/

»Familie ist mein Frieden«

Menschen | Zum 90. Geburtstag des Regisseurs Roman Polanski

»Wenn man Filme über Menschen macht, dann muss man auch die dunklen Seiten mit einbeziehen«, erklärte Roman Polanski in einem Interview zutreffend sein künstlerisches Credo. Man könnte allerdings einwenden, dass die dunklen Seiten, die seelischen Torturen und das dämonische Geraune zumeist sogar dominieren. Von PETER MOHR

In seinem ersten großen Hollywood-Erfolg ›Rosemaries Baby‹ (1968) schickt Polanski die weibliche Protagonistin (Mia Farrow) förmlich durch die Hölle. Rosemarie wünscht sich von ihrem Mann Guy ein Kind, fällt jedoch nach dem Genuss eines Desserts in tiefe Bewusstlosigkeit und träumt, vom Satan vergewaltigt zu werden.

Als Polanskis schwangere Ehefrau Sharon Tate, mit der er zusammen ›Tanz der Vampire‹ (1966) drehte, später von einer satanischen Sekte brutal ermordet wurde, mehrten sich die Stimmen derer, die Roman Polanski verdächtigten, selbst der Schwarzen Magie verfallen zu sein. Kleine und große Skandale pflasterten ohnehin den Lebensweg des Regisseurs, dem in den USA immer noch eine Anklage droht, weil er 1977 Sex mit einer Minderjährigen gehabt haben soll. Auch auf seinem weiteren Lebensweg gab es wiederholt Vergewaltigungsvorwürfe.

Roman Polanski, der am 18. August vor 90 Jahren unter dem Namen Rajmund Roman Liebling in Paris als Sohn polnisch-jüdischer Eltern geboren wurde, ist Ende der 70er Jahre in sein Geburtsland zurückgekehrt und hat die französische Staatsangehörigkeit angenommen.

Als Kind übersiedelte Polanski mit seinen Eltern nach Krakau. Die Mutter starb im Konzentrationslager, der Sohn überlebte in wechselnden Pflegefamilien. Schon als Schüler begeisterte er sich fürs Theater, studierte später Malerei und an der renommierten Filmhochschule in Lodz.

Bereits mit seinem ersten Kinofilm ›Messer im Wasser‹ (1962) gelang dem kleinwüchsigen Exzentriker, der später auch durch seine Drogenexzesse für Schlagzeilen sorgte, der große Durchbruch. Unbequem, streit- und angriffslustig präsentierte sich Polanski über all die Jahre, so wie in der Nebenrolle, die er in ›Chinatown‹ (1974) selbst verkörperte – als kleiner Prügler gegen den Protagonisten Jack Nicholson.

Sechs Oscar-Nominierungen brachten ihm seine Filme ein (u.a. auch für ›Tess‹ mit der blutjungen Nastassja Kinski in der Hauptrolle und ›Piraten‹ mit Walter Matthau), erhalten hat er die begehrteste Trophäe der internationalen Filmwelt erst nach Eintritt ins Rentenalter. Nicht allein künstlerische Gründe dürften hierfür den Ausschlag gegeben haben. »Ich bin tief berührt«, hatte er 2003 erklärt, als er für den »Pianisten« endlich den Oscar bekam. Der Verleihung musste Polanski wegen der drohenden Strafverfolgung fern bleiben.

Dass Roman Polanski noch immer zu den brillantesten Regisseuren gehört, zeigten auch seine späten Arbeiten – der nach dem Roman von Arturo Perez-Reverte entstandene Film ›Die neun Pforten‹ (1999), sein bisher persönlichster Streifen ›Der Pianist‹ (2002) und ›Oliver Twist‹ (2005) mit Barney Clark und Ben Kingsley in den Hauptrollen.

Ob der Bücherjäger Dean Corso (Johnny Depp) oder der während des Zweiten Weltkrieges von Todesängsten geplagte jüdische Pianist Wladyslaw Szpilman (Adrien Brody) – Polanski sind noch einmal eindringliche, unpathetische Menschenbilder gelungen. Im »Pianist« hatte sich der Regisseur erstmals an seine eigene Lebensgeschichte als Überlebender des Holocaust herangewagt. »Horror und Humor gehören zusammen«, beschrieb Roman Polanski in einem Interview sein Oeuvre. Niemals zuvor ist ihm diese sonderbare Synthese so eindrucksvoll gelungen wie im »Pianist«.

Polanski, der seit 1989 mit der Schauspielerin Emmanuelle Seigner verheiratet ist, erregte 2010 noch einmal mit dem auf der Berlinale präsentierten Polit-Thriller ›The Ghost Writer‹ (mit Pierce Brosnan in der Hauptrolle) nach dem Roman von Robert Harris Aufsehen. Ein Jahr gab es die von schwarzem Humor durchzogene Komödie ›Der Gott des Gemetzels‹ nach Yasmina Rezas gleichnamigem Bühnenstück. Nicht zuletzt dank der drei Weltstars Kate Winslet, Jodie Foster und Christoph Waltz wurde dieser nur 80-minütige, kammerspielartige Streifen über zwei Elternpaare zu einem großen Erfolg.

