Kinderbuch | Christian Tielmann: Wir drei aus Nummer 4
Eine Neuanfang mit Papa, eine neue Wohnung, ein fremdes Haus und unbekannte Nachbarn, das sieht doch ganz nach Abenteuer aus! Es bleibt auch nicht bei einem einzigen, wie sich rasch herausstellt. Wenn bestimmte Menschen aufeinandertreffen, ist einfach etwas los, sogar im ganz normalen Leben. Christian Tielmann lässt in ›Wir drei aus Nummer 4‹ einen Achtjährigen aus dem kunterbunten Kinderalltag berichten. Von MAGALI HEISSLER
Das neue Haus gefällt dem kleinen Wenzel gleich, es ist nämlich knallbunt. Bunt wird es auch, als Papa und er sich in der neuen Wohnung einrichten müssen. Die Umzugsarbeiter waren zwar rundum nett, aber sie haben Kisten und Kasten einfach da abgestellt, wo eben Platz war. Papa, das muss Wenzel trotz seiner großen Liebe zu ihm gestehen, ist als Handwerker wirklich keine große Nummer. Dass Papa einen Krater in die Zimmerwand bohrt, ist wieder mal typisch.
Gut, dass Helma aus dem zweiten Stock schon erwartungsvoll dasteht. Helma ist genauso alt wie Wenzel und sie kennt sich mit Bohrmaschinen aus. Theoretisch. Helma weiß überhaupt eine Menge theoretisch. Ihre Praxis hat dafür oft genug Folgen für das ganze Haus. Das führt schon am ersten Tag dazu, dass sich gleich alle kennenlernen. Wenzel ist begeistert. Zwei neue Freunde und viele sympathische Erwachsene auf einmal.
Was so aufregend beginnt, geht auch aufregend weiter. Selbst als Wenzel merkt, dass nicht alle im Haus so nett sind, wie seine neuen Freunde. Aber das ist nicht die einzige Schwierigkeit, die ihm in den nächsten Monaten begegnet.
Das ganz normale Abenteuer
Tielmann hält den Kosmos der drei kleinen Freund eng, das Haus, die Straße. Das genügt ihm aber, um eine ganze Welt zu zeigen, aus Kinderaugen. Da wird eine Katze gerettet und ein Teddybär, die Dachterrasse begrünt, eine innerhäusliche Rohrpost eingerichtet. Das Treppenhaus hört man förmlich beben von Getrampel der Kinderfüße und dem dazugehörigen Geschrei. Die Geschichten sind lebendig über die Buchstaben auf den Seiten hinaus.
Es gibt einiges an Slapstick und skurrilen Szenen, die für das junge Publikum zugeschnitten sind, ohne anbiedernd oder kindisch zu wirken. Die aufregenden Ereignisse entstehen vornehmlich aus dem Alltäglichen, das Abenteuer ist überall, man muss nur hinsehen. Der Alltag ist weitgehend technikfrei, Wenzels Erlebnisse sind eine charmante Mischung aus traditionellen Geschichten für Kinder und zeitgenössischem Erleben.
Unaufdringlich bringt Tielmann die neuen Elemente ein. Nachbarn aus anderen Ländern, ein unverheiratetes Paar mit Kindern, Alleinerziehende. Wenzels Eltern haben sich gerade getrennt. Dazu kommen Streit mit älteren Schwestern, anstrengende kleine Brüder, seltsame Verhaltensweisen von Freunden, die man hinnimmt, weil Freunde eben Freunde sind. Schwindeleien, Windpocken und Verlustgefühle, wenn die Mutter fortzieht nach Hamburg. Eine gelungene Mischung, das ganz normale Abenteuer eben. Klar, dass es am Ende eine Hochzeit gibt.
Und auch schön anzuschauen
Illustriert hat die Geschichte Stefanie Scharnberg und sie hat ihre Bilder ebenso mit zahlreichen liebevollen Details ausgestattet, wie Tielmann seine Geschichte. Wenzels Hang zu Zahlen, der Beruf seines Vater, er ist Comiczeichner, selbst der Straßenname ›Rabenstraße‹, alles wird bildlich umgesetzt. Und immer wieder sieht man die kleinen Heldinnen und Helden, aufgeregt, glücklich, verblüfft, entsetzt. Es gibt viel anzuschauen, die Illustrationen sind großzügig verteilt und man amüsiert sich nicht nur über die lustigen Erlebnisse im Text.
Damit ist ein schönes zugleich klassisches und zeitgemäßes Buch mit Geschichten aus einem Kinderleben entstanden, das dem jungen Zielpublikum manche langweilige Stunde bestens vertreiben kann.
Titelangaben
Christian Tielmann: Wir drei aus Nummer 4
München: dtv junior 2014
190 Seiten, 10,95 Euro
Kinderbuch ab 8 Jahren
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