Mit ihren 13 Jahren misst Magali stolze 182 Zentimeter – und es werden wohl noch ein paar mehr werden. Der Teenager ist unglücklich und fühlt sich falsch im eigenen, viel zu langen Körper. Vor allem: Wer soll so einen langen Lulatsch küssen? Von ANDREA WANNER
So beginnen die Osterferien nicht gerade vielversprechend. Daheim gibt es Stress mit der 18jährigen Malve, Magalis Schwester, die ausgesprochen hübsch ist, keinen Millimeter zu groß und sich lieber mit wechselnden Freunden trifft, als aufs Abi zu lernen. Magalis einziger Trost ist der Husky Snow, den sich die Familie im Erdgeschoss mal als Kinderersatz angeschafft hatte und für den sie jetzt wegen der vielen Kinder, die sich überraschend doch noch einstellten, zu wenig Zeit hat.
Ansonsten würdigt der ebenfalls in dem Mehrfamilienkomplex lebende, attraktive Joël sie keines Blickes, egal wie oft sie sich erste Küsse mit ihm ausmalt, vorzugsweise auf der Kellertreppe. Wer sie sieht und freundlich grüßt, ist der alte Herr Krekeler, den sie selbst im Jogginganzug elegant findet. Der ist bereits 98 und eines Tages tauchen sein 71jähriger Sohn und der Enkel auf. Kieran plappert pausenlos, ist klein dabei auch schon 13. Er erinnert sich an Streiche mit Magali, als beide Knirpse waren. Und Herr Krekeler hat seine Familie gerufen, weil er stirbt, wie er allen erzählt. 98 sei fürs Leben zu lang.
So viel geschieht. Magali sortiert es, indem sie es in ihrem ledergebundenen Tagebuch mit Goldschnitt und Lesebändchen festhält. Sie beobachtet andere, analysiert, zieht Schlüsse. Ihr eigenes Leben scheint ihr keine Eintragung wert. Zumindest anfangs nicht.
Huppertz gelingt eine herzerwärmende Coming-of-Age-Geschichte. Magali, die es irgendwie allen recht machen will, entdeckt eigene Bedürfnisse, freundet sich mit ihrem Körper an und fängt an, das Leben für sich zu entdecken. Dabei spielen Kieran und sein Opa eine entscheidende Rolle und die Frage an einen Philosophen: Wie lebt man eigentlich richtig? Aber wer diese Frage stellt, ist eigentlich schon auf dem richtigen Weg.
Titelangaben
Nikola Huppertz: Fürs Leben zu lang
München: Tulipan 2023
160 Seiten, 16 Euro
Jugendbuch ab 12 Jahren