Zwischen Träumen und der Realität liegen oft unüberbrückbare Abgründe. Und kann das, was man sich in den schönsten Farben ausgemalt hat, schnell zum ganz großen Frust werden. Eine Erfahrung, die auch ein Kröterich machen muss. Hinreißend, findet ANDREA WANNER.
Konrad Kröterich heißt mit vollem Namen Konrad Kröterich von Keks und ist ein kleines bisschen selbstverliebt. Am liebsten plaudert er mit seinem Spielbild – oder mit seinen Geranien. Dabei ist es nicht so, dass er keine Freunde hätte. Die sind auf den Plan gerufen, nachdem er eines Nachts von der »vollkommenen Umarmung« träumt und sich sofort auf den Weg macht, sie zu finden.
Seine erste Partnerin für eine so geartete Liebkosung ist seine gute Freundin, die Giraffe Georgette. Die lässt sich sofort darauf ein, beugt ihren langen Giraffenhals dem Kröterich entgegen, umarmt und lässt sich umarmen. Aber als sie sich wieder aufrichtet, rutscht der Kröterich den ganzen Hals hinunter: Nein, das ist nicht das, was er sich vorgestellt hatte. Als nächstes ist Goldfisch Geri dran. Aber wie man sich schon denken kann, ist das vor allem eine nasse Angelegenheit.
Von Keks lässt sich nicht entmutigen. Er umarmt eine Kuh (zu weich), eine Schildkröte (zu hart), eine Schlange (zu eng), und einen Storch – nicht eng genug. Er macht keinen Halt vor Raubtieren, versucht es mit einem Regenwurm oder einer Krake, lässt sich auf eine Fledermaus ein und zu macht leidvolle Erfahrungen mit einem Stachelschwein.
Die Liste der Tiere ist lang: Die perfekte Umarmung ist nicht dabei. So geht ein ebenso anstrengender wie enttäuschender Tag zu Ende und die arme Amphibie ist ziemlich am Ende.
Wie könnte Konrad sein Ziel erreichen? Er hat eine geniale Idee. Er formuliert eine entsprechende Annonce und lädt für den Samstag im Stadtpark zu einer »unverbindlichen Umarmung« ein. Tatsächlich kommen die Tiere scharenweise zu diesem Free-Hugs-Event, lassen sich mitreißen von der Idee, nehmen einander in die Arme: Der Schmetterling der Elefanten (na ja, den Rüssel des Elefanten), der Bär den Baum, der Storch die Schildkröte, die Katzenmutter ihr Baby, der Fuchs den Hasen, nur um dann zu einem neuen Partner, einer anderen Partnerin zu wechseln und erneut das Gefühl zu genießen. Nur einem geht es nicht gut: unserem armen Helden, der absolut unglücklich und enttäuscht ist.
Nein, so endet die Geschichte natürlich nicht. Aber wie Konrad Kröterich von Keks hinter das ganz große Geheimnis kommt, muss man einfach gesehen und gelesen haben. Auch sein weiterer Werdegang, im Nachwort zusammengefasst, ist absolut beeindruckend.
Oren Lavie, der Autor dieser Story, ist ein aus Israel stammendes Multitalent. Er ist Musiker, er komponiert, schreibt Theaterstücke – und Bücher. Der Humor ist subtil und Konrads Mission für Kinder so spannende wie für große. Das Tüpfelchen auf dem i sind die Illustrationen von Anke Kuhl. Kein Tier, das sie nicht in seinen ganz typischen Eigenschaften erfasst und aufs Papier bannt. Keine noch so feine Regung in Konrads Krötengesicht, die ihrem Stift entgeht. Kleine Sequenzen im bester Comicmanier bilden das Herz der tastenden Erkundung des fremden Terrains der Umarmungen. Das Handlettering des Textes und ein perfektes Layout sorgen für einen wahren Hochgenuss.
Das ist ein amüsantes Geschehen mit unerwartetem Tiefgang, ganz wie man das Bilderbuch anschauen möchte. Und danach sucht man sich am besten jemanden zum Umarmen!
Titelangaben
Oren Lavie: Konrad Kröterich und die Suche nach der allerschönsten Umarmung
Illustrationen, Handlettering und Layout von Anke Kuhl
Aus dem Englischen von Mathias Jeschke
Frankfurt am Main: Sauerländer 2022
40 Seiten, 16 Euro
Bilderbuch für Kinder ab 4 und alle
| Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander
Reinschauen
| Leseprobe