In der Graphic Novel ›Senso‹ lernt man einen eigentümlichen, von unglücklichen Zufällen verfolgten Protagonisten kennen: Germano ist tollpatschig, introvertiert und kommunikationsschwach. Er weckt sowohl das Interesse der weiblichen Hauptperson Elena als auch die Hoffnung der Leserschaft, dass Germano in dieser mysteriösen, langen Nacht voller Begegnungen zu sich findet. Mit ausreichend Humor werden auch tiefgründige Aspekte des Lebens wie Selbstzweifel, Unsicherheiten und die Liebe gestreift. Von ARDITA JANUZI
Germano ist von seiner Frau getrennt und hat wenig Kontakt zu seiner Tochter. An einem heißen Tag im August, in welchem der Comic einsetzt, möchte Germano eine Vernissage seiner kunstschaffenden Tochter besuchen.
Er reist dafür mit der Bahn durch Italien und scheint in eine Serie unglücklicher Zufälle geraten zu sein. Ein steckengebliebener Zug, ein Streik, viele Stunden Verspätung, ein langer Fußweg in der prallen Hitze, kein Hotelzimmer zum Schlafen und verlorenes Gepäck bilden lediglich den Auftakt seiner Pechsträhne.
Eine endlose Nacht voller Chaos
In dem Hotel, in dem Germano eigentlich übernachten möchte, trifft er auf die verschiedensten Personen. Neben einem alten Bekannten, den Gästen einer Hochzeitsgesellschaft und einem merkwürdigen Hotelangestellten trifft er auch auf die aufgeschlossene Elena. Eine Dame, die zur Hochzeit ihres Ex-Mannes eingeladen ist und nach der nächstbesten Möglichkeit sucht, diese unauffällig zu verlassen.
Im geheimnisvollen Park um das Hotel lernen sich Germano und Elena kennen. Sie sprechen ehrlich wie selten, obwohl sie sich kaum kennen, und fühlen sich nach langer Zeit wieder unbeschwert und lebendig. Zwischen Kommunikationsdefiziten, Bindungsunfähigkeiten und -ängsten genießen die beiden das Hier und Jetzt – gemeinsam, in einem Park, irgendwo im Nirgendwo.
Es bahnt sich eine Liebesgeschichte zwischen zwei Menschen an, die durch Zufall oder Schicksal einander begegnen und sich so annehmen, wie sie sind. Wie sich die zwischenmenschlichen Beziehungen aller Charaktere im Comic entwickeln, bleibt schlussendlich offen. Für die Leserschaft eröffnet sich somit ein ungeheurer Interpretationsspielraum und die Suche nach verstecken Symbolen und Hinweisen.
Fazit
Trotz der zahlreichen Geschehnisse wird im Comic kaum Spannung aufgebaut. Langweilig ist dieser aber keineswegs: Es ist Alfred, dem Szenaristen und Zeichner, unter anderem mit großen, doppelseitigen Illustrationen des Parks und einem geschickten Umgang mit Farben gelungen, eine Ruhe und Leichtigkeit zu vermitteln, die den Fokus auf die verschiedenen Facetten des Lebens rücken lässt.
Es scheint, als würde das unrealistisch wirkende Geschehen an einem vorbeiziehen, wie in einem Film, während man den Gesprächen der Comic-Figuren folgt und in ihnen den nötigen Tiefgang sucht.
Titelangaben
Alfred: Senso
Aus dem Französischen von Silv Bannenberg
Berlin: Reprodukt 2021
160 Seiten. 20 Euro
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