Wo eitle und selbstsüchtige Diktatoren herrschen, die in ihrem Land alles bestimmen können, wird die Wahrheit unterdrückt, die Opposition zum Schweigen gebracht. Gegner landen in Gefängnissen und Bücher mit verdächtigem Inhalt werden gern mal verbrannt. Oder der Herrscher versucht, sie selbst in die Hand zu bekommen, so sie denn ein Geheimnis beinhalten, das ihm hilfreich sein könnte. Und um so ein Werk handelt es sich beim ›Buch der gestohlenen Träume‹. Von ANDREA WANNER
Der wertvolle und einzigartige Band ist in der Obhut von Felix, dem Vater von Rachel und Robert. Sie leben in Krasnia, einem Land, das von dem brutalen Präsidenten Charles Malstain beherrscht wird, der Kinder über alles hasst und in den zwölf Jahren seiner Regentschaft aus dem vormals blühenden und lebensfrohen Land einen trost- und freudlosen Ort gemacht hat.
Felix ist dort Bibliothekar in der Öffentlichen Leihbücherei, wobei die Öffnungszeiten, und damit auch seine Arbeitszeit, und sein Gehalt bereits gekürzt wurde. Er liebt seine Familie und er liebt seinen Beruf. Und als er erfährt, dass das Kleinod in den Besitz von Malstain gelangen soll, startet er eine gefährliche Rettungsaktion, an deren Ende seine Verhaftung und Deportation stehen.
Aber »Das Buch der gestohlenen Träume« mit seinem großen Geheimnis kann gerettet werden. Es enthält nicht weniger als den Schlüssel zum ewigen Leben. Der schwer krebskranke Despot knüpft daran seine letzte Hoffnung und ist bereit, alle aus dem Weg zu schaffen, die ihm dabei im Weg sind. Und das ist das Geschwisterpaar Rachel und Robert.
David Farr, ein erfolgreicher britischer Drehbuchautor und Regisseur, hält in seinem ersten Kinderbuch die Balance zwischen Abenteuergeschichte und Fantasyroman. An vielen Stellen geht es gefährlich und brutal zu, Menschen werden gefoltert und umgebracht. Keine leichte Kost für junge Leser:innen. Und dann gibt es poetische, verzauberte Stellen, wann immer das Buch mit seinen wundervoll gestalteten Seiten ins Spiel kommt. Es erzählt von Leben und Tod, Liebe und Verlust. Es hat eine lange Geschichte, die vor Jahrhunderten beginnt und bis in die Gegenwart reicht. Magisches und Reales durchdringen einander und werden zu einem komplexen Gemisch.
Anspruchsvoll ist auch die Erzählstruktur, die den einzelnen Akteuren und ihren Spuren folgt, mal das Geschehen aus der Perspektive von Robert, mal von Rachel, die sich immer mehr zur eigentlichen Hauptfigur entwickelt, erzählt, mal es in Form von Zeitungsberichten zeitsparend zusammenfasst und dann wieder ausführliche Beschreibungen dazwischen streut.
Die junge Heldin steht vor einer unlösbaren Aufgabe und weiß, dass das Schicksal des Landes davon abhängt, dass sie einen Ausweg findet. Und das Beste: der Band ist erst der Auftakt zu einer ganzen Reihe.
Titelangaben
David Farr: Das Buch der gestohlenen Träume
(The Book of Stolen Dreams, 2021)
Aus dem Englischen von Alexandra Ernst.
Mit Illustrationen von Kristina Kister
München: ars Edition 2023
400 Seiten, 18 Euro
Jugendbuch ab 12 Jahren
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