So viel Leidenschaft zwischen zwei Buchdeckeln

Sachbuch | Robin Näsemann (Hg.): Leidenschaft Alpaka

Aus meinem kleinen spanischen Wortschatz weiß ich, dass »Llama llama« so viel heißt wie: Ein Lama ruft an. Und »Llama llama a llama« bedeutet: Ein Lama ruft ein Lama an. Aber aus meinem laienhaften Wissensschatz rund um Alpakas weiß ich auch: Lamas sind keine Alpakas, na ja, die liebe Verwandtschaft ist es schon irgendwie. Aber das Lama ist eher das Tier für Lasten, das »Tier fürs Grobe« eben, das Alpaka dagegen die kleinere und eindeutig edlere und irgendwie vornehmere Art in diesem Verwandtschaftskreis. Leser seien gewarnt: bei diesem ungewöhnlich schönen Buch besteht akute Gefahr, sich Hals über Kopf zu verlieben. Ich hatte freiwillig mein Herz zur Eroberung bereitgestellt, es hat geklappt, gesteht BARBARA WEGMANN

Leidenschaft Alpaka»Viele Alpakas sind nicht einfarbig. …Sehr bekannt ist der edle Tuxedo- Look. Eine genetische Kombination, die das Alpaka wie im Smoking gekleidet erscheinen lässt.« Aber mal ehrlich: Hat ein Alpaka einen Smoking nötig? Knuffig sehen sie aus, frech, bezaubernd, wache Augen haben sie, eine leicht eckige Körperform, einen gerade hochgereckten Hals, der in den kleinen Kopf mündet. Und der strahlt ein »ruhiges und sanftes Wesen« aus. Ein Kopf, der dem Kindchenschema alle Ehre macht. Ein Gute-Laune-Tier ist das Alpaka und sein geschorenes Fell, Pardon, Vlies, hat es in sich und kann locker mit der »Edelfaser Kaschmir« konkurrieren.

Viele Veranstaltungen werden auf dem Alpakahof der Familie Näsemann im Münsterländischen Lüdinghausen angeboten, eigentlich, vielleicht ja in diesem Sommer auch wieder, bis hin zu Yoga mit Alpakas. »Hund« und »Kobra« zwischen friedlich grasenden Alpakas, das klingt wunderbar! Die Familie Näsemann ist groß, die Palette der Angebote rund ums Alpaka auch, was sich nicht zuletzt neben den Veranstaltungen auch im Onlineshop widerspiegelt. Aber das Familienmitglied, das sich so ganz diesem Tier verschrieben hat, das ist Robin Näsemann, mit einer von Inhalt und Präsentation her liebenswerten Hommage an so spannende Tiere.

Weltweit ist er unterwegs, als Richter und Gutachter, prämiert und zeichnet die Besten der Besten aus. Übrigens ist er der einzige deutsche Alpaka-Richter mit internationalem Zertifikat. Mehr könnte ihn als Experten für dieses Buch sicher nicht auszeichnen. »Im Show-Ring geht es wortwörtlich um Haarspalterei. Als Alpaka-Richter muss ich auf den Mikrometer genau feststellen, wie fein ein Vlies ist oder wie gleichmäßig die Qualität über den ganzen Körper verteilt ist.« Alpaka-Wolle ist enorm begehrt und beliebt, Tendenz steigend.

Was tun, wenn bedingt durch die Pandemie viele der Shows und Seminare ausfallen? Man schreibt ein Buch und dokumentiert Seite für Seite viel, viel Fachwissen, aber sehr, sehr verständlich präsentiert. Aber nicht nur das: dazu Geschichten, Erfahrungen und ein Blick in die Historie der Alpaka-Züchtung, die es schon vor Jahrtausenden im alten Inka-Reich gab. »Die Inkas waren bis ins 16. Jahrhundert wahre Meister der Zucht.« Die Eroberer waren dann leider an Anderem interessiert, als an den verzaubernden Tieren.

Erst im 19. Jahrhundert, so beschreibt Näsemann die wechselvolle Geschichte, kam erneutes Interesse auf. Auf den über 200 Seiten gibt es ausführliche Tipps für all jene, die sich überlegen, sich Alpakas zuzulegen, gar zu züchten, Ratschläge für die Haltung, spannende Erkenntnisse rund um das Vlies und seine Nutzung. Ohne den Menschen gäbe es diese Tiere nicht, sie sind das Ergebnis »Jahrtausende andauernder Zucht« so schreibt Robin Näsemann und er macht schnell klar: ein Alpaka hat so viel mehr zu bieten, als seine magischen Kulleraugen.

