Franziska Gerstenbergs Erzählungen skizzieren verstörende Suchbewegungen. Die Figuren irren ziellos durchs Leben – ohne Antrieb und ohne Ideale. Sie leben einzig von der Hoffnung auf eine positive Wende. Von PETER MOHR
Sie sei »weder Fräulein noch Wunder« antwortete die 28-jährige Autorin Franziska Gerstenberg in einem Interview auf die Frage, ob sie sich zum »Fräuleinwunder« zähle. Ihr gehe es beim Schreiben, so versicherte sie, beim Spiel mit ihren Figuren auch um einen eigenen Erkenntnisgewinn.
Die gebürtige Dresdenerin, die Alice Munro als ihr Vorbild bezeichnete, knüpft mit den 14 Erzählungen ihres neuen Bandes nahtlos an ihren hochgelobten Erstling ›Wie viel Vögel‹ an. Sie gewährt wieder einmal kurze Einblicke ins Seelenleben ihrer Altersgenossen. Es sind alltägliche Begebenheiten, die Franziska Gerstenberg wie mit einer Lupe vor dem Auge des Lesers vergrößert. Die Simultanität von psychischen und physischen Leiden ist ein wiederkehrendes Sujet in diesem Band.
In der einleitenden Erzählung »Geschenke« begegnen wir einer gewissen Kora, die an ihrem Haarausfall zu zerbrechen droht. Dass sie ihrem Freund aus den ausgefallenen Haaren Halsketten flechtet, mag zwar ein origineller Einfall sein, zieht aber die Probleme der Figur arg ins Lächerliche.
Häufig setzt die Autorin dramaturgische Ausrufezeichen und verleiht ihren Texten unerwartete, nicht immer plausible Wendungen. Hierin unterscheiden sich auch Gerstenbergs neue Erzählungen von denen aus ihrem Erstling.
Geblieben ist das Personeninventar: Leidende Figuren um die Dreißig, die in einem politischen Vakuum leben und deren Denken und Handeln um den eigenen Bauchnabel kreist. Ein »One-Night-Stand« gewinnt in diesem gleichförmigen Lebensfluss schon »Ausbruchcharakter.«
Die Figuren irren ziellos durchs Leben – ohne Antrieb und ohne Ideale. Sie leben einzig von der Hoffnung auf eine positive Wende. Franziska Gerstenbergs Erzählungen skizzieren verstörende Suchbewegungen. Die durch ihre Normalität beinahe schon erschreckenden Figuren rutschen permanent auf dem glatten Alltags-Parkett aus. Sie greifen ins Leere – keine stützende Hand und kein rettendes Geländer in Sicht, das die Abstürze verhindern könnte.
Titelangaben
Franziska Gerstenberg: Solche Geschenke
Schöffling Verlag 2007
248 Seiten, 18,90 Euro
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