Ins rechte Licht gerückt

Sachbuch | Émilie Zangarelli: Babys fotografieren

Ein Wunder sind sie allemal, eigentlich benötigen sie weder besonderes Licht, eine besondere Umgebung oder Dekoration und Hintergrund: Babys schaut man unweigerlich an und mag den Blick nicht mehr abwenden. Aber: dass die kleinen Erdenbürger auch eine fotografische Herausforderung sind, das zeigt dieses wunderbare Buch aufs Feinste. Von BARBARA WEGMANN

Ein Baby, eingewickelt in eine DeckeDie Autorin ist Dozentin für Newborn-Fotografie und Unterwasseraufnahmen. Die leidenschaftliche Profi-Fotografin arbeitet in Paris und bietet regelmäßige Workshops an. Newborn-Fotografie, für mich war das eine ganz neue Bezeichnung. »Ich bin ein sehr sensibler Mensch und teile seit zehn Jahren kostbare Momente mit meinen Kunden«, sagt Émilie Zangarelli über sich selbst. Besonderen Wert lege sie auf Eleganz durch Einfachheit, so beschreibt sie ihren Stil und Schönheit durch Emotion. Gerade angesichts des heute schnell wachsenden Pools an Fotografen sei ein individueller und unverwechselbarer Stil wichtig. »Wir haben alle noch die Bilder von Anne Geddes vor Augen, die in den 90er Jahren berühmt wurde und prägend für die Newborn-Fotografie war. Diese Künstlerin hat viele Amateure, aber auch Profis dazu inspiriert, selbst zur Kamera zu greifen, bzw. die Neugeborenen-Fotografie als kreatives Tätigkeitsfeld für sich zu entdecken.«

Aber natürlich spricht das reichlich und anschaulich bebilderte Lehrbuch nicht nur Berufsfotografen an, die die Sparte der Newborn-Aufnahmen in ihr Portfolio aufnehmen wollen. Viel zu verlockend sind die gerade frisch geborenen Motive, die verzaubernden kleinen Models, viel zu groß der Drang, die ersten Lebensmomente fotografisch festhalten zu wollen. Und die moderne Technik schafft für diese Sehnsüchte ja schließlich auch den entsprechenden Raum und die allerbesten Voraussetzungen. Musste man früher zwei, drei Wochen auf die Entwicklung eines Films warten, freute sich dann über seine 36 Bilder, hatte sich der Nachwuchs bereits mächtig weiterentwickelt. Heute bleiben keine Grimassen, keine Augenblicke, keine entspannten schlafenden Babygesichter von und vor Kameras mehr unentdeckt.

Die tatsächlich sehr emotionalen und herzöffnenden Bilder rufen schnell Begeisterung hervor und wecken den Ansporn, sich auf diesem Gebiet zu versuchen, ob als Privat-Fotograf oder mit beruflichem Background. Vieles ist anders in der Newborn-Fotografie als zum Beispiel in der Naturfotografie. Ganz besondere Sorgfalt, Hygiene und Temperaturen sind beispielsweise wichtige Voraussetzungen. Wie bereite ich ein Shooting vor mir einem kleinen Darsteller, der nicht so recht berechenbar ist? Welche Ausrüstung brauche ich? Wie schläft das Baby am besten ein? Zum Einschlafen zwingen könne man kein Neugeborenes, weiß die Autorin, »ich respektiere seinen natürlichen Schlafrhythmus. Wenn das Baby beispielsweise Hunger hat und schreit, wird es sich auch im Pucktuch nicht beruhigen. Es versteht sich eigentlich von selbst, dass der Säugling satt sein muss …«

Natürlich stellt sich die Frage der Umgebung, der Dekoration, des Hintergrunds, des Lichts, der Stimmung, die ich erreichen will, wie bette ich das Neugeborene im Bild ein, eine wahre Fundgrube an Ideen und Möglichkeiten zeigt das Buch. Ganz wichtig auch die Frage, wann in Schwarz-Weiß und wann in Farbe fotografieren, die unterschiedlichen Wirkungen sind phänomenal.

