Von links nach rechts

Menschen | 80. Geburtstag von Monika Maron

Zum 80. Geburtstag der Schriftstellerin Monika Maron (am 3. Juni*) erschien der Essayband ›Was ist eigentlich los‹. Von PETER MOHR

Maron - Was ist los»Ich bin also verrückt, krank, leide an Transzendenzmangel und gehöre gelegentlich auch zu den Leugnern«, schreibt Monika Maron in ihrem jüngst erschienenen Essayband ›Was ist eigentlich los‹ über ein diffuses Gefühl, das sich bei ihr während der Zeitungslektüre oft einstellte. Harsche Medienkritik, das Ablehnen der Asylpolitik der Merkel-Regierung und eine mehr oder weniger offen formulierte Islamfeindlichkeit ziehen sich wie ein roter Faden durch die jüngeren Arbeiten des neuen Bandes.

In den letzten Jahren hat sich Monika Maron, die ein Jahr vor der Wende aus der DDR in den Westen übergesiedelt war, politisch mehr und mehr auf den rechten Rand zu bewegt und allerlei krude Gedanken über Ängste und Sorgen »besorgter Bürger« zu Papier gebracht.

In ihrem im letzten Jahr erschienenen Roman ›Artur Lanz‹ bediente Maron auf künstlerisch mäßigem Niveau all die Klischees, die durch die Corona-Krise noch verstärkt wurden: Klagen über vermeintliche Deutungshoheiten des politischen Establishments und seiner Gefolgsleute in den Leitmedien, von einer »Meinungsdiktatur« ist die Rede, und pathetische Wehklagen über Verluste fragwürdiger Heldenfiguren werden angestimmt (»Wir hatten kein Bild mehr von einem Helden, schon das Wort war verdorben«). Im Herbst des letzten Jahres war es zum Bruch zwischen der Autorin und dem S. Fischer Verlag gekommen, der fast alle ihre Bücher veröffentlicht hatte, aber ihre jüngsten politisch-gesellschaftlichen Statements für unvereinbar mit dem Leitbild des Traditionsverlages ansah.

Als Stieftochter des Innenministers hatte Monika Maron in der ehemaligen DDR zunächst beste Karrierevoraussetzungen. Doch nach ihrem nicht ganz freiwilligen Engagement in der FDJ, einem Jahr Arbeit als Fräserin, einem Studium der Kunstgeschichte und Theaterwissenschaften und einem kurzen Intermezzo als Regieassistentin beim DDR-Fernsehen entschied sie sich für eine Existenz außerhalb des reglementierten Systems und wurde Journalistin und Schriftstellerin.

Nachdem sie in ›Flugasche‹ (1981) die Umweltsünden rund um den Bitterfelder Braunkohletagebau angeprangert hatte, war die heute* vor 80 Jahren in Berlin geborene Autorin rasch zu einer Art Persona non grata geworden, und auch ihr zweiter Roman ›Die Überläuferin‹ (1986) konnte im Osten Deutschlands erst nach der »Wende« erscheinen. Die im Westen gefeierte Autorin Monika Maron war für die DDR nicht mehr tragbar, und so wurde ihr 1988 die Ausreise in die Bundesrepublik gestattet.

»Natürlich kann ich nicht sagen, mein Leben fängt erst 1990 an, aber es ordnet sich um einen anderen Mittelpunkt, und die Fragen stellen sich anders. Ich hätte ›Pawels Briefe‹ nicht schreiben können, solange es die DDR noch gab«, bekennt die Schriftstellerin Monika Maron, die im Rückblick auf ihr eigenes Leben von einer »gemischten Biografie« spricht. Deutsch-deutsche Grenzgänge im geografischen wie im politischen Sinn spiegeln sich nachhaltig in Leben und Werk der Kleist- und Hölderlin-Preisträgerin.

Anders als viele ihrer Weggefährten hat sich die im Berliner Stadtteil Schöneberg lebende Autorin allerdings nicht ideologisch vereinnahmen und zur pauschalen Abrechnung mit der DDR oder zu einer unreflektierten Sozialismusschelte hinreißen lassen. Die künstlerische Auseinandersetzung mit ihrer »gemischten Biografie« setzte sich auch nach dem Mauerfall fort – mit den Romanen ›Stille Zeile sechs‹ (1991) und ›Pawels Briefe‹ (1999), die trotz ihres autobiografischen Fundaments exemplarischen Charakter für die in der DDR aufgewachsene Generation der »Kriegskinder« hatten.

