Bühne | ›Die Entführung aus dem Serail‹ – Theater Pforzheim
Mit schmerzverzerrtem Gesicht steht Protagonistin Konstanze (Franziska Tiedtke) am Bühnenrand. Die Protagonistin mit den schönen blonden Locken singt eine herzzerreißende Arie über ihr Liebesleid. Immer wieder fasst sie sich dabei demonstrativ mit der Hand an die Brust. Hohe und tiefe Töne wechseln sich ab. Die Sehnsucht nach ihrem Geliebten Belmonte (Markus Francke) treibt Konstanze umher. Ihr gegenüber steht Bassa Selim (Sehr attraktiv und hoheitsvoll im schwarzen Jackett auf nackter Brust: Dario Krosely), der ihre Freunde und sie in Gefangenschaft nehmen ließ. Seine Liebe zu Konstanze ist aussichtslos, die der Protagonistin nicht unbedingt – wie der Fortgang von Wolfgang Amadeus‘ Oper ›Die Entführung aus dem Serail‹ (1782) verrät. Von JENNIFER WARZECHA
Nicht umsonst zählt das Singspiel in drei Aufzügen mit dem Libretto von Christoph Friedrich Bretzner, bearbeitet von Johann Gottlieb Stephanie dem Jüngeren, zu Mozarts beliebtesten Werken. Carl Maria von Weber schwärmte, wie der Eintrag auf der Rückseite der Reclam-Ausgabe verrät, von ihm als dem Werk, mithilfe dessen Mozart zu seiner vollen Reife gereift sei. Diese Reife liegt auch in der Pforzheimer Aufführung in der gewählten Komposition an imposanten, stimmungsvollen Arien, Rezitativen, Duetten, Terzetten und dem Chor des Theaters Pforzheim (in Mozarts Textvorlage dem Chor der Janitscharen), unter der Leitung von Salome Tendies. Leider tritt er nur dreimal während der dreistündigen Oper in Erscheinung und sorgt doch neben dem Gesang dank sehenswerten Tanzfiguren und schönen Masken für abwechslungsreiche Pausen zwischen den anspruchsvollen gesanglichen Einlagen.Unter diesen fallen besonders die Arien und Duette auf. Schon zu Beginn überzeugt der ganz in Weiß gekleidete Belmonte (Markus Francke), der damit die seiner Liebe gleich kommende symbolische Reinheit verkörpert. Er tritt mit würdevollem Schritt, von links kommend, auf die Bühne. Schaut traurig, den Kopf wendend zum Publikum und singt geradezu flehend, in der Hoffnung auf sowie Sehnsucht nach seiner Geliebten Konstanze die Arie ›Hier soll ich dich denn sehen.‹
Osmin (Cornelius Burger), im auffallenden lila Kostüm und weißem Hut, schreitet von links den Bühnenaufgang herauf und stimmt in die Arie ›Wer ein Liebchen hat gefunden‹ ein, die im Duett zwischen Osmin und Belmonte gipfelt.
Was schon so romantisch anklingt, hat aufgrund der Handlung der Oper seine Berechtigung. In deren Mittelpunkt steht ungeachtet der schon im Titel anklingenden, dabei in der Ausgestaltung des Bühnenbildes aber unberücksichtigten türkischen Note die Liebesgeschichte von Blonde (Maria Perlt) und Pedrillo (Edward Lee) sowie derer Konstanzes und Belmontes. Wo Melodie und instrumentale Einlagen schon so heiter, stimmungsvoll und melodisch klingen, ist der Hintergrund des Stückes umso weniger verwunderlich. Wolfgang Amadeus Mozart stand nicht nur kurz vor seiner Hochzeit mit Konstanze Weber.
Mozarts Auftraggeber Kaiser Joseph II. forderte den Komponisten außerdem auf, ein Stück mit einem positiven Ende zu schaffen, ähnlich der zu dieser Zeit typischen französischen opéras comiques oder opere buffe, im Sinne einer sogenannten Clemenza-Dramaturgie, die die absolute Macht eines Herrschenden betont.
Humor, Freude und Heiterkeit – dank Pedrillo
Freude kommt beim Publikum im gut besuchten Großen Haus des Theaters nicht nur beim Hören der ausdrucksvoll komponierten Klänge der Geigen, Klarinetten und Flöten und aller Instrumentaleinlagen der Badischen Philharmonie auf.Humor beweist grade Pedrillo, zum Beispiel, wenn er seine Herzensdame durch den Duft einer Blume kurzfristig in Ohnmacht versetzt. Komisch entsetzt tanzt er hin zum Rand der Bühne und schöpft Wasser aus dem mit einer Plastikwanne angedeuteten Wasserlauf. Der Versuch, seine Blonde – auch hier im aufreizenden, gerüschten gelben Kleid –, zu neuem Leben zu erwecken, schlägt fehl. Erst sein mit verzweifeltem Gesichtsausdruck und leiser Stimme fast schon gehauchtes »Mach‘ was!« hin zum Dirigenten und der anschließende Aufmarsch beflügeln Blonde und sorgen für ein zustimmendes Gelächter beim Publikum. Wie schon in Programmheft und Libretto angedeutet, ist Blonde auch in der Pforzheimer Inszenierung als Feministin zu sehen, gerade dann, wenn sie Bassam Selims Liebe abweist, indem sie ihm sagt, dass Liebe und Begehren kein Muss sind oder Osmin erklärt, in welchen vorteilhaften Lebensbedingungen sich Europäerinnen statt ihrer befinden.
Alles in allem eine beeindruckende Inszenierung von Mozarts Glanzstück, wie nicht zuletzt der tosende und nicht-endend wollende Applaus des Publikums am Ende beweist.
| JENNIFER WARZECHA
Fotos: Sabine Haymann
Titelangaben
Die Entführung aus dem Serail
Singspiel in drei Akten von Wolfgang Amadeus Mozart
Musikalische Leitung: Martin Hannus
Inszenierung: Andrea Raabe
Bühne und Kostüme: Julia Schnittger
Dramaturgie: Isabelle Bischof
Weitere Aufführungen:
Samstag, 25.04.2015, 19:30