/

Freunde fürs Leben

Gesellschaft | Bettina Flitner: Väter & Töchter

18 Porträts, 18 mal Väter mit ihren Töchtern, 18 mal ganz unterschiedliche Geschichten über eine besondere Beziehung. Interviews, Texte, Bilder. Ein Buch zum Blättern und wunderbar geeignet, einmal zu überlegen, wie war es doch bei einem selbst? Welche Rolle spielte der Vater? Oder, was bedeutet mir meine Tochter? BARBARA WEGMANN hat sich die Porträts angeschaut.

Väter und TöchterNein, nein, es ist keine tiefenpsychologische Untersuchung auf 144 Seiten. Hier ist niemand auf Probleme zwischen den Generationen aus: Es sind Geschichten, positive Geschichten von Vätern und ihren Töchtern, von bekannten und unbekannten Personen. Eine kurze Zeit begleitet sie die Fotografin und Autorin Bettina Flitner, stellt Fragen, beschreibt, schafft ein vertrautes Gesprächsklima, und das alles sehr einfühlsam, beobachtend und in Fotografien und Texten wiedergebend. Es sind Kapitel, die sich angenehm lesen, durchaus unterhaltend sind und automatisch hinterfragt man seine eigene Beziehung zum Vater, schaut zurück, und bleibt vielleicht an vielen Momenten der Erinnerung hängen.

»Wir sind beide theatralisch«, sagt Schauspieler August Zirner über sich und seine Tochter, die Autorin und Bergsportlerin Ana Zirner. Bettina Flitner trifft sich mit Vater und Tochter, die aus ganz verschiedenen Richtungen kommen bei dem Haus, in dem die Familie früher einmal wohnte. Gibt es gemeinsame Erinnerungen? »Mit August im Auto durch die Gegend fahren und Lenny Kravitz hören ….. Das war für mich die große weite Welt zu dieser idyllischen, aber doch engen Welt hier. Ich war sechs oder sieben.« Zirner, der über sich sagt, er habe stets mit starken Frauen zusammengelebt und gearbeitet, gesteht: »Es war für mich nie infrage gestellt, dass eine Frau die gleiche Autorität wie ein Mann haben kann.« Davon habe sie, Ana sehr profitiert. »Das Geschlecht war einfach kein Thema bei uns. Die anderen Mädchen durften abends nicht so lange draußen bleiben- das gab es bei uns überhaupt nicht.« Nie habe es Sätze gegeben, dass man etwas nicht könne, nur weil man ein Mädchen sei.

Ein Satz, der, variiert, in vielen Porträts vorkommt. Gestandene Töchter und Frauen sind es, denen Mut, Motivation und viel Selbstvertrauen schon in die Wiege gelegt wurden. Daran haben Väter sicher einen entscheidenden Anteil.

Da ist Elisa Singler, »frischgebackene Klempnermeisterin«, die einmal den Betrieb des Vaters übernehmen wird. Oder Danielle, Schmiedin, mit eigener Schmiede heute. Die für eine junge Frau sicherlich immer noch ungewöhnliche Lehre absolvierte sie beim Vater. Oder auch die Schornsteinfegermeisterin Katja, die ihrem Vater nacheiferte.

Die Geschichten sind eine Selektion, sicher nicht repräsentativ. Aber an dem gemeinsamen Nenner, dass Väter die Freunde fürs Leben sind, da stimmt man sicher gerne zu. Und manchmal gehören Differenzen, das Streiten um Ansichten, das Lernen, auch den eigenen Weg zu gehen, ohne die Wurzeln zu vergessen, eben auch dazu. Vorbei sind die Zeiten, in denen Väter die dominanten, beherrschenden, die Zukunft der Töchter bestimmenden Patriarchen waren. Bildung ermöglichen, Mut zur Selbstverwirklichung und das Ermuntern, Dinge zu versuchen, auch, wenn sie noch so unmöglich erscheinen, all das bestimmt die 18 Porträts.