Den vielen allgemeinen Hinweisen, bis hin zu speziellen fototechnischen Angaben folgen Beispiele von verschiedenen Shootings mit erst wenige Tage alten Babys, Gelesenes also noch einmal bebildert nachempfinden. Ein Lehrbuch, das sehr detailliert auf ein kleines, aber spannendes Gebiet der Fotografie eingeht, gut gegliedert ist, Praxis und Theorie gleichermaßen beleuchtet, dazu viele Hinweise und Tipps und vor allem: sehr verständlich. Das Fazit: Gelassenheit sei das Allerwichtigste beim Baby-Shooting, sagt die Profi-Fotografin, damit sich letztlich »die ganze Schönheit des neuen Lebens zeige, in der Perfektion der kleinen Finger, Füße und Speckfältchen.« Das kleine Wunder eben.

| BARBARA WEGMANN

Titelangaben
Émilie Zangarelli: Babys fotografieren
Neugeborene liebevoll in Szene setzen
Heidelberg: dpunkt.verlag 2023
178 Seiten, 34,90 Euro
ISBN: 9783864909689
| Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander

Reinschauen
| Leseprobe

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Grenzüberschreitungen

Nächster Artikel

Roll Over Tiepolo

Weitere Artikel der Kategorie »Sachbuch«

»Wahrer Schatz an maritimer Kunst«

Sachbuch | Huw Lewis-Jones: Das Buch des Meeres

Wer Sinn und Sinnlichkeit für alte Dokumente hat, wer ein Kribbeln in den Fingerspitzen empfindet, wenn er Papier, Malereien oder Geschriebenes aus vergangenen Jahrhunderten in Händen hält, der wird bei diesem Buch auf seine Kosten kommen: Dokumente verschiedenster Art aus 500 Jahren Seefahrtgeschichte versammeln sich hier in diesem extrem schönen Buch. BARBARA WEGMANN hat es sich fasziniert angesehen.

Ungewohnte Perspektiven

Gesellschaft | Klaus Hillenbrand: Fremde im neuen Land. Deutsche Juden in Palästina und ihr Blick auf Deutschland nach 1945 Reportagen aus Deutschland nach der Katastrophe des Nationalsozialismus sind nicht allzu selten. Die Berichte, die der Journalist und Zeithistoriker Klaus Hillenbrand in Fremde im neuen Land vorstellt, bieten allerdings höchst ungewöhnliche Durchblicke. Denn sie sind geschrieben von deutschen und deutschsprachigen Juden, die oft nur wenige Jahre zuvor aus ihrer alten Heimat verjagt worden waren. Von PETER BLASTENBREI

Statt Zelt das Himmelszelt

Sachbuch | Licht aus – Himmel an!

Ein Buch mit einem ganz besonderen Aufhänger: in den Urlauben, die wir normalerweise machen, bleiben Blicke aufs weite Meer, von hohen Bergen, attraktive Stadtansichten oder wunderbare Cafés oder Restaurants in Erinnerung. Hier ist es ganz anders: gigantische Perspektiven am Himmel, unendlich viele Polarlichter, Sterne und Sternschnuppen, das sind sicher ganz seltene und ausgefallene Urlaubsmomente – findet BARBARA WEGMANN

Fast unvorstellbar

Kinderbuch | Stacy McAnulty: Die Erde – Hier tobt das Leben

Das ist schon ein schwieriges Thema: Wir leben auf einer Kugel, die im Weltraum schwebt. Wer soll das begreifen? Kindgerecht versucht das kleine Büchlein, Kindern ab vier Jahren dieses spannende Thema näher zu bringen. BARBARA WEGMANN hat es sich angeschaut.

Zwischen Ruhm, Isolation und Verrücktsein

Sachbuch | Susan Bernofsky: »Hellseher im Kleinen«. Das Leben Robert Walsers

Robert Walser wurde bereits als junger Schriftsteller über sein Geburtsland Schweiz hinaus von vielen bewundert, so auch von seinen Zeitgenossen Franz Kafka, Robert Musil, Hermann Hesse, Walter Benjamin, Thomas Mann und Stefan Zweig. In seinem späteren Leben hingegen war er, so seine Biografin Susan Bernofsky, »fast vergessen, eine Vergessenheit, die ihn überdauerte.« Erst nach seinem 100. Geburtstag im Jahre 1978 wurde sein schriftstellerisches Werk wiederentdeckt und »von neuen Generationen von Lesenden und Literaturwissenschaftler:innen begeistert aufgenommen.« Von DIETER KALTWASSER