Echtes und Falsches in der Kunst

Kunst | Kunst sammeln mit wenig Geld Nr. 5 – Echtes und Falsches in der Kunst

Wie vermehrt ein Sammler seine Kenntnisse, wie sichert er sich gegen Fälschungen? PETER ENGEL gibt Kunstinteressierten Einblicke in den Kunstmarkt und Tipps, eigene Sammlungen anzulegen.

David_Teniers_d._J TITEL kunstFür einen engagierten Kunstsammler muss es das oberste Bestreben sein, über das eigene Interessengebiet ausgezeichnet informiert zu sein, am allerbesten sogar exklusiv in bestimmten Segmenten. Um seine Kenntnisse zu mehren, kann er sich einer breiten Palette von Möglichkeiten bedienen, die von der wissenschaftlichen Fachliteratur über gute Kunstzeitschriften bis zur Tagespresse mit ihren Ausstellungsberichten reichen. Dabei schadet es nicht, wenn er gelegentlich über den eigenen Tellerrand hinaussieht und auch Kunstbereiche wahrnimmt, denen seine sammelnde Tätigkeit gar nicht gilt, denn von dort können Impulse ausgehen, die seinem eigentlichen Engagement durchaus zugutekommen.

Das intensive Studium von Veröffentlichungen über sein Spezialgebiet muss für einen Kunstsammler, der diesen Namen wirklich verdient, eine pure Selbstverständlichkeit sein. Ebenso wichtig ist aber die ständige Schulung seines Auges, die natürlich am besten an Originalen vorgenommen wird. Ein engagierter Sammler sollte also Ausstellungen und Kunstmessen besuchen, die dem Gegenstand seines Interesses gelten, er muss dafür unter Umständen auch größere Reisen in Kauf nehmen, um etwa Werke eingehend betrachten zu können, die auf anderem Wege nicht in die Öffentlichkeit gelangen. Eine Fundgrube neuer Erkenntnisse sind gewöhnlich die Kataloge, die von den großen Museen zu herausragenden Präsentationen erarbeitet werden und die den neuesten Stand der Forschung bieten, weshalb sie sich der einschlägig interessierte Sammler nicht entgehen lassen wird.

Wer sich etwa für die aktuelle Gegenwartskunst begeistert und in diesem Bereich seine Erwerbungen tätigen möchte, hat sicher auch das Bedürfnis, mit den Künstlern selbst in Kontakt zu kommen und auf direktem Wege mehr von ihrem Schaffen zu sehen und mehr darüber zu erfahren. Auch wenn ein Maler oder Bildhauer nicht übermäßig auskunftsfreudig ist, wird er in aller Regel nicht völlig abweisend sein, wenn er bei seinem Gegenüber echtes Interesse spürt, das es zu unterstützen gilt.

Sammler sind gewöhnlich Einzelgänger, was jedoch nicht heißt, dass sie dem Umgang mit Ihresgleichen grundsätzlich meiden. Das Gespräch mit Gleichgesinnten, deren Interesse auf ganz andere Werke gerichtet sein mag, kann in grundsätzlichen Fragen sehr nützlich sein und Hinweise erbringen, die man sonst nicht erlangen würde. Seit Juni 2008 gibt es für Sammler zeitgenössischer Kunst die in Berlin von Christian Schwarm gegründete internationale Plattform Independent Collectors, die den Austausch von Erfahrungen und Hintergrundwissen für Gleichgesinnte fördern will. Dem Netzwerk gehören – Stand Dezember 2016 – mehr als 5.000 Mitglieder in 97 Ländern an. Kommuniziert wird in englischer Sprache, und die Plattform ist ausdrücklich nicht für geschäftliche Aktivitäten gedacht.

