Amüsantes Zusammenraufen

Kinderbuch | Ute Krause: Wann gehen die wieder?

Patchworkfamilien sind eine Aufgabe für alle Beteiligten. Beziehungsprobleme der unterschiedlichsten Art können auftauchen – und vielleicht sogar gelöst werden. Von ANDREA WANNER

Wenn Ute Krause sich um so ein ernstes Problem kümmert, dann genügt ein Blick auf das Cover, dass hier sehr viel Humor mit im Spiel ist. Es fängt schon damit an, dass der Ich-Erzähler die Zahl der Familienmitglieder mit »zehn bis zwanzig Leute« angibt. Das scheint ziemlich unübersichtlich – und genau das ist es.

Da marschieren sieben kleine Räuberkinder, alle mit Hut und dunklem Mantel, mit einem Koffer in der Hand durch den Wald. Sie sind unterwegs von Papa, dem Räuberhauptmann, zu Mama. Denn das Räuberehepaar hat sich nach ewigen Streitereien getrennt und jetzt ist es das typische Schicksal der Kinder von A nach B und wieder zurück nach A zu marschieren, damit sie Zeit mit beiden Elternteilen verbringen können. Das klappt auch gut. Allerdings nur so lange, bis bei dem Räuberpapa eine Prinzessin mit ihren vier kleinen Prinzessinnen und zwei kleinen Prinzen einzieht.

Der erste Nachmittag verläuft in den Augen der Räuberkinder »gemütlich«. Vermutlich haben die Königskinder, die gefesselt und geknebelt zusehen müssen, wie die kleinen Ganoven mit ihren Spielsachen spielen, andere Erinnerungen. Und dann kommt die alles entscheidende Frage: »Wann gehen die wieder?« und die niederschmetternde Antwort des Vaters »Die gehören jetzt zur Familie. Die bleiben hier.« Da hat das neue Paar die Rechnung aber ohne die aufmüpfigen Räuberlein gemacht, die alles daran setzen, die neuen Mitbewohner zu vergraulen. Und fast gelingt das auch.

Auf sehr unterhaltende Weise macht Ute Krause in ihrem Bilderbuch klar, dass Dinge sich ändern. Sie lässt die Kinder des Räuberpapas verzweifelt feststellen, dass der ohne die neuen Familienmitglieder nicht glücklicher, sondern im Gegenteil nur noch traurig ist. Sie lernen, dass nicht nur sie mit einer Trennung klarkommen müssen, sondern dass auch Erwachsene das Erlebte überwinden und neue Wege gehen müssen. Das geschieht ohne erhobenen Zeigefinger, sondern wird einfach spielerisch in ein fantastisches Abenteuer eingebunden, in dem es von kleinen schwarz gewandeten Räuberkindern und rosaroten Prinzessinnen nur so wimmelt. Die actionreichen Szenen sind verrückt und trotz ihrer nicht immer für alle angenehmen Lagen einfach zum Lachen.

Das Bilderbuch ist nicht neu, erstmals ist es 2010 im Bloomsbury Verlag erschienen, 2013 bei arsEdition. Leider hat es seither nicht an Aktualität verloren, Scheidungen sind nicht seltener geworden. Die Trennungskinder in der Geschichte erleben am eigenen Leib, was das bedeutet. Das neue Leben steckt für alle voller Herausforderungen. Immer wieder kommen Erinnerungen an Vergangenes hoch, gibt es Streit und Tränen. Aber es gibt auch Chancen, aus dem Neuen das Beste zu machen.

Und als sich dann auch noch die Räubermama neu verliebt – ausgerechnet in einen Drachen, der fünf kleine grüne Drachenkinder mit in die Beziehung bringt – können sich tatsächlich ALLE damit arrangieren. Was für ein Happy End!

| ANDREA WANNER

Titelangaben
Ute Krause: Wann gehen die wieder?
Hildesheim: Gerstenberg 2022
32 Seiten, 13 Euro
Bilderbuch ab 4 Jahren
| Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander

Reinschauen
| Leseprobe

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Antisemitismus der Gegenwart und die Erinnerung an den Holocaust

Nächster Artikel

Ein seltsames Paar

Weitere Artikel der Kategorie »Kinderbuch«

Mut statt Verzweiflung

Kinderbuch | Marzena Sowa und Dorothée de Monfreid: Die kleine Flucht

Was macht mit Frau Spinne mit dem einen ihrer zahlreichen Kinder, das einfach nicht in der Lage ist, ein vernünftiges Netz zustande zu bringen. Frau Wurm hat einen Vorschlag, der gleich in die Tat umgesetzt wird. Von ANDREA WANNER

Er ist einfach zu lang

Kinderbuch | J.John/L.Smith: Roberta und Henry Das kennen wir alle: So oft sind wir nicht mit uns zufrieden: Die Haare sind zu glatt, zu dünn, zu kraus, die Lippen zu schmal oder zu dick. Der Hals ist zu scheckig, zu streckig oder zu halslos – so geht es Roberta und Henry. Ein wunderbares Bilderbuch, grandios übersetzt von Andreas Steinhöfel. SUSANNE MARSCHALL ist begeistert.

Backe, backe Kuchen …

Kinderbuch | Alice Brière-Haquet: Mein erster Kuchen … der Bäcker hat gerufen. Wer will guten Kuchen backen, der muss haben sieben Sachen. – Sieben? Ja, das scheint zu stimmen. Denn mit sieben Zutaten kann man Leckeres veranstalten. ANDREA WANNER hat es probiert.

Ein paar Worte zum sozialverträglichen Verhalten

Kinderbuch | Sigrid Zeevaert: Annabel und Anton. Tür an Tür in Nr. 9 Es gab eine Zeit, da wurde viel von Benehmen gesprochen und darunter verstand man nicht bloß Tischmanieren, sondern ein anständiges Miteinander. Da das in den Ruf geriet, völlig verstaubt zu sein, wurde der Begriff in »sozialverträglich« umgetauft. Das als wesentliche Grundlage für eine Kindergeschichte zu nehmen, ist immer noch ein Wagnis, wer will schon verstaubt sein? Sigrid Zeevaert ist das Wagnis eingegangen und präsentiert ein paar Worte zum sozialverträglichen Verhalten frisch, herzlich und überzeugend. Von MAGALI HEISSLER

Verlusterfahrung

Kinderbücher | Als die Namen verloren gingen / Eissterne im Sommer Krisen sind immer gute Themen, längst auch in Büchern für sehr junges Publikum. Der Mannheimer Kunstanstifter Verlag hat sich für zwei Neuerscheinungen etwas ganz Besonderes einfallen lassen, um von Verlustängsten, Verlusten – und Hoffnung zu erzählen. Von MAGALI HEIẞLER