Innerhalb von 10 Jahren hat sich in Deutschland der Bestand an Alpakas vervierfacht, auf 20.000, so eine Zahl von 2018, und der Trend hält an. 200 dieser charmanten und sich schnell in die Herzen schleichenden Tiere hat die Familie Näsmann mittlerweile auf ihrem Hof. »Alpakas geben dem Menschen viel, allein ihr Anblick versetzt die erfahrensten Züchter jeden Tag aufs Neue ins Schmunzeln.«

Natürlich ist dieses nicht ganz preiswerte Buch besonders für jene interessant, die mit der Alpaka-Haltung oder gar Zucht beginnen wollen, da bleibt wirklich keine Frage unbeantwortet. Der Inhalt ist bestens strukturiert. Die Präsentation: ein attraktiv aufgemachtes Buch mit vielen, vielen Fotografien, an denen das Auge regelrecht hängenbleibt. Der Inhalt pendelt charmant zwischen sachlichen Informationen und Eindrücken und der Gefühlsebene für diese extrem sympathischen Tiere. Näsemanns sehr verständliche, manchmal fast unterhaltsame Art der Darstellung ist genauso für die »einfachen Liebhaber« der Alpakas. Ein Fachbuch, ein Tierbuch, ein tierisches Geschichtenbuch und ein fantastisches Fotoalbum noch dazu. Liebevoller kann man ein Buch nicht gestalten.

| BARBARA WEGMANN

Titelangaben
Robin Näsemann (Hg.): Leidenschaft Alpaka
Haltung, Zucht & Shows
Wuppertal: Show-Richter 2020
223 Seiten, 89 Euro

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Blaugefächerte Erinnerungen

Nächster Artikel

Beschriftungen

Weitere Artikel der Kategorie »Sachbuch«

Auf halber Strecke

Kulturbuch | Ulrich Raulff: Das letzte Jahrhundert der Pferde Schön, dass sich öffentliche Aufmerksamkeit auch anderen Geschöpfen zuwendet, in diesem Falle den Pferden. Und schön, dass die umfangreiche Darstellung Ulrich Raulffs so erfolgreich ist, die ›Geschichte einer Trennung‹ wurde innerhalb nur weniger Monate zum fünften Mal aufgelegt. Von WOLF SENFF

Abfahrt Leben, Gleis 1

Kulturbuch | Juliane Zimmermann: Der Teufel steckt im ICE Sie tragen schmucke dunkelblaue Uniformen mit roten Farbakzenten, kennen fast jeden Bahnhof in Deutschland (wenngleich eher selten alle Städte dahinter) und sind geschult im Krisenmanagement: die Zugbegleiter der Deutschen Bahn. Juliane Zimmermann ist eine davon. Was sie während ihrer Fahrten alles erlebt hat, hat sie in einem Buch veröffentlicht. INGEBORG JAISER über das Leben auf der Schiene.

Massenmörder aus der Gesellschaftsmitte

Gesellschaft | Ines Geipel: Der Amok-Komplex Wie bewundernswert eine Gesellschaft umgehen kann mit einem Massenmord, der ihr tiefe, vielleicht nie ganz vernarbende Wunden zugefügt hat, konnte man gerade am Prozess gegen den Attentäter von Oslo und Utøya studieren. Auch um ihn und seine Tat geht es in Ines Geipels neuem Buch Der Amok-Komplex oder die Schule des Tötens. Aber auch um den Versuch, einem erschreckend »modernen« und medial verstrickten Gewaltphänomen literarisch beizukommen. Von PIEKE BIERMANN

Roh ist das neue Vegan

Kulturbuch | Hochuli: Vegan / De Montalier: Roh Vielleicht darf‘s nach dem großen Schlemmen mal wieder etwas weniger sein? Die Rede vom »Falschen falschen Hasen« – einem veganen Gericht, basierend auf zerkrümelten Reiswaffeln – hielt SUSAN GAMPER bis gestern für eine ›urban legend‹. Nun hat sie 400 Gramm veganes Zwiebelmett im Kühlschrank. Aus zerkrümelten Reiswaffeln.

An die Töpfe, fertig, los!

Kinderbuch | Anette Beckmann: Carlotta, Henri und das Leben Eine Woche ohne Eltern, nur mit der Lieblingstante. Für Henri klingt das nach entspanntem Fastfood. Allerdings hat der die Rechnung ohne seine Zwillingsschwester Carlotta gemacht. Es wird gekocht. ANDREA WANNER läuft das Wasser im Mund zusammen.