Natürlich sind es erwachsene Frauen und Töchter, zwischen 18 und 68 Jahren sind sie, die Väter zwischen 49 und 93 Jahren, natürlich sind die pubertären Kämpfe und die Abnabelung längst vergessen und doch werden es immer die Sätze der Kindheit sein, die prägen und in Erinnerung bleiben. »Mit Leidenschaft, nicht mit Ehrgeiz, hat Papa immer gesagt.« Daran erinnert sich eine der drei Töchter Ranga Yogeshwars. Und ehrlich und offen steuert der Papa bei: »Auch wenn ich mich mit meiner Frau streite, dann wird das nicht vor den Kindern verheimlicht. Auch das gehört zum Leben dazu. Kinder bekommen es sowieso mit. Es läuft eben auch mal etwas anders.«

Die Porträts erzählen etwas aus der Kindheit, der Familie, dem eigenen Weg, der irgendwann eingeschlagen wurde, all dem, was Eltern und insbesondere Väter (aber ganz gewiss auch die Mütter…) mit Stolz und Dankbarkeit verfolgt haben. Und was früher einmal Väter und Töchter waren, das sind dann irgendwann zwar immer noch Väter und Töchter, aber eben vor allem die besten Freunde. Wie sagt Yogeshwar: »Wenn es eine Botschaft gibt, dann die: Hab keine Angst. Geh deinen eigenen Weg.«

| BARBARA WEGMANN

Titelangaben
Bettina Flitner: Väter & Töchter
Geschichten einer besonderen Beziehung
Berlin: Elisabeth Sandmann Verlag 2021
144 Seiten, 29,95 Euro
| Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Der verstummte Dichter

Nächster Artikel

Dabeisein II

Weitere Artikel der Kategorie »Gesellschaft«

Kein Gewinn

Gesellschaft | Martin Gessmann: Wenn die Welt in Stücke geht Ab und zu geschieht es eben doch, dass man aufgrund des Titels auf ein Buch aufmerksam wird, man sollte sich das abgewöhnen. Aber es liegt im Trend, dass Philosophie sich an eine interessierte und wenig oder kaum philosophisch vorgebildete Öffentlichkeit wendet, neuerdings präsentiert sich der Philosoph gerne auch via Flachbildschirm. Ob das wohl gut geht? Von WOLF SENFF

Keine Patentrezepte

Gesellschaft | Didier Eribon: Rückkehr nach Reims »Um mich selbst neu zu erfinden, musste ich mich zuallererst abgrenzen.« Aha. Da weiß jemand genau, was er will. Da hat jemand sein Leben voll im Griff. Nehmen wir ihm das ab? Von WOLF SENFF

Von Politikern und Journalisten

Gesellschaft | Friedemann Weckbach-Mara: Deutschland – Deine Politiker »La pentola guardata non bolle mai«, sagt man in Sizilien. Mit diesem Bild eines Topfs voller Wasser, das auf dem Herd solange nicht zu kochen beginnt, wie jemand zuschaut, lässt sich der Idealzustand des Verhältnisses von Politik und Journalismus beschreiben. Als »Vierte Gewalt« soll die Presse das Tun und Nichtstun der Politiker beobachten, darüber berichten und so dem Missbrauch von Macht vorbeugen. Allein, um an ihre Informationen zu kommen, sind Journalisten letztlich auf ein mehr oder weniger enges Verhältnis zu Politikern angewiesen. Die daraus entstehenden Probleme sind auch denen bekannt, die nicht

Vom kulturellen Kannibalismus oder Das Prinzip des Hybriden

Gesellschaft | U.Prutsch, E.Rodrigues-Moura: Brasilien. Eine Kulturgeschichte »Dr Zoch kütt!« Es ist wieder so weit: Verkleidete Menschen auf den Straßen, freudentrunken Arm in Arm – singend, tanzend, das Leben feiernd. Karneval! Paraden und Lindwürmer, Samba und Bläck Fööss. Brasilianische Verhältnisse in Köln, Kölner Verhältnisse in Brasilien! Und unsere Autorin SUSAN GAMPER fragt sich: »Brasilien? Da war doch was …«

Im Lauf der Zeit

Kalender | Literaturkalender 2021

Alles fließt (dahin) – Wochen, Monate, Jahreszeiten. Was könnte uns verlässlicher Halt und Orientierung bieten als Kalender? Unterlegt mit der passenden Dosis Literatur, mit anregenden Zitaten, aufmunternden Gedichten und spannenden Ausblicken auf bislang Unbekanntes erscheint das kommende Jahr schon greifbar nah. INGEBORG JAISER stellt einige empfehlenswerte Literaturkalender vor.