»Das Buch ist komplett autobiografisch und zugleich gar nicht autobiografisch«, verrät der sympathische Opernstar und Opernregisseur Rolando Villazón, der Mann mit vielen Talenten. Und so lässt man sich neugierig ein auf die gut 400 Seiten seines dritten Romans, der eines auf jeden Fall ist: eine tiefe Verehrung an Wolfgang Amadeus Mozart, charmant verpackt in eine lesenswerte Geschichte voller Tragik und Komik. BARBARA WEGMANN hat es gelesen.
»Ein tiefer Atemzug. Ich war angekommen.« Der junge Mexikaner Vian scheint am Ziel seiner Träume – Salzburg, die Stadt der Festspiele, die Stadt Mozarts, die Stadt mit der Burg. Hier will er Opernsänger werden, ein Plan, der mit den Wünschen seines diktatorischen Vaters nur wenig gemeinsam hat. Er, der von seinen Opernreisen nach Europa Mozartkugeln mitbringt und darüber sogar Buch führt zu Hause, sieht Vians Pläne als absurd an, er werde ihn keinesfalls finanziell unterstützen, wolle ihn aus dem Haus werfen. Das alles sei nichts als eine »kindische Obsession«.
Aber: Nichts kann Vian aufhalten. Nach mehreren Ablehnungen an anderen Bühnen, strandet Vian in Salzburg. Als Komparse in Don Giovanni hat er einen Vertrag. Und noch bevor er die Bühne betritt, lernt er Cecilia Bartoli kennen, ganz real, »die berühmteste Mezzosopranistin der Welt«.
Was ein skurriler Zusammenstoß auf der Straße ist, lässt Vian allerdings träumen: »Wer weiß, vielleicht würden wir ja eines Tages zusammen auf der Bühne stehen.« Vian träumt, wird geradezu süchtig nach allem, was mit Mozart zu tun hat, er lernt, von den Kollegen, saugt die Stimmung der Stadt auf, liest, was er sich leisten kann, taucht in die so besondere Luft der Bühne ein.
Auch die Liebe begegnet ihm in Salzburg, das Mädchen mit dem »farbigen Haar«. »Ich dachte, sie müsse nach dem fruchtbaren Frühling eines leichten, frischen Parfüms riechen oder nach der Rebellion von Bier und Zigaretten.« Aber auch in der Liebe wird er scheitern.
Mozart, immer wieder Mozart – seine Musik klingt zwischen den Zeilen, ob auf der Bühne oder beim Glockenspiel der Kirche, ob zwischen den touristischen Angeboten der Stadt oder in den vielen Antiquariaten. Mozart beseelt ein junges Herz und lässt 400 Seiten lesenswert zwischen Tragik und Komik pendeln.
Der Roman, obwohl sicher manch Autobiographisches einfließt, sei die Geschichte eines guten Freundes, erzählt Villazón, der, wie er, aus Mexiko stamme und Opernsänger werden wollte, aber scheiterte. Dieses Scheitern schildert er höchst liebevoll, jedes kleinste Straucheln wird aufgefangen von dem unerschütterlichen Glauben an den Erfolg. Eine Naivität, die Villazón gefühlvoll beschreibt, aber nicht ohne immer wieder das Tragische mit dem Komischen zu würzen, auszugleichen, zu harmonisieren.
Insgesamt erscheint das Buch über Freundschaft, Musik, die schmerzliche Abnabelung vom Elternhaus und vor allem der Kraft, seinen ganz eigenen Weg zu gehen, etwas lang, aber dennoch: Einzelne zum Teil hinreißend komische Exkurse in die Familiengeschichte lesen sich überaus vergnüglich. Musik klingt zwischen den Zeilen, wenn Villazón seinen Vian von berühmten realen »Kollegen« erzählen lässt, oder die große Bedeutung der Briefe Mozarts hervorhebt, die ein Kollege ihm aufträgt, unbedingt zu lesen. Sie schaffen für Autor und Hauptfigur eine noch innigere Bindung an die Musik Mozarts.
Vians Geschichte wird in einem Furioso enden. Sein Vater holt den gescheiterten Sohn in Salzburg ab. Mutig, rebellisch, fast trotzig und zum Ärger des Vaters trägt Vian seine gepuderte Rokokoperücke. »Und wenn ich bliebe?« Am Flughafen wird er sich mit einem herrenlosen Fahrrad davon machen. »Ein frohlockendes inneres Licht ließ mich leicht und zuversichtlich in die Pedale treten. … Ich trällerte die sogenannte kleine Symphonie in g-Moll und war mir in meiner entfesselten Freude sicher, dass Mozart es geliebt hätte, Fahrrad zu fahren.«
Titelangaben
Rolando Villazón: Amadeus auf dem Fahrrad
Aus dem Spanischen von Willi Zurbrüggen
Reinbek: Rowohlt 2020
416 Seiten. 26.- Euro
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