Angst vor Tests und Prüfungen kennen wohl die meisten. Was aber, wenn mehr daraus wird, wenn aus einem mulmigen Gefühl Panik wird – und man die Gefühle nicht mehr in den Griff bekommt? Von ANDREA WANNER
Elisa ist in ihrem letzten Schuljahr angekommen, das Abitur ist nicht mehr weit weg. Zunächst einmal gilt es Probeklausuren zu schreiben, deren Ergebnis auch schon in die Note des Abschlusszeugnisses mit einfließt. Klar ist man da nervös. Aber was mit Elisa geschieht, als plötzlich die Chemiearbeit vor ihr liegt, ist anders. Es ist eine Panikattacke übelster Art – auch wenn die 18jährige das so nicht einordnen kann. Sie ist verwirrt, am Boden zerstört – und der Test fällt entsprechend mies aus. Leider geht es genauso weiter. Lustlos und unendlich müde schleppt sich Elisa durch die Tage, kann nachts nicht einschlafen und fühlt sich morgens gerädert, hat keinen Bock etwas mit ihren Freunden zu unternehmen und kann sich nicht vorstellen, das Abi zu schaffen.
Druck gibt es vonseiten der Eltern. Beide unterrichten an Elisas Gymnasium, ihre Mutter ist sogar Schulleiterin. Sie wollen, dass die Tochter den bestmöglichen Start ins Leben hat und ihr alle Möglichkeiten offenstehen. Dafür, so denken sie, ist ein guter Notendurchschnitt die Voraussetzung.
Und es gibt eine weitere Sache, die Elisa belastet. Bei ihrer ersten Attacke hat sie ein Junge beobachtet. Leo gehört ausgerechnet zu einer üblen Clique gehört, die Schwächen der Mitschüler und Mitschülerinnen gnadenlos ausnutzen. Sie fragt sich, ob er den anderen darüber berichtet hat.
Anne Hoffmann hat in ihrem Debüt eine spannende Ausgangssituation gewählt, die sie in weiten Teilen auch überzeugend gestaltet. Wenn Elisa in den Spiegel schaut und sich nicht mehr erkennt, sind das Momente, die auch beim Lesen unter die Haut gehen. Die Angst vor den Veränderungen, die in ihr vorgehen, lässt sich gut nachvollziehen. Und den Unterschied zwischen normalen Prüfungsstress und Depressionen und Angststörungen zu erkennen, ist tatsächlich nicht so einfach, weder für die Betroffene selbst noch für die Menschen, die ihr nahestehen.
Was Hoffmann weniger gelingt, sind die übrigen Handlungsstränge in der Geschichte: das Verhältnis zu den Eltern – sind die jetzt autoritär oder doch irgendwie verständnisvoll oder schlicht überfordert? – wird nicht wirklich plausibel, die sich anbahnende Liebesgeschichte holpert über weite Strecken. Und dann schleichen sich so Sätze ein wie »Einen halben Tag und zweimal Masturbieren später hielt ich mit dem Rad an einer komplett leeren Kreuzung und sucht nach einem Straßenschild.« Ein Stilbruch in jeder Hinsicht, der so weit weg vom Rest des Berichts der Ich-Erzählerin ist, dass er schon fast komisch wirkt.
Elisas Geschichte hat Potential – und wie die junge Frau am Ende mit ihrem Problem umgeht, ist auch beachtlich. Außerdem rundet eine Liste mit Hilfsangeboten das Jugendbuch ab. Das ist tatsächlich sinnvoll und kann weiterhelfen.
Titelangaben
Anne Hoffmann: Es geht ja bloß um den Rest meines Lebens
Bamberg: Magellan 2021
288 Seiten, 17 Euro
Jugendbuch ab 13 Jahren
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