Die Mitglieder können die von ihnen gesammelten Werke ins Netz stellen und ihr Sammlerprofil veröffentlichen, sie dürfen aber auch anonym und reine Beobachter des Geschehens bleiben. Die Privatsphäre und die Datensicherheit sollen in jedem Fall gewährleistet bleiben, aber persönliche Kontakte der Mitglieder untereinander sind ausdrücklich erwünscht, und es gibt auch den unmittelbaren Erfahrungstausch, wenn sich etwa Sammler aus diesem Kreise in einer bestimmten Stadt treffen oder ein Mitglied anderen seine Schätze in den privaten Räumen zeigt. Die Plattform kooperiert mit Kunstmessen und etwa auch mit der Allianz, die ein erfahrener Kunstversicherer ist und im Dezember 2016 zusammen mit Independent Collectors den Ratgeber ›Worauf Sammler achten sollten‹ herausgebracht hat. Man kann ihn kostenlos heruntergeladen.

Ein Kunstsammler mag noch so erfahren und umsichtig bei seinen Erwerbungen sein, vor Fälschungen ist er nicht ganz sicher, wenn sich selbst vermeintliche Experten täuschen lassen. Das hat unlängst wieder einmal ein Skandal gezeigt, der mit dem Namen Wolfgang Beltracchi verbunden ist. Dabei ging es um hochpreisige Gemälde etwa von Max Pechstein, Heinrich Campendonk und Max Ernst, die sämtlich in der Manier des jeweiligen Künstlers »nachempfunden« worden waren, sich mithin als Fälschungen erwiesen. Eine piekfein in Freiburg im Breisgau lebende »Dreier-Bande«, deren Haupttäter ein aufgeblasener Möchtegernmaler war, schleuste mit erheblicher krimineller Energie gefälschte Bilder vorzugsweise von deutschen Expressionisten in den dafür aufnahmebereiten Markt, kassierte dafür Millionenbeträge und düpierte auch ein renommiertes Kölner Auktionshaus gründlich. Als Nebeneffekt wurden zwei Experten für Campendonk und für Max Ernst gleich mit in den Strudel gerissen und ziemlich blamiert.

Beltracchi, der nur als »kleiner Fisch« in der langen Geschichte der Kunstfälschungen gilt, wurde zu einer mäßigen Gefängnisstrafe verurteilt und ist längst wieder ein freier Mann, versucht inzwischen, von seinem »Fall« finanziell noch ordentlich zu profitieren. Als die Sache noch so richtig frisch war, veröffentlichte der einst renommierte Rowohlt Verlag die läppische Autobiographie des Kunstfälschers und trug zum seinem fragwürdigen »Ruhm« des Mannes bei, der sich jetzt mit eigenen »Werken« wieder ins Spiel bringt, dafür sogar Händler – und was noch erstaunlicher ist – Käufer findet. Die spekulieren offenbar auf so etwas wie Zugewinn, aber mit seriöser Kunst hat das nichts zu tun.

Nach der Aufklärung des Falles scheint sich die aufgeregte Kunstwelt wieder beruhigt zu haben, aber in Wahrheit ist das Vertrauen in den angeblich seriösen Handel mindestens angekratzt, der Glaube an untrügliches Fachwissen stark erschüttert. Bei der kritischen Nachbetrachtung des Skandals zeigte sich, wie wenig sorgfältig gearbeitet worden war. Das A und O jeder Echtheitsprüfung, der lupenreine Herkunftsnachweis eines Kunstwerks, ist jedenfalls arg vernachlässigt worden. So fiel das Auktionshaus etwa auf die pure Behauptung herein, ein fragliches Werk stamme aus einer älteren Sammlung. Von der hatte allerdings noch nie jemand etwas gehört und sie hätte sich bei den notwendigen Nachforschungen schnell als Fiktion entpuppt. Die Nachfragen aber waren sträflicherweise unterblieben, der Reinfall geschah als zwangsläufige Folge.

Wenn es bei unklarer Herkunft eines Kunstwerks keine Gewissheit über seine Echtheit gibt, dann muss mit besonderem Nachdruck versucht werden, alle Indizien beizubringen, die seine wahre Natur offenbaren. Und ein Kunsthändler hat einem Kaufinteressenten lückenlos mitzuteilen, was mit Hilfe von glaubwürdigen Fachleuten über das fragliche Objekt herauszufinden war. Nur dann handelt er seriös, wenn er einem potentiellen Kunden gegenüber alle erreichbaren Informationen weitergibt und auch eventuelle eigene Zweifel nicht verschweigt. Wo gegen diese ehernen Regeln verstoßen wird wie im jüngsten Fälscherskandal, sind die Folgen gravierend – und sie ziehen den gesamten Markt mit herunter.

