Zum fünften Mal lässt der Schwede Arne Dahl Sam Berger und Molly Bloom ermitteln. Die beiden, die inzwischen eine kleine Tochter haben, werden von einer alten Bekannten, Kriminalhauptkommissarin Desiré Rosenkvist, genannt Deer, mit Ermittlungen zu einer geheimnisvollen Mordserie betraut. Jeweils am fünften eines Monats findet sich an einem jeweils anderen kleinen Sandstrand in den Stockholmer Schären eine sorgsam dort platzierte Leiche. Weil niemand bei der Nationalen Operativen Abteilung (NOA), für die Deer arbeitet, an eine Verbindung zwischen den bereits drei Morden glaubt, engagiert sie Sam und Molly, die mit ihrer kleinen Detektei, der »Bootshaus Security AG« nicht gerade die spannendsten Fälle zu bearbeiten haben und froh sind, endlich wieder einmal »richtige Ermittlungen« aufnehmen zu können. Von DIETMAR JACOBSEN
Jeweils am fünften eines Monats muss die Nationale Operative Abteilung Schwedens ausrücken, um ein Mordopfer zu bergen. Die Serie hat am 5. März begonnen und als Kriminalhauptkommissarin Desiré Rosenkvist am 24. Mai bei Sam Berger und Molly Bloom in ihrem Bootshaus, Sitz der von den beiden seit geraumer Zeit betriebenen »Bootshaus Security AG« aufkreuzt, um sie um Hilfe zu bitten, hat man bereits drei Mordopfer aufgefunden.
Dass deren Leben jeweils am selben Tag der letzten drei Monate endeten und sich sowohl die Fundorte der Opfer wie auch die Platzierung der Leichen glichen, macht bei Rosenkvists Vorgesetzten kaum Eindruck. Nur die seit ihrem letzten Einsatz auf den Rollstuhl angewiesene Kommissarin glaubt an eine Mordserie, hinter der ein und derselbe Täter steckt. Und weil sie um die Qualitäten des Ex-Polizisten Berger und der ehemaligen verdeckten Ermittlerin Blom weiß und die beiden ihr außerdem noch etwas schuldig sind, setzt sie das Duo auf den Fall an, ohne ihre Vorgesetzten darüber zu informieren.
Berger und Blom ermitteln wieder
Mit Null gleich eins legt der schwedische Bestsellerautor Arne Dahl (Jahrgang 1963) den fünften und letzten Teil seiner Reihe um Sam Berger und Molly Blom vor. Die beiden taffen Ermittler, die sich anfangs schwer miteinander taten, inzwischen aber sogar ein gemeinsames Kind haben, auch wenn ihre Beziehung immer noch relativ fragil zu sein scheint, haben sich nach ihrem Ausscheiden aus den Sicherheitsorganen als Privatermittler niedergelassen. Von Bergers Bootshaus in den Stockholmer Schären aus kümmern sie sich hauptsächlich um Versicherungsbetrüger, also die eher unspektakulären, aber nichtsdestotrotz den Lebensunterhalt sichernden Fälle.
Das findet das Pärchen im Grunde auch gut. Denn in der gegenwärtigen Situation mit einer ihre Aufmerksamkeit erfordernden einjährigen Tochter und der relativ ungeklärten Zukunft der kleinen Familie sollte man eigentlich nicht gerade an großem Stress und adrenalintreibenden Abenteuern interessiert sein. Doch weil Berger und Blom sich seit ihrer letzten Begegnung mit Rosenkvist in deren Schuld sehen und insgeheim doch wieder etwas mehr Aufregung in ihrer beider Leben ersehnen, wagen sie sich trotzdem mitten hinein in eine hoch brisante Geschichte, in der es um Nanotechnologie und Kryonik, einen mit den Leben seiner Nachkommen spielenden Wissenschaftler und einen raffiniert ersonnenen Racheplan geht.
