Eine Reise aus dem Prospekt zu buchen, das ist einfach, das kann jeder. Ein Appartement, eine Pension, ein Hotel reservieren an Orten, in die man schon seit Jahren fährt, auch nicht gerade originell. Aber Urlaub dort zu verbringen, wo es unsere Eltern und Großeltern und Urgroßeltern schon hinzog, das kann ein echtes Abenteuer werden. Dieser Bildband beweist es auf sehr attraktive Weise, meint BARBARA WEGMANN.
Also eines habe ich sehr schnell erkannt in diesem wunderbar abenteuerlichen Buch: die Reise selbst war früher schon der halbe Urlaub, schließlich war es Luxus, man war lange unterwegs, Verreisen war etwas Besonderes. Der Tourismus steckte noch in den Kinderschuhen, die Autos hatten noch nicht so viele PS und die Flugzeuge waren erheblich kleiner als heute und hatten dabei noch einen »exzellenten Bordservice«. Auf 360 Seiten lädt das Buch ein, auf Spurensuche zu gehen, altbekannte Urlaubsziele wieder zu entdecken und sich dabei vielleicht an die Reiseerzählungen aus der Familie früher zu erinnern.
Schön gleich das Titelbild, ein ganz alter VW-Käfer, geparkt vor dem Strand, mit Blick aufs Meer. Natürlich schaffte der Käfer es damals überall hin, gen Norden und auch gen Süden über die Alpen. Heute stehen alte Käfer mehrheitlich in Garagen und träumen von Karlsbad oder Davos, von der Côte d’Azur, von Capri, Rimini, Nizza oder Brighton. »Vieles haben sie zu erzählen, die legendären, europäischen Urlaubsorte, in denen der Fremdenverkehr eine so lange Historie hat, dass man mitunter bis ins 19. Jahrhundert zurückblicken muss, um hier die ersten Reisepioniere anzutreffen.«
Exklusive und extravagante Orte, die in aufregenden und atemraubenden Landschaften liegen, sucht das Buch auf und jedes Etappenziel wird in kleinen Häppchen beschrieben und mit Bild illustriert. Hübsche Idee als roter Faden: Zu den meisten der Orte gibt es Merkzettel. Auf dem Zettel »Retromoment« wird an Besonderheiten von einst erinnert, auf dem Zettel »Das gibt’s heute noch« ist das eine oder andere traditionelle Hotel erwähnt oder auch Schiffsflotten, die heute noch wie einst fahren. Und, das darf für eine Urlaubsfahrt schließlich nicht fehlen, der Merkzettel »Souvenir, Souvenir« gibt Tipps für all das, woran sie im entsprechenden Ort natürlich niemals vorbeigehen dürfen. Und da haben eben auch viele Dinge ihre lange Tradition.
Egal, ob es Florenz, Biarritz, St. Moritz, skandinavische oder niederländische Küstenorte, ob es der Schwarzwald, Rügen, Kitzbühel, Budapest, Dubrovnik oder St. Peterburg ist, der kurze Abriss und Steckbrief des jeweiligen Ortes, seine Bedeutung als touristischer Ort damals und heute, es ist sehr unterhaltsam und nicht selten oft erhellend, den kurzen Texten zu folgen. Das macht großen Spaß. Schließlich erfährt man auch, was die Prominenz in vergangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten genau eben dort an Ort, Umgebung und Angebot reizte. So war es Napoleons Halbbruder, der 1858 Deauville besuchte und dort Idee und Plan hatte, diesen kleinen, damals so unscheinbaren Ort zu einem »mondänen Badeziel« auszubauen. Berühmter sind sicher Frédéric Chopin und George Sand, die etwa zur gleichen Zeit nach Mallorca reisten, damals ein Mammutunternehmen, erst recht, wenn das Piano mitreist.
Es sind diese kleinen Dinge des Reisens, die das Buch hochgradig attraktiv machen, die Anekdoten und kleinen Randgeschichten, die Rückblicke, die Erinnerungen. Ein von Layout und Inhalt sehr charmantes Buch, das man aufklappen kann, egal auf welcher Seite: Überall warten »legendäre Urlaubsorte«. Am Schluss stellt sich schließlich auch die Frage, ob man manches von früher nicht viel stärker bewahren sollte, die Langsamkeit des Reisens zum Beispiel, das Individuelle. Und wer weiß, so motiviert dieses bunte Reise-Kaleidoskop vielleicht ja auch dazu, einem jener berühmten Touristenorte von einst »endlich mal wieder einen Besuch abzustatten«.
Titelangaben
Heute so schön wie Damals. Legendäre Urlaubsorte in Europa
Retro-Momente genießen
Texte: Rita Henss/ Andrea Lammert/ Stefanie Schuhmacher
Kunth Verlag München
360 Seiten,29,95 Euro
| Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander
Reinschauen
| Leseprobe