Kunsterwerb beim Atelierbesuch

Kunst | Kunst sammeln mit wenig Geld, Nr. 4 – Kunsterwerb beim Atelierbesuch

Es soll tatsächlich Sammler zeitgenössischer Kunst geben, die ihre bevorzugten Maler oder Bildhauer gar nicht selbst kennenlernen wollen. Von PETER ENGEL

Sie seien ausschließlich am Werk der von ihnen gesammelten Künstler interessiert, erklären sie ihre Einstellung, nicht an der Person des jeweiligen Schöpfers, der womöglich unsympathisch sei und so das eigene Schaffen relativiere. So eine Position ist aber denkbar selten, denn in aller Regel sind Atelierbesuche für Kunstsammler äußerst erstrebenswert.

Mehrere Motive kommen dabei zusammen, und eine mögliche Neuerwerbung steht nicht immer im Vordergrund. Es kann in jedem Fall höchst aufschlussreich sein, den Künstler in seiner eigenen Welt zu erleben, ihm sogar – wenn man Glück hat – beim Mal-Akt zuzuschauen, oder bei der sonstigen Realisation eines Werkes. Man wird im Atelier häufig ältere Arbeiten eines Künstlers vorfinden, die im Handel womöglich gar nicht präsent sind, erfährt auf diese Weise auch etwas über seinen Werdegang.

Zwar sind manche Maler und Bildhauer vertraglich an eine Galerie gebunden und dürfen demnach privat nicht günstiger eigene Werke verkaufen als ihr Galerist; das gilt allerdings nur für eine vergleichsweise kleine Gruppe von »Stars«, und auch da soll es mitunter »Regelverstöße« geben. Ein nicht ganz so gefragter Künstler wird gewöhnlich einem engagierten Sammler, der vielleicht schon Werke von ihm besitzt, preislich durchaus entgegenkommen, wenn er eine bestimmte Arbeit direkt aus dem Atelier erwerben möchte. Diesen Handel kann der Künstler umso leichter eingehen, weil er ja den Teilbetrag des Verkaufspreises, den ansonsten seine Galerie einstreicht, bei einem Privatverkauf selbst erhält. Wenn er unter dem üblichen Galeriepreis bleibt, aber über seinem gewöhnlichen Fixum, ist so ein privates Arrangement für ihn sogar lukrativ – und für den Interessenten selbstverständlich ebenfalls.

Für einen Sammler kann ein Atelierbesuch auch deshalb wünschbar sein, weil er in der Werkstatt des Künstlers nicht selten auf eine größere Auswahl von Arbeiten trifft, wie er sie in einer Galerie gar nicht zu sehen bekäme. Vielleicht auch im Hinblick auf Werke, die der Künstler aus bestimmten Gründen zurückgehalten hat, einem besonders interessierten Besucher aber zu zeigen – und zu verkaufen – bereit ist.

Tatsächlich können Ateliers äußerst unterschiedlich sein, wie eben die Künstler auch, die diese Arbeitsräume nutzen. In nicht wenigen Fällen befinden sie sich in der eigenen Wohnung, denn spezielle Werkstätten – am besten mit Oberlicht – für bildende Künstler sind eher rar und dazu teuer. Die Bandbreite von Ateliers reicht von der aufgeräumten nüchternen Werkstatt bis zu vollgestopften Rumpelkammern, in denen sich der Künstler kaum selbst auskennt. Was man aber wohl immer finden dürfte, ist eine bestimmte Stelle im Atelier, wo Kataloge oder anderes Bildmaterial aufbewahrt werden. Dafür wird sich ein engagierter Sammler, der möglichst viel über einen von ihm bevorzugten Künstler erfahren möchte, immer interessieren, und wenn er das Atelier auch nicht mit einer Neuerwerbung verlässt, dann vielleicht mit einem kleinen Bändchen, das ihm auf seine Bitte hin sicher signiert und – wenn er einen besonders glücklichen Moment erwischt – möglicherweise sogar mit einer kleinen Zeichnung »getrüffelt« wird, wie es im Fachjargon heißt.

Atelier

Man darf sich Atelierbesuche übrigens nicht so einseitig vorstellen, dass nur die Besucher als die Nehmenden erscheinen. Während es für manche Künstler lästige Pflichtaufgaben sind, wenn sie interessierten Besuchern ihr Arbeitsfeld zeigen, haben andere selbst Vergnügen an solchen Präsentationen. Besonders dann natürlich, wenn sie auf kundige Sammler treffen, die ihnen über ihre Werke nicht nur Schmeichelhaftes, sondern Sachverständiges sagen, mit denen sie also in einen Dialog eintreten können, bei dem mitunter auch kritische Akzente gesetzt werden können. Das ist manchen Künstlern durchaus willkommen, schärft vielleicht sogar die Sicht auf ihr eigenes Werk und kann so ein Gewinn sein, der nicht in Geldscheinen aufzuwiegen ist.

| PETER ENGEL

Alle Titel dieser Reihe
| Teil 1: Wie man Kunstsammler werden kann
| Teil 2: Sammeln mit Hilfe des Internets
| Teil 3: Chancen bei den kleinen Auktionshäusern
| Teil 4: Kunsterwerb beim Atelierbesuch
| Teil 5: Echtes und Falsches in der Kunst

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

High On Apfelwein Once Again

Nächster Artikel

Schräge Vögel – ganz normal

Weitere Artikel der Kategorie »Kunst«

Kirchner kehrt zurück!

Ausstellung | Kirchner im KirchnerHAUS; Aschaffenburg Er zählt zu den wichtigsten Repräsentanten des Expressionismus und gilt als einer der produktivsten, aber auch schwierigsten Künstler des 20. Jahrhunderts: Der deutsche Maler und Grafiker Ernst Ludwig Kirchner, Gründungsmitglied der Künstlergruppe ›Brücke‹, litt zeit seines Lebens unter der vermeintlich unzureichenden Anerkennung seines Schaffens. Viele seiner Werke, einige davon bislang nie ausgestellt, sind nun in seinem Geburtshaus in Aschaffenburg zu sehen. JÖRG FUCHS über ›Kirchner im KirchnerHAUS‹

»Kunst muss endlich definiert werden!«

Menschen | Kunst: Interview mit Timo Dillner (Teil I) Timo Dillner ist Künstler. Und der Meinung, die ewige Frage, was als Kunst gelte und was nicht, verdiene endlich eine klare Antwort. Im ersten Teil unseres Interviews mit dem Künstler fragt FLORIAN STURM nach dem Wesen der Kunst.

Das System der Kunst

Kulturbuch | Stefan Heidenreich: Was verspricht die Kunst

Kunstgeschichte als Institutionengeschichte. Heidenreichs populäre Diskursanalyse des Kunstsystems führt Künstler in das System ein, das sie erwartet und zeigt, wie es wurde, was es ist. Von BJÖRN VEDDER

Ein kleines Paradies

Kinderbuch | Irene Penazzi: In unserem Garten

Die Frühlingssonne lacht und es geht nach draußen in den Garten. Ein wundervolles Bilderbuch begleitet drei Kinder dabei. Von ANDREA WANNER

Easter Sunday in Harlem

Ausstellung | »Working Together: The Photographers of the Kamoinge Workshop«

Die wunderbare Ausstellung ›Working Together: The Photographers of the Kamoinge Workshop‹ im New Yorker Whitney Museum zeigte eine Perspektive afro-amerikanischer Fotografen der 1960er und 1970er Jahre. Die Bilder – voll Soul, Poesie und politischer Relevanz – beweisen: Black Photography Matters! Von SABINE MATTHES