Der tägliche, unbeobachtete Kampf

Kinderbuch | André Bouchard: Emil – der Alltagsheld

Wir Erwachsenen haben doch echt keine Ahnung, mit was für Gefahren unsere lieben Kleinen aufwachsen. Zum Glück nimmt uns Emil mit in die wahre Welt und zeigt uns, wie er sich da behauptet, freut sich ANDREA WANNER.

Ein Junge steht in einer großen Topfpflanze und würgt eine Socke, die wie eine Schlange aussiehtWir erfahren es im allerersten Satz: »Emil ist ein echter Abenteurer, einer von der ganzen harten Sorte.« Er hat seinen Beobachtungsposten eingenommen, ganz oben und beobachtet von dort »das Treiben der blutrünstigen wilden Geschöpfe«. Schade, an der Stelle sehen wir zwar nur, wie Emil aus einem der Fenster im obersten Stock schaut, aber natürlich zweifeln wir keine Sekunde daran, dass es da unten wirklich ganz schrecklich zugeht. Und Emil das aushält! Und was machen die »Weichlinge«? Sie scheinen zu schlafen, mit offenen Augen und kleinen Geräten in der Hand. Kein Wunder, dass Emil sich diesem Stamm nicht zugehörig fühlt und gern einen weiten Bogen um sie macht. Aber überall lauern Gefahren: Grizzlybären, die gewärmt werden wollen; Zimmertiger, die fürchterliche Krallen haben; Jasmin-T (»T wie Tiger«), deren sympathisches Äußeres täuscht; Strudel und Stromschnellen; ein Todesschlund …

Das Bilderbuch von André Bouchard lebt von der Diskrepanz von Text und Bild. Was die Worte suggerieren, ist das was, was Emil erlebt. Die Bilder erzählen eine andere Geschichte. Da wird, wie auf dem Cover, der Versuch einen Strumpf anzuziehen, zum gnadenlosen Kampf mit einer Schlange. Die Badewanne verwandelt sich in einen tosenden Ozean, im Wohnzimmer sind tollkühne Sprünge gefordert, um nicht in einem Lavastrom zu landen.

Emil, der im französischen Original Martin heißt, ist ein liebenswerter Kerl, der ganz in seiner Fantasiewelt versinkt. Bouchards trockenem Humor, mit dem er bereits in ›Ein Tag im Leben einer Fee‹ verzauberte kann man sich nicht entziehen. Und der Lebendigkeit seiner Illustrationen noch weniger. So sieht die Welt aus Augen eines Kindes aus!

| ANDREA WANNER

Titelangaben
André Bouchard: Emil – der Alltagsheld
(Martin l’aventurier en pyjama, 2023)
Aus dem Französischen von Walther Fekl
Berlin: Schaltzeit Verlag 2024
42 Seiten, 15 Euro
Bilderbuch ab 3 Jahren
| Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Drei Gedichte

Nächster Artikel

Neue Töne

Weitere Artikel der Kategorie »Kinderbuch«

Der diskrete Charme der Anarchie

Kinderbücher | Clémentine Beauvais: Das Hochzeits-Chaos / Anke Kranendonk: Käpt’n Kalle Die Welt ist, wie sie ist und die Dinge sind eben kompliziert. Sagen Erwachsene. Aus Kinderaugen sieht das anders aus. Und so wird gehandelt. Das Ergebnis? Auf jeden Fall nicht das Gewohnte. Von MAGALI HEISSLER

Mutproben

Kinderbuch | Ryan Gebhart: Bärenschwur Der 13jährige Tyson hat schon lange einen Plan: Mit seinem Großvater, den er liebevoll Gramps nennt, auf die Jagd gehen. Gramps macht das jedes Jahr, auf die Wapitijagd gehen. Jetzt ist Tyson endlich alt genug, ihn zu begleiten. Von ANDREA WANNER

Viel könnten wir erzählen…

56. Internationale Kinder- und Jugendbuchmesse Bologna im April 2019

Zaro Weil, die Cambridge School of Art und viele, viele, wunderbare Bücher. Ein Gang über die 56. Internationale Kinder- und Jugendbuchmesse Bologna Anfang April. Von GEORG PATZER und SUSANNE MARSCHALL

Das Geheimnis am Murmelpfad

Kinderbuch | Kai Lüftner: Der Verwechsling

Alte Sagen und Märchen haben immer etwas Geheimnisvolles, etwas in den Bann Ziehendes. Der Verwechsling ist so eine Geschichte und spielt auf der dänischen Ostseeinsel Bornholm. Ganz lebendig spuken hier noch Elfen, Trolle, Zwerge oder Riesen. Schnell ist klar: Dieser Stimmung und Spannung kann man sich nur schwer entziehen. BARBARA WEGMANN ist eingetaucht in die magische Geschichte.

(K)ein bisschen stachelig

Kinderbuch | Katharina Hahn: Kekoa Kaktee im Blumenmeer

Die kleine Kaktee Kekoa hatte ihren ersten Auftritt bereits vor drei Jahren. Damals wurde sie für ihren Mut belohnt. Jetzt ist sie wieder unterwegs. Im bunten Blumenmeer fühlt sie sich unscheinbar und fehl am Platz. Und jetzt? Von ANDREA WANNER