Versprechen muss man halten. Vor allem Kindern gegenüber, denn nur so kann Vertrauen entstehen. Aber manchmal ist das schwierig oder sogar unmöglich. ANDREA WANNER hat die Geschichte über die Coronazeit gelesen.
Vater Anton und sein Sohn Fred haben ein inniges Verhältnis zueinander. Sie wohnen in einem Land hoch im Norden, sind viel draußen und zu Beginn der Geschichte, an einem kalten, nassen Spätwintertag, bauen sie gemeinsam an einer Hütte im Wald. Da ist schon klar, dass sie ihr Projekt für ein paar Tage unterbrechen müssen. Anton muss in den Süden reisen, wo seine Eltern einen Bauernhof betreiben. Zehn Tage lang wollen die beiden in Urlaub, etwas, das sie noch gar nie gemacht haben und worauf sie sich freuen. Und Anton wird in dieser Zeit ihre drei Kühe, fünf Schafe, sieben Hühner und fünfzig Forellen kümmern. Eine Abwechslung für den schreibtischgewohnten Mann. Eine wohlverdiente Auszeit für die alten Eltern. Eine Zeit des Wartens für den Jungen.
Und dann kommt Corona: Die Grenzen sind dicht. Die Eltern sitzen in ihrem Urlaubsdomizil fest. Als sie zurückfliegen könnten, ist der Vater krank. Anton muss den Hof versorgen. Und die Grenzen zu dem Land, in dem sein Kind auf ihn wartet, sind zu. Aus Tagen werden Wochen, werden Monate. Nichts geht mehr. Ein Virus stellt die Welt auf den Kopf, lässt die Menschen verzweifeln.
Der österreichische Schriftsteller Reinhard Kaiser-Mühlecker hat ein Kinderbuch geschrieben, das diese Verzweiflung einfängt. Im Mittelpunkt steht nicht Fred, das Kind, sondern Anton, der Erwachsene. Der weiß, wie sehr sein Sohn ihn vermisst. Er würde alles tun, um zu ihm zu gelangen. Er versucht es – ohne Erfolg. Seine Trauer droht ihn zu lähmen. Der Wunsch, dass sein Sohn stolz auf ihn ist, weckt neue Kräfte. Er bringt den Hof seiner Eltern auf Vordermann, greift Arbeiten an, die jahrelang schon darauf warten, getan zu werden. Und er dokumentiert alles und schickt es Fred.
Trotzdem hat er Angst, dass die Enttäuschung des Kindes Gräben zwischen ihnen entstehen lässt. Wird er weiterhin Papschku sein dürfen, zärtlich und vertraut so genannt in besonderen Momenten? Nur wenige Blicke erlaubt uns der Autor auf Fred, auf seinen Frust, sein Warten. Wird das Kind verstehen, dass es unumstößliche Hindernisse, widrige Umstände sind, die den Vater am Kommen hindern und das Tipi halbfertig auf das Weiterbauen warten lassen?
Behutsam begleiten die gedämpften Illustrationen von Marie Bonnin die Geschichte. Viel Natur ist das zu sehen, die unbeirrt von den Umständen da ist. Aber auch Bewegung, wenn Anton ein altes Motorrad auf Vordermann bringt, mit dem er dann, so gut es geht, durch diese Landschaft rast. Gegen Ende der Geschichte, wenn es schon Sommer geworden sein wird und die Grenzen wieder offen sind. Richtung Norden, Richtung Heimat, Richtung Fred.
Und man bangt mit. Was erwartet Anton am Ende dieser Reise? Wie viel Warten verträgt so eine Vater-Sohn-Beziehung? Was hat diese Zeit mit ihm, was hat sie mit Fred gemacht?
Titelangaben
Reinhard Kaiser-Mühlecker: Wann kommst du, Papschku?
Illustriert von Marie Bonnin
Düsseldorf: Karl Rauch Verlag 2022
56 Seiten, 20 Euro
Kinderbuch ab 6 Jahren
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