Bäume im Porträt

Sachbuch | Bäume. Eine Natur- und Kulturgeschichte

Im Zuge der Klimadebatte, angesichts der Folgen des Klimawandels rücken Bäume immer mehr in den Fokus, Zeit also, sie genauer unter die Lupe zu nehmen. Dieser opulente Bildband präsentiert weltweite Baumarten und ist eine bemerkenswerte Fundgrube an Informationen, findet BARBARA WEGMANN

Das Gemälde einer Baumkrone von unten gesehenBäume kennenzulernen, von denen man sicher nie etwas gehört hat, von ihrer Geschichte und kulturellen Bedeutung zu hören oder einfach etwas über ihre botanischen Besonderheiten, ihre Herkunft, ihr Alter, ihre Verbreitung zu erfahren: Das und vieles mehr bieten die über 300 sehr ausführlichen und anschaulich illustrierten Seiten dieses Buches. Die Bäume stehen hierabsolut im Vordergrund, bilden sozusagen die Grundlage für späteres, weitergehendes Wissen über die Zusammenhänge von Bäumen und unserem Klima. Also, ein Nachschlagewerk, ein buntes Baum-Kaleidoskop rund um den Globus, da stehen kritische Sichtweisen etwas zurück.

Aber: es gibt hier in der Tat eine ganze Menge zu lernen und das Lernen wird in diesem Buch geradezu zu einem Vergnügen: Das Layout, die Auswahl von Fotografien, Grafiken und Malereien, historischen und aktuellen Darstellungen präsentieren vielfältige Informationen, dazu kommen eingestreute Fakten, die farblich abgehoben ein besonderes Wissens-Häppchen sozusagen sind. Geschickt, denn, wenn man sicher auch nicht alles von der Üppigkeit der Baumeigenschaften behalten wird, diese kleinen Einschübe sind garantiert später wie ein Anker im Gedächtnis.

Was die Füllung von Kricketbällen oder Federbällen angeht, so wird die Korkeiche in Erinnerung bleiben, denn ihre Borke liefert die ausgefallene Füllung, bis zu 20 Meter kann sie wachsen, und ebenso breit werden, heimisch ist sie im Mittelmeerraum. Oder wer weiß schon, dass der Kakao für die Maya als ein Geschenk der Götter galt und dieses Geschenk wurde alljährlich im April gefeiert. Noch ein Beispiel? »Die Federartigen Staubblätter in männlichen Blüten der Weißen Maulbeere schleudern Pollen in halber Schallgeschwindigkeit.« Hätten sie es gewusst?

So sammeln sich hier rund 80 Baumarten aus aller Welt, die natürlich auch dies und das gemeinsam haben: die Blätter oder Nadeln, der Stamm; Bäume sind mehrjährig und »sterben im Winter nicht ab«. Sie schlagen Wurzeln für die Aufnahme von Wasser und Nährstoffen. Und ein ganzes abenteuerliches System aus Pilzen garantiert sogar eine Art Kommunikation zwischen den Bäumen.

Hier wären übrigens die Bücher vom Baum-Experten Peter Wohlleben als weitergehende Lektüre sehr empfohlen. Welche Wurzelarten gibt es, und wie werden Bäume überhaupt klassifiziert? Immerhin gibt es weltweit 60 000 Baumarten, die natürlich auch eine systematische Einteilung haben müssen. Wann gab es die ersten Bäume auf der Erde, wie vermehren sich Bäume, die immerhin 30 Prozent der Erdoberfläche bedecken, wie viel Laub fällt in einem Wald an, wie kann ich das Alter eines Baumes erkennen. In welchen Regionen der Welt haben welche Bäume die idealen Wachstumsbedingungen? Fragen über Fragen und auf alles gibt es verständliche, leicht lesbare und für jedes Alter spannende Antworten.

Für die ausgewählten 80 Baumarten bietet das Buch ein reichhaltiges, buntes, vielseitiges Angebot, eine breite Palette. Absolut spannend die Ausflüge in die Geschichte der Baumarten, die nicht selten die enge Verknüpfung zwischen Mensch und Baum aufweisen. So der Baobab Baum, der Affenbrotbaum, beheimatet unter anderem in Afrika. In Namibia wird ein Baum auf stattliche 1275 Jahre geschätzt, unter der Krone dieser Bäume erzählten Menschen Geschichten und ein altes Sprichwort besagt, dass Weisheit wie ein Baobab-Baum sei, keiner könne sie allein umfassen.

Und, wenigstens dann doch kurz, wird das angesprochen, was heute immer wichtiger wird: Bäume als Ökosysteme. »Jeder Baum stellt ein eigenes Ökosystem dar, sogar einer, der sich in einer Felsspalte klammert, oder in der Wüste ums Überleben kämpft. Wenn Bäume im Wald zusammenstehen, bilden sie einige der vielfältigsten Ökosysteme der Erde.«

| BARBARA WEGMANN

Titelangaben
Bäume
Eine Natur- und Kulturgeschichte
Dorling Kindersley Verlag 2022
320 Seiten, 34,95 Euro
| Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Zwischen Wahn und Wirklichkeit

Nächster Artikel

Die Tradition des Zen

Weitere Artikel der Kategorie »Sachbuch«

Singen in den Rettungsbooten

Gesellschaft | Constanze Kleis: Sterben Sie bloß nicht im Sommer Das Beste kommt zum Schluss? Nicht immer hat der Volksmund recht. Constanze Kleis hat die letzten Monate ihrer todkranken Mutter dokumentiert und gibt nach herben Erfahrungen mit dem deutschen Gesundheitswesen den dringenden Rat: »Sterben Sie bloß nicht im Sommer«. Von INGEBORG JAISER

These Girls

Kulturbuch | Juliane Streich (Hrsg.): These Girls

›These Girls‹ ist ein Musiklexikon der besonderen Art – und doch so viel mehr. Ein Buch, das Pflichtlektüre sein sollte: für alle, die grundsätzlich an guter Musik interessiert sind. Für musikbegeisterte Feminist*innen, und solche, die es werden wollen. Von JALEH OJAN

Wechseln wie ein getragenes Hemd

Kulturbuch | Markus Metz, Georg Seeßlen: Kapitalistischer (Sur)realismus Bei Georg Seeßlen bzw. Markus Metz und Georg Seeßlen entsteht stets der Eindruck, sie hätten eine Überfülle mitzuteilen. Sie präsentieren eine bewundernswerte Vielfalt an Fakten, drängen den Leser gewaltig und sind längst drei Schritte weiter, jedoch darf man sich keinesfalls unter Streß setzen lassen. Von WOLF SENFF

Massenmörder aus der Gesellschaftsmitte

Gesellschaft | Ines Geipel: Der Amok-Komplex Wie bewundernswert eine Gesellschaft umgehen kann mit einem Massenmord, der ihr tiefe, vielleicht nie ganz vernarbende Wunden zugefügt hat, konnte man gerade am Prozess gegen den Attentäter von Oslo und Utøya studieren. Auch um ihn und seine Tat geht es in Ines Geipels neuem Buch Der Amok-Komplex oder die Schule des Tötens. Aber auch um den Versuch, einem erschreckend »modernen« und medial verstrickten Gewaltphänomen literarisch beizukommen. Von PIEKE BIERMANN

Das System der Kunst

Kulturbuch | Stefan Heidenreich: Was verspricht die Kunst

Kunstgeschichte als Institutionengeschichte. Heidenreichs populäre Diskursanalyse des Kunstsystems führt Künstler in das System ein, das sie erwartet und zeigt, wie es wurde, was es ist. Von BJÖRN VEDDER