Beim am 30. August beginnenden 80. Filmfestival von Venedig ist Polanski mit dem Film ›The Palace‹ dabei, den er im letzten Jahr mit John Cleese und Mickey Rourke in Gstaad gedreht hat.

»Mein Frieden heute ist meine Familie: meine Frau und meine Kinder«, erklärte Roman Polanski vor zehn Jahren in einem Interview. Altersweise, ein wenig schwermütig und um Harmonie bedacht – ein neuer, alter Polanski.

| PETER MOHR

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Angst dressiert

Nächster Artikel

Zwischen Vorurteil und Realität

Weitere Artikel der Kategorie »Menschen«

Einsam, ruhelos und getrieben

Menschen | ›Georg‹: Zum 70. Geburtstag von Barbara Honigmann »Ein sechzigjähriger Mann in einem möblierten Zimmer!« Dieser Satz auf der dritten Seite des neuen Buches von Barbara Honigmann schrillt wie ein Aufschrei durch den Handlungsbeginn. Es klingt nach Verzweiflung, nach Mitleid und Klage aus der Feder, der seit vielen Jahren in Straßburg lebenden Autorin, die am 12. Februar ihren 70. Geburtstag feiert. Von PETER MOHR

Die ganze Welt ist voller Barrieren

Gesellschaft | Andreas Pröve: Abenteuer Mekong. Mit Audio-Interview In seinem Buch Abenteuer Mekong. 5700 Kilometer von Vietnam bis ins Hochland von Tibetberichtet Andreas Pröve von seiner Reise entlang der Lebensader Südostasiens. Fünf buddhistische Länder durchquert er mit seinem indischen Reisegefährten Nagender, um dem Mekong vom Mündungsdelta in Vietnam stromaufwärts bis zu seiner Quelle im tibetischen Hochland nachzuspüren. Dabei tauchen die beiden Weltenbummler tief ein in fremde Kulturen mit all ihren Besonderheiten. Der Klappentext verspricht ein eindringlich und leidenschaftlich erzähltes Abenteuer. Von STEFAN SCHALLES

Sorglos am Abgrund stehend

Menschen | Zum 125. Geburtstag des Schriftstellers, Philosophen und Kunstkritikers Walter Benjamin am 15. Juli »Fremd bin ich eingezogen, fremd zieh‘ ich wieder aus.« Wilhelm Müllers Verszeile, die in Schuberts ›Winterreise‹ eingeflossen ist, könnte leitmotivisch über Walter Benjamins Leben stehen. Fremd blieb ihm seine großbürgerliche Herkunft, in die er einzog – ebenso fremd war ihm der faschistische Ungeist, der ihn 1940 in den Selbstmord trieb. Von PETER MOHR

Der Entdecker der Langsamkeit

Menschen | Zum 80. Geburtstag des Schriftstellers Sten Nadolny am 29. Juli

»Zum Älterwerden gehört, dass ich schwerhörig bin und schon deswegen – auch mit Hörhilfen – weniger mitbekomme. Und vermöge meiner vielen Lebensjahre kommen mir auch einige Merkwürdigkeiten nicht mehr so merkwürdig vor«, hatte der Schriftsteller Sten Nadolny 2018 in einem ›Welt‹-Interview erklärt. Dabei wimmelte es in seinem letzten Roman ›Das Glück des Zauberers‹ (2017) von Merkwürdigkeiten. Der Zauberer Pahroc, ein uralter, leicht verschrobener Mann, schreibt darin seiner Enkelin Mathilda Briefe. Er ist überzeugt, dass auch sie zaubern kann, und gibt ihr Tipps. Aber die insgesamt zwölf Briefe bieten auch einen manchmal etwas skurrilen Rückblick auf das 20. Jahrhundert. Pahroc, der Zauber, hat viel zu erzählen, schließlich lässt Nadolny ihn 111 Jahre alt werden. Von PETER MOHR

Schattenwirtschaft eines Privatiers

Menschen | Zum Tod des solitären Journalisten Uwe Nettelbeck

Wie die TAZ jetzt gemeldet hat, ist im Alter von 67 Jahren Uwe Nettelbeck in seinem Haus in Frankreich am vergangenen Mittwoch gestorben. Er war ein eigenwilliger Journalist, der sich schon zu seinen Lebzeiten aus dem Raum dessen, was »öffentliche Wahrnehmung« genannt werden kann, früh zurückgezogen hatte und als Herausgeber & Autor der von ihm gegründeten Zeitschrift ›Die Republik‹, deren jüngste Ausgabe im September 2006 erschien, nur noch einem kleinen Leserkreis bekannt gewesen sein dürfte. Von WOLFRAM SCHÜTTE