Musik | Toms Plattencheck
Ob Blues, Stonerrock, minimalistischer Proto-Punk oder Acid House. Auch diese Woche wird wieder fleißig mit den Bausteinen der Popgeschichte jongliert. Von TOM ASAM
Richtige Freaks bezeichnen sich natürlich nicht als solche, hier geht die Schreibweise zumindest etwas anders: The Freeks könnte man als Stonerrock-Supergroup bezeichnen, haben sich unter diesem Banner doch schon Mitglieder von Kyuss oder Monster Magnet zum jammen zusammengefunden. Aktuell sind The Freeks: Ex Nebula und Fu Manchu Drummer Ruben Romano (als Gitarrist und Sänger), Ex Nebula Basser Tom Davies, Blue Man Group Member Hari Hassin an den Drums, Jonathan Hall (u.a. Angry Samoans) und Esteban Chavez, der mit diversen Vintage Tasten-Instrumenten für eine besondere Note sorgt. Wie es sich für das Genre gehört, spielen musikalische Modeerscheinungen hier keine Rolle. Säulenheiliger ist Lemmy, dessen Hawkwind-Zeiten für jeden Stoner zum Einmaleins gehören, aber auch frühere Motörhead-Tage klingen mitunter an. Tempomäßig bewegt man sich eher im mittleren Bereich, auf übertrieben Härte und unnötiges Muskelspiel verzichten die Freeks dabei. Die psychedelische Note der Combo wird vor allem durch die Electric Piano und Analog-Synthie Beiträge von Chavez herausgearbeitet. Besonders aufgrund der soliden Rhythmus-Abteilung und einer angemessenen, weit von cleanem, flachen Kompressionsmüll entfernten, Produktion, ist das im Fundraising entstandene Album ein durchaus empfehlenswertes Stück Rock ohne Schnickschnack und unnötige längen – nach 34 Minuten ist Schicht.
Noch einen deutlichen Zacken roher, direkter und erdiger geht es bei den Italienern von There will be blood zu. Auf Without erwartet uns ein basslastiger in-die-Fresse-Sound, der sich aus der Liebe zu einfachem Schweinerock und zum guten alten Blues speist. Dazu gibt es Themen zwischen Gut und Böse in biblischer Wucht, wobei die Songs von einem sadistischen Puppenspieler auf seinem Weg zu Kontrolle und Gewalt handeln. Wer die White Stripes und die Black Keys verehrt, wer zwischen 60´s Garage und Highlights aus dem legendären Crypt Records Katalog Entspannung findet, der sollte unbedingt Mattia, Riccardo und Davide auschecken! Wenn mal wieder die Frage aufkommt: »Schatz, Lust auf unseren Lieblingsitaliener?« dann kann es künftig nur heißen: »Ja, heute gibt es Blutsuppe!«
Was Alan Vega und Martin Rev aka Suicide Ende der 70er mit ihrer selbstzerstörerischen Mischung aus den Tönen eines kaputten Keyboards, kranken Beats und schrägem Sprechgesang eines Rockabillys from mars rausrotzen, ist bis heute trotz oder gerade aufgrund der minimalistischen Ausdrucksweise ein absoluter Höhepunkt der etwas anderen Populärmusik. Ghostrider und Co. Wurden in den letzten Jahren von unzähligen Musikern, Djs und Produzenten verwurstet und aufgegriffen. Den Originalen kann das alles nichts anhaben, aber ob es Ende 2013 eine gute Idee ist, sein Soundkonzept deutlich an Suicide auszurichten? Für Vex Ruffin, einen amerikanischer Musiker mit philippinischen Wurzeln, hat der Ansatz zumindest gereicht, um einen Deal beim renommierten Stones Throw Label abzugreifen. Und das, obwohl dieses ja eigentlich für cleveren Hip Hop steht (aber in letzter Zeit – vor allem mit den tollen Stepkids – auf anderem Terrain punktete) und sich Vex ausschließlich mit einem unaufgefordert zugesandten Demo für Höheres bewarb. Und ein Demo an einen Verlag oder eine Plattenfirma zu schicken ist bekanntlich so clever und erfolgsversprechend, wie einen Lottoschein auszufüllen. Man ist also einerseits geneigt, die Geschichte von Vex für eine der zeitgeistigen Retroverbrennungsmaschinerie geschuldeten Glücksfall zu halten, andererseits den geschmackssicheren Stones Throw Jungs zu vertrauen. Gibt man sich dem Debüt des jungen Mannes näher hin, entkommt man dem minimalistischen Charme des Ganzen einfach tatsächlich nicht und entdeckt neben Suicide durchaus andere Ingredenzien zwischen No Wave, Proto-Punk und frühen Industrial Stücken.
Seit die Popkultur weite Teile der westlichen Gesellschaft beeinflusst, war zweimal vom Summer of love die Rede. Einmal Ende der 60er Jahre: Peace, Love und…ihr wisst schon; Epizentrum California – und einmal, als sich die 80er so langsam vom Acker machten (um später für immer zurückzukehren): Manchester wurde zu Madchester, Rave und Co….na gerechterweise müsste man im Vergleich von einem Summer und einem Month of Love sprechen, was die globale Wahrnehmung anbelangt. So oder so standen den Momenten der Befreiung und des Aufgehens in Musik, Liebe und Drogen zeitgleich auch jeweils dunkle Wolken entgegen (die das Ganze ja erst so wichtig machten bzw. hervorriefen): Vietnam zum einen, die Ära der eisernen Lady zum anderen. Wenn Cut Copy nun rufen: free your mind – und damit eine Phantasie der nächsten Revolution heraufbeschwören wollen (aber bitte ohne »negative correlations«) ist das natürlich nichts weiter als putzig. Man könnte die These der relativ kulturarmen Region Australien bemühen, was natürlich Quatsch ist. Es ist Ausdruck des Zustands von Pop – und der (westlichen) Zivilisation. Man pickt heraus, was man gerade entdeckt, bläst es auf, versieht es mit Etiketten – und möchte Party auf Knopfdruck. Geschichte und Zeichen sind bedeutungslos geworden, wie sollte es anders sein bei der Gleichzeitigkeit der Stile und der irren Abfolge der Moden? Cut Copy liefern eine Art Meta Album zum Acid House ab und erinnern dabei an Spiritualized, Primal Scream und Co. Schafft man es, die Birne von kulturpessimistischen Gedanken freizubekommen, muss man zugeben: das macht Spaß! Freilich, die Warehouses sind inzwischen von Maklern, Bankern und Zahnärzten belagert, man muss den Partyspaß wohl oder übel in der eigenen Mietbutze genießen –und zwar instantly, jetzt, sofort: heute ist summerday! Free your mind!
| TOM ASAM
Titelangaben
The Freeks: Full On – Cargo Records
There will be blood: Without – Ghost Records
Vex Ruffin: same – Stones Throw / Other Hand / Rough Trade
Cut Copy: Free your mind – Modular recordings / Rough Trade