Eigentlich gehen alle Kinder immer gemeinsam von der Schule nach Hause in dieser Geschichte. Eigentlich. Quer durch einen großen, dunklen Wald. Aber eines Tages geht der kleine Carlo alleine nach Hause. Und was dann kommt, das ist eine spannende, sehr überraschende und schließlich bezaubernde Geschichte. BARBARA WEGMANN hat sie gelesen.
Der kleine Carlo ist ganz schön erschrocken, als er auf dem Heimweg auf einen Wolf trifft, der ihm auch noch in Aussicht stellt, ihn fressen zu wollen. »Lieber nicht,« sagte Carlo schnell, »Ich hatte gerade Blauzungenfieber. Bestimmt bin ich noch ansteckend«. Das sei ganz schön schlimm, schwindelt Carlo sehr mutig weiter: erst juckten die Füße, dann werde es einem schwindelig und schließlich habe man eine blaue Zunge. Ganz und gar nicht schön! Na gut, überlegt der arg hungrige Wolf haarscharf, dann fresse er ihn eben ohne die Zunge. Irgendwie tut Carlo der Wolf leid und er begeistert ihn schließlich erfolgreich für Oma Suses Pausenbrot mit Erdbeermarmelade. So weit, so gut. Was aber passiert, wenn ein Wolf auf den Geschmack kommt, immer mehr Brote mit Marmelade essen will? »Um ihren Enkeln den Wolf vom Hals zu halten, mussten die Omas im Dorf noch viel mehr Marmelade kochen als sonst.« Eines Tages aber sagt Oma Suse: »Ab sofort schmieren wir unseren Enkeln nur noch Käsebrote.« Oh, oh, natürlich verärgert sie den Wolf damit, die Kinder werde er auffressen, schreit er außer sich. Aber da hat Oma Suse einen genialen Vorschlag.
Was für eine hübsche Geschichte. Nicht nur die Angst vorm immer so bösen Wolf wird hier genommen, man denke nur an den sonst immer so unberechenbaren Wolf wie im Märchen vom Rotkäppchen zum Beispiel. Nein, die tierische Hauptrolle in dieser Geschichte spielt ein ungewöhnlicher Wolf, der seine Vorliebe für Süßes entdeckt, der sogar eine Berühmtheit wird im Laufe der Geschichte und schließlich … – das wird nicht verraten.
Ausgesprochen witzig und liebenswert hat Katja Gehrmann diese spannende Geschichte illustriert: ein großer grauer Wolf mit riesigen Zähnen, drohend, in Angriffslust, und dann ein fast zahmes Tier, mit dem man ja vielleicht sogar Freundschaft schließen kann. Seitenfüllend sind die bunten, farbigen Bilder, viel Bewegung liegt in ihnen, einfach wunderbar die große Runde der Marmelade kochenden Omas. Viele Preise für ihre Illustrationen hat die 1968 geborene Katja Gehrmann bereits erhalten, das glaubt man nach dieser Geschichte gern, lebendig, voller Aktivität, lebhaft und munter sind ihre Bilder.
Aber die Geschichte selbst gibt natürlich eine herrliche Vorlage für die Bilder, schließlich ist die Handlung so ungewöhnlich und entspricht so gar nicht dem Image des sonst bösen Wolfs. Nicole Röndigs wurde 1975 in Stade geboren und schreibt unter anderem auch Geschichten für die Radiosendung »Ohrenbär«. Und wer diese Geschichte kleinen Zuhörern vorliest, wird schnell merken, wie gut sie sich lesen lässt: viel wörtliche Rede, eine plakative Sprache und klare Sätze. Auch hier hört man gerne zu!
Apropos schreiben: Wer kann sich vorstellen, dass der Wolf einen Ratgeber für seine Artgenossen schreibt? Für Wölfe, die »von Kindern auf Marmelade umsteigen wollen?« Ja, so ist es. Wer’s nicht glauben mag, lese die Geschichte bis zum Ende, denn da gibt es noch ein leckeres Marmeladenrezept: »Waldbeermarmelade à la Wolf.«
Titelangaben
Nicole Röndigs: Der Marmeladenwolf
Illustriert von Katja Gehrmann
München: cbj 2023
32 Seiten, 15 Euro
Bilderbuch ab 4 Jahren
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