Der »normale« Sammler kann sich vielleicht mit der Feststellung trösten, dass der größte Fälschungsaufwand natürlich dort betrieben wird, wo mit Falsifikaten wirklich Geld zu machen ist. Es kann hingegen als eher unwahrscheinlich gelten, dass etwa Graphiken in den unteren Preissegmenten in betrügerischer Absicht »nachgemacht« werden, weil das viel zu aufwändig wäre. Ähnliches gilt für andere Sammelbereiche, die nicht so im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses stehen, aber völlig sicher vor Falsifikaten ist man in keinem Bereich des Kunstmarktes, die Wachsamkeit sollte also stets geschärft sein. Und man trifft immer einmal wieder auf die von ernsthaften Kennern geäußerte Meinung, dass selbst in unseren besten Museen die eine oder andere Fälschung hängt.

| PETER ENGEL

Alle Titel dieser Reihe
| Teil 1: Wie man Kunstsammler werden kann
| Teil 2: Sammeln mit Hilfe des Internets
| Teil 3: Chancen bei den kleinen Auktionshäusern
| Teil 4: Kunsterwerb beim Atelierbesuch
| Teil 5: Echtes und Falsches in der Kunst

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Vier Folgen à neunzig Minuten

Nächster Artikel

Das schöne Märchen vom armen Schiffbrüchigen

Weitere Artikel der Kategorie »Kunst«

Ein Hoffnungsträger der deutschen Kunst

Ausstellung | Paris im Sinn – Hommage an den Hamburger Franz Nölken Wie August Macke und Franz Marc gehörte der Hamburger Maler Franz Nölken nach 1905 zu den Hoffnungsträgern der deutschen Kunst, aber alle drei Künstler fielen im Ersten Weltkrieg und konnten ihr Werk nicht vollenden. Während aber die beiden Mitglieder des ›Blauen Reiters‹ mit ihren farbintensiven expressionistischen Bildern hierzulande zu den populärsten Künstlern überhaupt gehören, war das Nölken nicht vergönnt, sondern er ist bis heute eher ein Geheimtipp von Kennern geblieben. PETER ENGEL hat sich die wichtige Ausstellung zum Werk Franz Nölkens im Barlach-Haus in Hamburg angesehen.

Antike Kunst von elektrisierender Wucht

Ausstellung | Nok. Ein Ursprung afrikanischer Skulptur, Frankfurt/Main Im Frankfurter Liebieghaus faszinieren 2500 Jahre alte Tonfiguren aus Nigeria im Dialog mit zeitgleicher mediterraner Kunst. SABINE MATTHES über eine provokante Ausstellung.

Schrecklich – Schön

Ausstellung | ›Geschlechterkampf. Franz von Stuck bis Frida Kahlo‹

›Geschlechterkampf. Franz von Stuck bis Frida Kahlo‹. Unter diesem provokanten Titel zeigt derzeit eine große Ausstellung im Städel Museum, wie kontrovers Künstler vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts auf die sich verändernden Rollenbilder reagierten. Von PETRA KAMMANN

Beckmann mit dem ICE

Kulturbuch | Max Beckmann. Die Landschaften

Soviel Beckmann gab es noch nie! Diesem Diktum kann man nicht nur, man muss ihm gar zustimmen. SEBASTIAN KARNATZ nimmt – zumindest lesend – die Reise von Basel über Frankfurt nach Leipzig auf sich.

Easter Sunday in Harlem

Ausstellung | »Working Together: The Photographers of the Kamoinge Workshop«

Die wunderbare Ausstellung ›Working Together: The Photographers of the Kamoinge Workshop‹ im New Yorker Whitney Museum zeigte eine Perspektive afro-amerikanischer Fotografen der 1960er und 1970er Jahre. Die Bilder – voll Soul, Poesie und politischer Relevanz – beweisen: Black Photography Matters! Von SABINE MATTHES