Kugeläugige Figuren bevölkern die skurrile Geschichte von Martin Baltscheit, die davon erzählt wie gegen Geld nach und nach alle Familienmitglieder den Besitzer wechseln. ANDREA WANNER hat sich gern auf das verrückte Experiment eingelassen.
Eigentlich beginnt alles ganz harmlos mit einem Flohmarkt, den zwei Schwestern veranstalten. Da werden vom Skateboard über den Ritterhelm und die Piratenflagge alle Dinge zum Verkaufen auf die Straße transportiert, im Schlepptau die kleine Schwester. Ausgerechnet die wechselt – mehr oder weniger aus Versehen – fast als erstes die Besitzerin – und zwar für jede Menge Geld. Die Dame, die sie gekauft hat, findet die Kleine ein Schnäppchen, die Eltern reagieren entsetzt. »Die war doch ganz neu!«, heult der Vater und die Mutter ist echt sauer.
Sie wissen sich allerdings zu helfen und kaufen kurzerhand eine neue Tochter bzw. Schwester für die Familie beim Trödel gegenüber. Im Preis inbegriffen sind neben dem reizenden, überaus wohlerzogenen, blond gelockten Mädel sogar noch ein Koffer voller Winterklamotten. Und als nächstes wird die Oma verscherbelt, um den Kauf des neuen Familienmitglieds zu finanzieren. Das funktioniert weniger gut, weil die Nachbarn die Großmutter im Paket mit dem kleinen Bruder und die Katze verlangen. Und bekommen. Vor allem Opa ist ratlos.
Das ist noch lange nicht das Ende der Geschichte. Es wird weiter geschachert und verhökert, viele Geldscheine wechseln die Besitzer:innen. Letztlich ist es genau ein Mädchen, das von der achtköpfigen Familie plus Katze übrig ist. Ein Traum ist wahr geworden! Ein Planschbecken im Wohnzimmer, von dem aus sie Horrorfilme im Fernsehen angucken an, dazu Pizza und Popcorn essen, gigantische Burger verschlingen und Schokolage naschen so viel sie mag, unbegrenzt mit dem Handy spielen kann, von niemandem gestört wird. Super! Oder doch nicht? Irgendwie fehlt was. Und von da ist zur Erkenntnis, dass eine Familie nicht billig, sondern unbezahlbar ist, ist es nur ein kleiner Schritt.
Baltscheits amüsante Kritik am Konsumverhalten und einem Markt, der scheinbar alles zu käuflicher Ware macht, kommt als freche Graphic Novel daher, für die Thomas Wellmann schräge Bilder findet, die das Abstruse der Situation bestens nachzeichnen. Nachhaltig lässt sich nachvollziehen, wie Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen – und die verkauften Familienmitglieder dazu nicht immer ein glückliches Gesicht machen. Knuffige Heldinnen und Helden übernehmen die Rolle der Waren, werden drapiert und angepriesen, werden als Sonderangebot verschleudert oder gar verschenkt, sodass einem die Haare zu Berge stehen. Wenn die Oma als Vintage-Modell mit authentischen Gebrauchsspuren im Internet angepriesen wird oder der Opa als Sicherheit für eine Geldanleihe bei der Bank in den Tresor gepackt wird, sind das schon krasse Momente. Man darf sie nicht zu ernst nehmen – und spätestens das Happy End macht klar, dass es einfach Dinge gibt, die man für Geld nicht kaufen kann.
Titelangaben
Martin Baltscheit: Oma zu verkaufen
Illustriert von Thomas Wellmann
Hamburg: kibitz 2023
23 Seiten, 15 Euro
Graphic Novel ab 5 Jahren
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