Manchmal ist es nur eine kleine Frage, die so gewohnt scheint, fast eine Floskel wird, weil man sie immer wiederholt, und doch löst sie eine Menge aus. Eike, der gerade aus dem Kindergarten kommt und sein Papa sind da ein gutes Beispiel, findet BARBARA WEGMANN.
»Na, wie war’s?« Ein Satz, den viele sicher kennen, wenn Kinder aus Kita, dem Kindergarten oder der Schule kommen und Eltern neugierig fragen. Eike aber »kann nie so genau sagen, wie es war. Ob gut. Oder blöd. Oder wie sonst.« Eikes Papa scheint Verständnis zu haben. »Ich mach uns mal Essen, du kannst ja noch ein wenig spielen.« Eike geht in den Garten, weil er von seinem Fenster aus ein tanzendes Ahornblatt gesehen hat, das will er suchen. Und plötzlich sind da ganz viele Stimmen: die Blätter, die sich freuen und wispern: »… da bist du ja!« Und ihm fällt wieder ein, dass er am Morgen etwas verloren in der Kita stand, dann aber Ella, Flori, Günes und Connor sah und zu ihnen ging. Da schimpft auch die Amsel, die gerne in Ruhe Würmer suchen möchte und nicht vom Eichhörnchen gestört werde will. Ja, denkt Eike, das ist so wie heute, als Alex und Mark, die schon bei den Vorschulkindern sind, ihnen die Rutsche wegnahmen und sie verjagt haben.
Der Garten wird lebendig, die Ameisen piepsen mit »leisen Stimmchen«, Eike sieht viele Pilze, Moos, Schnecken, er hört so viele Geräusche, schließt die Augen und lässt den Vormittag Revue passieren. Plötzlich sind da so viele Eindrücke, die in Eike wach werden, so viele Situationen, die er am Vormittag erlebt hat.
Nikola Huppertz ist freie Autorin, lebt in Hannover, studierte einmal Violine und Psychologie, hat zwei Kinder und mit deren Großwerden begann ihre Leidenschaft für das Schreiben von Kinderbüchern. Eine Leidenschaft mit Echo: viele Preise, viele Übersetzungen in diverse Sprachen. Die Autorin schafft eines mit Bravour: sich in die Kinderseele hinein zu versetzen, sensibel, vorsichtig, mit Geduld und Feingefühl. Das macht das Buch, das eigentlich gar keine große Handlung hat, so überaus attraktiv: Eine ganze Gefühlswelt wird in Eike wach. Noch weiß er gar nicht so recht, was er erzählen soll. Er nutzt die Zeit, in der Papa das Essen macht, um seine Eindrücke zu sammeln, noch einmal nachzuerleben, nachzuspüren, sich manches bewusst zu machen. Eine Zeit, die Eltern ihren Kindern sicher geben sollten, fernab der üblichen Floskel »wie war’s heute?« Manchmal kommt die Antwort eben etwas später.
Die Illustratorin, Susanne Straßer, hat Kommunikationsdesign studiert, ist freiberuflich tätig und hat dieses Bilderbuch für Kinder ab 3 Jahren wunderbar bunt und sehr lebendig illustriert, so viele Farben, so viele Eindrücke und: sie legt zwei Ebenen übereinander, die reale Ebene, das heißt Eike, der gerade im Garten ist und darüber in feinen Strichen, farblich völlig reduziert, Eikes Gedanken und Rückblicke auf Szenen am heutigen Vormittag.
So genießt der kleine Knirps die Sonne, schiebt den Kopf vor, und »sein Gesicht wird ganz warm. Für dich, kichert die Sonne weit über ihm. Eike wird es noch wärmer. Ungefähr so warm wie heute, als Ella ihm am Basteltisch ein grasgrünes Herz aus Knete zugeschoben hat.« Und dann wird der ganze Garten zu einer Gefühlswelt, Wind, Wolken, Sonne, die raschelnden Blätter und schließlich ist da Papas Stimme: »Essen ist fertig.« Eike merkt, wie gern er jetzt ganz viel erzählen will.
Ein Buch, das fast viel wichtiger für die Großen ist als für die Kleinen: Dem anderen Zeit zu geben, ihn nie zum Erzählen zu zwingen oder zu insistieren, dazu gehören Geduld und Liebe und Verstehen.
Titelangaben
Nikola Huppertz: Wie war’s heute?
Illustriert von Susanne Straßer
München: Hanser 2025
32 Seiten, 16 Euro
Bilderbuch ab 3 Jahren
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