Ein bisschen länger als drei Jahre ist die Flutkatastrophe im Ahrtal jetzt her. Es war nicht die einzige Überschwemmung, aber das schlimmste Unglück dieser Art, bei der allein an der Ahr 135 Menschen ums Leben kamen. Ein Bilderbuch zeigt, was damals passierte – und was man heute besser machen kann – und macht! Von ANDREA WANNER.
Die Geschichte beginnt bereits auf dem Vorsatzpapier mit einer Aufzählung all der Fehler, die im Vorfeld der Katastrophe gemacht wurden: ungenutzte und kahle Hügel in der Umgebung; zu viel versiegelte Flächen, zu nahe Bebauung am Fluss. Die Illustration beleuchtet mit einer Lupe die kritischen Stellen – und dann geht es ganz harmlos los.
Ein Dienstag in einer kleinen Stadt, 14 Uhr und alles in bester Ordnung. Auf dem doppelseitigen Wimmelbild sieht man Menschen, die vergnügt im Fluss baden; kleine Brücken, über die eine Frau ihren Rollator schiebt; spielende Kinder auf dem Schulhof, die Feuerwehr, die gerade im Einsatz ist und eine Katze vom Baum rettet … Normalität, wohin man schaut. Drei Stunden später, 17 Uhr. Und wir werfen einen Blick in ein Wohnhaus. Der Querschnitt zeigt Keller, Erdgeschoss, 1. Stock und Dachboden, überall ganz normaler Alltag. Da wird gelesen, Musik gehört, gekocht und gegessen. Im Keller stehen Regale mit Eingemachtem, die Waschmaschine und die Kühl-Gefrierkombination, nebenan in der Werkstatt ein Fahrrad und Gummistiefel.
Einen Tag später regnet es. Der Flusspegel ist bereits so angestiegen, dass sich ein Junge auf der Brücke überlegt: »Auweia! Ob das gut geht?« Auf den Campingplatz packen die Urlauber zusammen und die Frau, die zuvor noch ihre Tiere gefüttert hat, beschließt, Hühner und Hasen ins Trockene zu holen. Dann wechselt die Szene wieder zu dem Wohnhaus. Eine besorgte Oma, die nebenan wohnt, fragt, ob die Familie die Kellerfenster gesichert habe. Aber noch scheint einem Hundespaziergang nichts im Weg zu stehen. Auch wenn das Tier sich sträubt: »Komm schon, das bisschen Regen.« Der Vater am Laptop blickt sorgenvoll: da wird noch viel mehr Regen vorhergesagt … Um 20 Uhr steht die ganze Stadt unter Wasser, um 21 Uhr sind die alten Fotos im Keller schon kaum mehr zu retten.
Bille Weidenland bietet in diesem Bilderbuch eine detaillierte Chronik einer Katastrophe – die auf menschliche Opfer in diesem Fall verzichtet. Die Dramatik ist trotzdem unbeschreiblich und in dem Szenenwechsel zwischen Überblick über die ganze Stadt und einem individuellen Schicksal einer Familie perfekt eingefangen. Und es geht nach dem abgeflossenen Wasser weiter mit großartiger Hilfe, Eimerketten, klugen Einsichten und Dank an alle Helferinnen und Helfer. Anschaulicher und kindgerechter lässt sich das wohl nicht zeigen, voll unendlich vieler kleiner Details, begleitenden Sprechblasen und der Möglichkeit, sich das alles in Ruhe anzuschauen, sacken zu lassen und über den Klimawandel nachzudenken!
Und wie der Untertitel bereits verrät, geschieht das mit einer großen Portion Hoffnung: Ein Bilderbuch von Flut, Mut und Wiedergut. Bleibt zu hoffen, dass alle daraus gelernt haben und lernen, eine Zuversicht, die auch der Meteorologe Sven Plöger im Vorwort teilt!
Titelangaben
Bille Weidenbach: Hätte, hätte, Eimerkette
Ein Bilderbuch von Flut, Mut und Wiedergut
Leipzig: Klett Kinderbuch 2024
32 Seiten, 18,50 Euro
Bilderbuch ab 5 Jahren
Reinschauen
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