Ach, das wäre schön, sie gehen zu einem Arzt, schildern vielleicht ihre Müdigkeit und ihre Erschöpfung und er verschreibt Ihnen eine Reise. Nun ja, wenn es das auch noch nicht auf Rezept gibt, so gibt es das aber nun als Buch zur Selbstdiagnose sozusagen, findet BARBARA WEGMANN
»Zur Erstdiagnose empfiehlt es sich, bedürfnisorientiert vorzugehen: Suchen sie nach Ordnung in einer chaotischen Welt … Oder wollten sie immer schon mal so richtig die Sau rauslassen?« Gut 300 Seiten bieten wunderbare Therapien für »Verkopfte«, für »In-sich- Geher«, für die mit »Löwenmut« und die »Sinn(en)- Sucher«. So mancher wird in diesen trüben Herbsttagen vielleicht »Angst vor dem Winterblues« haben, schlagen wir doch einfach einmal nach, schauen, was Dr. Reisetherapeut empfiehlt. Auf jeden Fall sollten sie die Dunkelheit mit Tausenden Lichter vertreiben, ganz wichtig sei, das Gefühl von Geborgenheit und Wärme zu erleben. Und was heißt das Bitteschön in Reiseziele übersetzt? Da wäre das legendäre Laternenfest in Zagreb, das Lichterfest in Lyon oder das Luciafest in Stockholm, bei letzterem Fest ist auch durchaus das eine oder andere Glas Glögg- Glühwein dabei, und das lässt dem Winterblues ohnehin wenig Chancen zur Ansteckung Mitreisender …
Was für eine hinreißende Buchidee! Witzig, sehr kreativ, anregend, geradezu ansteckend: Für so viele Stimmungslagen, so viele Symptome und unbedingt behandlungsbedürftige Gefühle, mal die eigenen vier Wände gegen ein Abenteuer zu tauschen; das ausgefallene Buch bietet über 400 Reisetipps in 70 Ländern. Kurztrips oder auch ausgewachsene Urlaube, Pardon selbst verordnete »Kuren«, die einen wieder fit und mobil machen, die vor allem eines machen: Glücklich! Und glücklich zu sein, das schließlich soll ja tatsächlich vor kleineren Beschwerden und Krankheiten schützen. Der Gesundheitsminister würde sich freuen! Ideen für ein riesiges Reiseangebot, das attraktiver, unterhaltsamer und reichhaltiger nicht sein könnte. Kleiner Wermutstropfen: Die Kosten erstattet leider keine Kasse.
Sie sind ein Mensch, der das Leben zu Hause als langweilig, unaufgeregt und öde empfindet, der gerne mit Krimis im Fernsehen den schnöden Alltag aufpeppt? Sie wünschen sich heimlich, auch einmal in gruselige Situationen zu kommen, die einen das Fürchten lehren? Der Reisetherapeut hat eindeutige Genesungstipps: ab ins »Museum der Vergänglichkeit«, ab in die Pariser Katakomben. Dieses riesige Tunnelnetz sei im 18. Jahrhundert als Massengrab genutzt worden, um Pariser Friedhöfe zu entlasten, so heißt es. Noch heute seien die Katakomben Ruhestätte für sechs Millionen Menschen. »Zwei Kilometer enger Gänge sind zugänglich. Sie sind von sorgfältig gestapelten Knochen und Schädeln gesäumt, die makabre Muster zeichnen.« Na, Gänsehaut?
Die Bebilderung des attraktiven Reise-Genesungs-Buches ist umfangreich und Empfehlungen für die verschiedensten Diagnosen gibt es reichlich: Mystik gegen nagende Eintönigkeit, Sportliches bei chronischer Sofamüdigkeit, oder spirituelle Anregungen bei eingeschlafenem Liebesleben. An einer Stelle am Strand von Zypern, soll einst Aphrodite, die Göttin der Liebe und Schönheit dem Meer entstiegen sein. Sie wird heute noch verehrt. »Wer den Felsen dreimal umrundet, wird mit ewiger Liebe belohnt« und: »Wer bei Vollmond um Mitternacht an dieser Stelle im Meer schwimmt, bleibt ewig jung«. Da packt man doch gerne und spontan die Koffer!
Hinweise zu Risiken oder Nebenwirkungen sind bei all diesen reise-therapeutischen Tipps nicht zu befürchten und zu erwarten, höchstens: die dringende Sehnsucht nach einem baldigen Folge-Rezept.
Titelangaben
Der kleine Reise- Therapeut
Traumziele für jede Stimmung
München: Kunth-Verlag 2024
ISBN: 9783 969651803
304 Seiten, 29,95 Euro