Falschlieferung

Kinderbuch | Anete Melece: Der stibitzte Schlaf

Der Abend beginnt unspektakulär. Mama verzieht sich in Arbeitszimmer, Papa bringt Stella ins Bett. Das scheint durchaus eine eingespielte Routine zu sein. Aber an diesem Abend ist etwas anders. Von ANDREA WANNER

Ein Mädchen liegt wach auf einem Bett vor einem großen Fenster. Neben dem Bett stehen ein Nilpferd und ein Flamingo.Ein Küsschen von Mama, ein von Papa vorgelesenes Bilderbuch. Ein zweites, ein drittes… ein achtes, ein neuntes. Draußen ist es dunkel, aber Stella ist nicht müde. Der Vater ruft den Schlaflieferservice an: Der wurde ordnungsgemäß an die Parkstraße 22, 3. Etage rechts geliefert. Dann muss ihn, schlussfolgert der Vater, jemand stibitzt haben. Und den Dieb gilt es jetzt mithilfe der Detektive Nilpferd und Flamingo mit ihrem Assistenten, Hund Bobby, zu finden. Leichter gesagt als getan.

Wo steckt er bloß, der Schlaf? Bewaffnet mit einer Lupe wird das Trio weder im Kinderzimmer noch im Bad fündig. Die bunten Streusel in der Küche erinnern auch nur auf den ersten Blick an Sandkörnchen. Der schlafende Staubsauger hat nichts mit dem Verschwinden zu tun – im Übrigen schläft er nicht, sondern ruht sich nur aus und denkt nach. Im Wohnzimmer steckt er nichts und das Fernsehprogramm liefert auch keine weiteren Anhaltspunkte. Bleibt nur eine Möglichkeit …

Das rosafarbene Vorsatzpapier zeigt die Arbeit in der Schlaffabrik: Bei den Mengen, kann schon mal schiefgehen. Bunt und fröhlich sind auch die Illustrationen, die sich die lettische Autorin und Illustratorin Anete Melece für die vergnügliche Gutenachtgeschichte ausgedacht hat. Pink, Lila, Grün und Gelb dominieren die Seiten: kein bisschen matte Einschlaftöne, sondern vielmehr buntes Halligalli. Stella balanciert mit einem Regenbogen auf den Füßen im Bett liegend und ist eindeutig putzmunter. So wie die übrigen Kuscheltiere auch – bis auf Pinguin, aber der schläft wohl immer. Wird es irgendwann noch zum Schlafen kommen? Vielleicht ganz am Ende – aber das dauert. Und macht riesigen Spaß.

Das Einzige, was man sich noch wünscht, sind die Bilderbücher, die der Vater Stella vorliest: »Von der Strumpfhose, die Ballerina werden wollte«, »Von dem Drachen, der immer ganz lieb war und trotzdem allen auf die Nerven ging«, »Von dem Regenbogen, der seine Farben verlor« …

| ANDREA WANNER

Anete Melece: Der stibitzte Schlaf
(Pazudulais miedzini, 2022)
Aus dem Lettischen von Matthias Knoll
München: Antje Kunstmann 2023
32 Seiten, 16 Euro
Bilderbuch ab 4 Jahren
| Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander

Reinschauen
| Leseprobe

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Erinnern und Vergessen

Nächster Artikel

Bomben gegen die Gleichgültigkeit

Weitere Artikel der Kategorie »Kinderbuch«

Zwei Welten, ein neuer Anfang?

Kinderbuch | Martin Baltscheit: Rolf und Rose

Rolf, die junge taffe Assel aus Unterbach, und Rose, der zarte Schmetterling von der Oberwiese, haben etwas gemeinsam: Für beide ist der Tag ein besonderer. Sie müssen beweisen, dass sie erwachsen sind und Verantwortung übernehmen können. Und dann begegnen sich die beiden, die eigentlich von Natur aus Feinde sind. Von ANDREA WANNER

Was dahinter steckt

Kinderbuch | Marcin Szczygielski: Hinter der blauen Tür Verschlossene Türen zu öffnen, ist unwiderstehlich. Manchmal muss man nur die Klinke hinunterdrücken, ein anderes Mal einen Schlüssel im Schloss drehen. Dann gibt es noch die besonderen Türen, die sich öffnen, wenn man ein bestimmtes Wort sagt. Oder auf eine bestimmte Weise klopft. Marcin Szczygielskis kleiner Held klopft. Was hinter dem Klopfen und hinter der Tür steckt, ist rundum unerwartet und verblüfft nicht nur Kinder. Von MAGALI HEISSLER

Eine Spurensuche

Kinderbuch | Enne Koens: Von hier aus kann man die ganze Welt sehen

Die 9jährige Dee liebt die Wohnung im 8. Stock eines Hochhauses, wo sie mit ihrer Mutter lebt. Von hier aus hat man wunderbare Ausblicke auf die Wohnungen gegenüber und das Leben dort. Eigentlich könnte ihr Leben in Ordnung sein. Eigentlich. Aber Dee vermutet hinter allem einen großen Irrtum. Von ANDREA WANNER

Schlechtes Wetter gibt es nicht

Kinderbuch | Sam Usher: Wetter

Regen oder Sonne, Sturm oder Schnee: Einem kleinen Jungen ist jedes Wetter recht. Hauptsache er kann nach draußen und es genießen, am liebsten an der Seite seines Opas. Aber das ist manchmal eine zähe Sache. ANDREA WANNER freut sich an der Wetter-Minibibliothek.

Gutgläubige Hühner und ein aufgeblasener Gockel

Bilderbuch | W.Holzwarth / G.Jakobs: Der Sonnenkönig

Wenn einer den Hals nicht voll bekommen kann, braucht er Leute, die ihn ihm vollstopfen. Und es gibt eitle Gockel, die zielsicher jede Schwäche ausnutzen, nur damit sie reicher, fauler, dicker werden können. Von so einem Gockel hat Werner Holzwarth jetzt geschrieben. Von GEORG PATZER