Ihre besten Werke gelangen Monika Maron, die mit dem Deutschen Nationalpreis (2009) und dem Lessing-Preis (2011) ausgezeichnet worden ist, wenn sie sich der Fesseln der eigenen Vita und der deutsch-deutschen Politik entledigte und tief in das Innere ihrer Figuren blickte. In ›Animal triste‹ (1996) erzählt sie auf eindrucksvolle Weise von der unglücklichen Liebe einer Paläontologin, die das Bewusstsein verliert und in einem komatösen Zustand den eigenen Tod vor Augen hat.

Mit dem Problem des Älterwerdens setzte sie sich auch in den späteren Romanen ›Endmoränen‹ (2002), ›Ach Glück‹ (2007) und ›Zwischenspiel‹ (2013) auseinander.
Mit der positiveren Grundstimmung ihrer Hauptfigur Johanna Märtin hat sich in ›Ach Glück‹ auch Monika Marons Tonfall gegenüber ›Endmoränen‹ verändert. Die Sätze scheinen ihr flüssiger aus der Feder geflossen zu sein, dem Phänomen des Alterns begegnete sie mit einem Augenzwinkern.

Am Ende bleibt die spannende Frage: Was hat zur ideologischen 180-Grad-Wende bei Monika Maron geführt? Was hat sie in die Arme der neuen Rechten getrieben und sie zu eine der lautstärksten Spalterinnen in unserer Gesellschaft werden lassen? Und – analog zum Titel ihres Essaybandes – fragt man sich einigermaßen bestürzt: Was ist mit der fraglos verdienstvollen, bedeutenden Schriftstellerin Monika Maron los?

| PETER MOHR

Titelangaben
Monika Maron: Was ist eigentlich los
Hamburg: Hoffmann und Campe Verlag 2021
192 Seiten, 22 Euro
| Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Schwebend am Abgrund

Nächster Artikel

Muslimische Einwanderung und westliche Frauenrechte

Weitere Artikel der Kategorie »Menschen«

»Kunst muss endlich definiert werden!«

Menschen | Kunst: Interview mit Timo Dillner (Teil I) Timo Dillner ist Künstler. Und der Meinung, die ewige Frage, was als Kunst gelte und was nicht, verdiene endlich eine klare Antwort. Im ersten Teil unseres Interviews mit dem Künstler fragt FLORIAN STURM nach dem Wesen der Kunst.

Lost Tapes and Lush House Grooves: An Interview With Swayzak

Music | Bittles’ Magazine: The music column from the end of the world Twenty years is a long time in dance music. Just ask all those ’next big things‘ who took a tumble, got lost in a cloud of coke, or found themselves forgotten and discarded by the world at large. To stay relevant in an ever shifting and competitive environment is no mean feat. Yet, over the last two decades, David Brown’s Swayzak project has made this achievement seem as easy as enraging a Daily Mail reader. By JOHN BITTLES

Heißer Wettlauf auf kaltem Eis

Sachbuch | Michael Smith: Der stille Held

Wenn man schon einmal Bücher, Reportagen oder Dokumentationen über Amundsen, Scott und Shackleton, die Expeditionen zu den Polen vor über 100 Jahren gelesen hat, dann, salopp gesagt, reißt einen dieses Buch nicht mehr unbedingt vom Hocker. Aber: es ist das Porträt eines Mannes, der bei drei Expeditionen zum Südpol mit dabei war, der viel erreicht, geleistet und erlitten hat und dennoch immer eine Hintergrundfigur blieb. Schon allein diese persönliche Perspektive lohnt die Lektüre, meint BARBARA WEGMANN

Schreiben mit einer Lupe

Menschen | Zum 80. Geburtstag des ungarischen Schriftstellers Peter Nádas

»Ich las in jungen Jahren Jung und Freud und rutschte dann in eine Selbstanalyse hinein. Das dauerte etwa vier, fünf Jahre, von denen anderthalb aus nichts anderem bestanden als aus dieser Arbeit und dem Erdulden ihrer Ergebnisse. Das war am Rande des Wahnsinns«, hatte der ungarische Schriftsteller Péter Nádas in einem Interview mit dem Digitalmagazin ›Republik‹ aus der Schweiz erklärt. Von PETER MOHR

A Time For Rebirth: An Interview With Jazzuelle

Music | Bittles’ Magazine: The music column from the end of the world Sometimes it feels like I am alone in thinking that house music should be sexy, sultry, and appeal to the heart and head as much as the feet. Recently I have become bored of clubs where you get accosted by drunken assholes, the dance floor is too jammed to permit the concept of personal space, while the night’s soundtrack is a limited palette of frantic, functional techno beats. Now, maybe it’s because I am getting a little older, but when I go out I want to hear