Leise und magisch kommt diese Nachtgeschichte daher, zauberhaft zweideutig und eindeutig tröstlich, so wie man das manchmal nachts braucht, findet ANDREA WANNER.
Die erste Begegnung zwischen einem Kind und einer Katze findet bei Tag in einer üppigen Vegetation statt. Ein überraschter Junge vernimmt von einer leicht verlegen wirkenden Katze die Bitte, sie doch einmal nachts zu besuchen, da sie sich da immer so einsam fühle. Irgendwie irritierend, denn wir alle wissen, dass Katzen eigentlich gern nachts unterwegs sind und auf die Idee, dass sie sich dabei alleine fühlen, wäre man jetzt auch nicht unbedingt gekommen.
Der Junge nimmt die Bitte jedenfalls ernst und kriecht noch in derselben Nacht durch die Katzenklappe in das Haus, in dem die Katze wohnt. Schließlich ist er ein Nachtkind. Am Fenster liegend schauen die beiden hinaus und reden miteinander über das Alleinsein. Der Junge schläft dort ein und macht sich, erst als es hell wird, in seinem Schlafanzug durch den morgendlichen Garten auf den Heimweg. Nascht für Nacht besucht er die Katze, bleibt bis zum Morgen und verabschiedet sich dann. Sie hören einander zu, gestehen sich ihre Ängste, trösten sich und schlagen aneinander gekuschelt ein. Bis der Junge erwischt wird.
Ein Kind und ein Tier begegnen sich auf Augenhöhe, nehmen sich gegenseitig ernst, entwickeln eine ganz besondere Freundschaft. Die Katze wünscht sich, der Junge würde länger bleiben, aber der frühe Morgen bedeutet den Abschied. Aber sie haben die Nächte zusammen, die keine Angst mehr kennen, wenn der jeweils andere da ist.
Armin Kaster erzählt mit genau gesetzten schlichten Worten, ohne Pathos. Gerade das lässt die Geschichte so innig und zärtlich wirken. Besser ergänzen als durch die zarten Illustrationen von Sabine Rufender kann man sie nicht. Die Perspektiven sind immer wieder neu. Das nächtliche Außen wird zunächst durch den Schutz einer Scheibe gezeigt, wo sich im Garten Käuzchen, Fledermäuse, Nachtfalter, Glühwürmchen, Motten und Spinnen tummeln. Das Haus bietet Sicherheit und Schutz, ebenso wie die Zweisamkeit von Kind und Katze. Zu zweit sind sie stark, zu zweit bieten sie ihren Ängsten die Stirn, zu zweit macht nicht einmal die Nacht ängstlich.
Immer wieder lässt sich Neues entdecken, verändert der Mond seine Form und die Begegnung zwischen zwei Freunden nimmt eine neue Qualität an: ein Geben und Nehmen, ein Anvertrauen und ein Aneinanderwachsen.
Titelangaben
Armin Kaster: Das Nachtkind
Illustriert von Sabine Rufener
Wien: Jungbrunnen 2024
32 Seiten, 17 Euro
Bilderbuch ab 4 Jahren
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