Florida aufgeben? Ehrlich – wie stellen wir uns das vor?
Farb lachte. Das sei alternativlos, widersprach er.
Das stiehlt mir die letzte Zuversicht, stöhnte Wette.
Farb tat sich eine Pflaumenschnitte auf.
Tilman reichte ihm einen Löffel Schlagsahne.
Annika warf einen Blick nach dem Gohliser Schlößchen.
Wette schwieg. Er hätte große Lust, Doppelkopf zu spielen, sagte er, niemand könne sich pausenlos den Problemen der Welt aussetzen, wo werde das hinführen.
Farb strich die Sahne auf seiner Pflaumenschnitte langsam und sorgfältig glatt.
Florida werde nicht die einzige Region sein, sagte er, aus der der Mensch sich zurückziehe, das sei absehbar, jetzt schon ließen die Immobilienpreise nach, und man müsse die Augen offenhalten und müsse wissen, daß lediglich aus den westlichen Staaten lückenlos berichtet werde, für China sei man auf die Berichte der chinesischen Fernsehanstalten angewiesen, ausländische Fernsehanstalten bedürften dort einer Sondergenehmigung, weshalb man über die Schäden in Florida detaillierter unterrichtet sei, sagte er, für China wisse man vom Yangtse, daß er besondere Schwierigkeiten bereite, die Zuflüsse in den Drei-Schluchten-Staudamm seien zu Zeiten der heftigen Regenfälle enorm, der Staudamm laufe randvoll, man lasse große Mengen Wasser ab, und es komme unterhalb des Staudamms zu Überflutungen, die Natur gebärde sich außer Rand und Band.
Aber wie, fragte Wette, stelle man sich vor, daß der Mensch sich zurückziehe.
Er werde umgesiedelt, sagte Tilman, für den Bau des Drei-Schluchten-Staudamms seien mehrere Millionen Menschen umgesiedelt worden.
Farb aß ein Stück von seiner Pflaumenschnitte.
Annika blätterte in ihrem Reisemagazin.
In Florida werde evakuiert, oder?
Wer sich, um den Staus zuvorzukommen, beizeiten absetze, komme in Turnhallen unter, sagte Farb, dauerhaft sei das jedoch keine Lösung, man erfahre auch nicht, wie das weitergehe, auch Straßen würden überflutet, es gebe kein vorsorgliches Konzept, keinen Plan, undenkbar daß die Menschen tagelang in Turnhallen aushalten sollen, vorausschauende Politik sei gefragt.
Florida sei nicht die einzige Region, sagte Wette, von der absehbar sei, daß sie für Menschen unbewohnbar werde, er erinnere an die Waldbrände in Kalifornien, und man kenne die Inseln in der Südsee, die von stärkeren tropischen Wirbelstürmen betroffen seien, von längeren Dürreperioden und vor allem vom steigenden Meeresspiegel, dort würden bereits einzelne Dörfer umgesiedelt, nicht erst evakuiert, wenn die Not am größten sei, sagte Wette, sondern planmäßig und rechtzeitig umgesiedelt, und Tuvalu, ebenfalls im südlichen Pazifik und vom Anstieg des Meeresspiegels akut bedroht wie kein anderes Land, habe mit Australien ein Abkommen ausgehandelt, das seinen Bürgern erlaube, nach Australien überzusiedeln, wir lasen von Überflutungen in Frankreich, die Katastrophen nehmen zu, es sei höchste Zeit, Vorsorge zu treffen, vielleicht daß man einen Stufenplan ausarbeite, bevor man den Überblick verliere, die Politik müsse sich kümmern.
Sofern nicht alles zu spät sei, sagte Annika und blätterte in ihrem Reisemagazin.
Im übrigen, ergänzte Tilman, geschehe das ja längst, viele Einwohner verließen Florida, die Immobilienpreise stürzten ab, die Versicherungsprämien stiegen in abenteuerliche Höhen, zwar liege kein Plan vor, doch die reale Botschaft laute, daß Florida aufgegeben werde.
Schon, sagte Wette, nur daß er sich eine vorausschauend agierende Politik wünschen würde.
Zur Zeit sei alles im Schwange, sagte Tilman, die USA verweigerten sich unter ihrem irrlichterndem siebenundvierzigstem Präsidenten erneut der internationalen Kooperation, obgleich es dringend erforderlich sei, weitergehende Vereinbarungen zu treffen, die einen rücksichtsvollen Umgang mit der Natur gewährleisten können.