Wir sind unterschiedlich gealtert. Ich finde vierzig ist wie dreißig, nur dass man häufiger ins Fitnessstudio muss. Du findest, vierundvierzig ist wie fünfundsechzig, bloß dass deine Kinder jünger sind. Es ist noch nicht vorbei! Wo ist dein Kampfgeist?«
Nick Hornby ist ein genialer Unterhalter, nicht umsonst wurden seine Romane verfilmt, ernteten riesige Erfolge – About a Boy oder How to be good beispielsweise. Hornby bleibt bei aller Kritik, aller Schwächen und Fehler, die Tom und Louise auf den Kneipentisch legen, versöhnlich. Irgendwie schaffen es die beiden, sich pointiert und frech, fast flirtend und dann wieder entlarvend zu streiten, ohne dabei aber zu vergessen, was sie sich einmal versprochen hatten: »Zwei gegen den Rest der Welt«.
Ja, eigentlich streiten die beiden höchst vorbildlich. Da wird eine Ehe seziert, aber niemand bleibt dabei auf der Strecke. Waren vielleicht nur einmal die Erwartungen zu hoch? »Vielleicht ist es das, was wir von der Ehe erwarten. Ein Perpetuum mobile, dem nie die Energie ausgeht. Aber dann kriegen wir Kinder und einen Hypothekenkredit, und wir haben deine Mutter und meinen Vater, Arbeit, keine Arbeit … wie kann man sich von all dem nicht aufreiben lassen.«
Manchmal denkt man, Loriot hätte Pate gestanden und bei einem guten Wein mit Hornby gemeinsam manchen Dialog geschrieben: passen Männer und Frauen vielleicht wirklich nicht zusammen? Rede und Gegenrede, Pro und Contra, seine und ihre Sicht der Dinge, das alles fügt sich hier zu einem munteren und temporeichen Stück, bei dem man weder andere Mitspieler noch andere Schauplätze vermisst. Hornby bleibt ausgleichend, streut trotz der Konflikte Humor alles andere als homöopathisch zwischen die Zeilen.
Eine Lehre zieht man ganz sicher aus dem kleinen Buch: Reden ist immer gut. »Wir haben trotz allem ein ganzes Leben zusammen aufgebaut. Eine eigene Sprache, eine Familie. Eine Art von Verständnis. Intime Kenntnis von allem, was den anderen betrifft. Wie würdest du das alles nennen?« Na, vielleicht ja Liebe?
Titelangaben
Nick Hornby: Keiner hat gesagt, dass du ausziehen sollst. Eine Ehe in zehn Sitzungen
Aus dem Amerikanischen von Ingo Herzke
Köln: Kiepenheuer & Witsch 2020
160 Seiten 18,00 Euro
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