Axtmorde und versteckte USB-Sticks
Seit seinen Anfängen als Thrillerautor mit der Reihe um die Stockholmer A-Gruppe, eine Spezialeinheit der Polizei, die sich um Fälle mit internationalem Background zu kümmern hatte, eilt dem heute 59-jährigen Jan Arnald, der sich hinter dem Pseudonym Arne Dahl verbirgt, der Ruf voraus, nicht zimperlich zu sein, wenn es um Mord und Totschlag und die dabei zur Anwendung kommenden Methoden geht. Das hat dem Schweden bei der Kritik nicht nur Lob eingebracht. Dem Absatz seiner Romane aber scheint es eher förderlich gewesen zu sein. Auch in Null gleich eins konfrontiert Dahl seine Leser mit von Äxten gespaltenen Köpfen, von wütenden Messerstichen zerstörten Körpern und einer unmenschlichen Art der Folter, welcher der, der sie an seinen eigenen Kindern praktiziert, das Mäntelchen der »Wissenschaft« umgehängt hat.
Nicht gerade einfach macht die Aufklärung der auch nach dem Einsteigen von Berger und Blom in den Fall pünktlich weitergehenden Mordserie auch die Tatsache, dass sich immer deutlicher herauskristallisiert, dass man es wohl mit demselben Täter zu tun hat, der sich gleichzeitig anschickt, Mitglieder einer ehemaligen Biker-Gang brutal aus dem Verkehr zu ziehen. Der allerdings wird in dem Gefühl, allen, die ihn jagen, haushoch überlegen zu sein, immer unvorsichtiger. Und so ist es letztlich nur eine Frage der Zeit, bis sich das Ermittlerduo und ein kaltblütiger Mörder, geprägt durch eine unselige Kindheit und Jugend, von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen.
Die Rückkehr der A-Gruppe?
Ein wenig überkonstruiert ist das Ganze am Ende schon. Wie bereits in vorhergehenden Bänden der Serie wäre deshalb vielleicht auch bei Null gleich Eins weniger mehr und vor allem auch realitätsnäher gewesen. So bilden ein Mörder mit ausgeprägtem Spieltrieb – Bloms und Bergers Gegner liebt es, die beiden mit versteckten USB-Sticks auf seine Fährte zu locken, ist aber gleichzeitig darauf bedacht, ihnen immer einen Schritt voraus zu sein -, Veteranen eines Hells-Angels-Chapters, die früher anderen übel mitspielten und denen jetzt selbst übel mitgespielt wird, russische Mafiosi, die bereits im Vorgängerband Vier durch vier (2020) Schrecken verbreiteten, ein irrer Wissenschaftler und seine Clique sowie nicht zuletzt Verräter in den eigenen Reihen eine Melange, die beim Leser für Atemlosigkeit sorgen dürfte. Dass man über dieser Atemlosigkeit dann an der einen oder anderen Stelle vergisst, Fragen nach dem Warum und Wozu bestimmter Handlungselemente zu stellen, dürfte durchaus im Kalkül des Autors liegen. Der im Übrigen der Pageturner-Qualität seines Romans auch eine nicht zu überlesende und für Arne Dahl seit jeher typische literarische Qualität zur Seite stellt.
Sam Berger und Molly Blom dürften nach all dem, was ihnen in diesem offensichtlich letzten Band der Reihe zugemutet wurde, wohl erst einmal ein wenig Ruhe verdient haben. Ihr Erfinder aber scheint noch einiges vorzuhaben. In welche Richtung es ihn in Zukunft treiben wird – man darf gespannt sein. Nicht einmal die Rückkehr der berühmten A-Gruppe ist wohl auszuschließen. Zumindest einer lässt am Ende von Null gleich eins aufhorchen, wenn er verkündet: »Mein Name ist Paul Hjelm. Und ich bin wieder an Bord.« Dass er da aber ohne Kerstin Holm das Ruder übernimmt, kann sich wohl niemand vorstellen, der die Geschichte der beiden kennt.
Titelangaben
Arne Dahl: Null gleich eins
München: Piper Verlag 2022
454 Seiten. 17 Euro
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