/

Verbotene Liebe in Trance und Schlafanzug

Bühne | Shakespeares ›Tragödie von Romeo und Julia‹ im ›Thalia Theater Hamburg‹

Es ist beinahe schon ein kleines, modernes Musical, mit dem Jette Steckel Shakespeares Liebesklassiker Leben, Mystik und Musik einhaucht. Die Neuinszenierung überrascht, denn konventionell ist hier nur die Sprache. Von MONA KAMPE

Bezaubernd schön erleuchten der junge Romeo und seine Julia bei ihrer heimlichen Hochzeit in einem Himmel aus Lichterketten. Doch ihre Liebe ist verboten, da eine uralte Fehde zwischen ihren Familien herrscht. Liebestrunken taumelt die schöne Julia in einem Schlafanzug in ihre erste Liebesnacht mit Romeo. Die gute Amme weiß es und verschafft den beiden Liebenden Zeit.
Auch Bruder Lorenzo, Pater von Verona, möchte das Paar glücklich und die Familien versöhnt sehen. Julias Eltern hingegen haben die Hand ihrer Tochter dem angesehenen Paris versprochen. Als Julias Cousin Tybalt Romeo zum Duell fordert und heimtückisch Romeos Freund Mercutio verwundet, ersticht der aufgebrachte Liebende ihn und wird daraufhin aus der Stadt verbannt. Das Glück der beiden scheint hoffnungslos und Julia versinkt in tiefer Trauer.

Jette Steckel gelingt mit ihrer Neuinszenierung von Shakespeares zeitlosem Meisterdrama ›Die Tragödie von Romeo und Julia‹, im September 2014 eine beeindruckend moderne, unkonventionelle Bühneninterpretation an Hamburgs ›Thalia Theater‹ – musikalisch, theatralisch und physisch.

Zwanzig Echos tragischen Liebesleids

Neben der schlichten, mit überragenden Lichteffekten gestalteten Bühne von Florian Lösche, überzeugen vor allem Friederike Bernhardt und Jan Plewka mit Live-Gesang am Piano. Ob hippe Trance-Moves auf der Party der Capulets oder bewegende Liebesoden zur Hochzeit, die musikalischen Highlights lassen den Zuschauer in die Höhen und Tiefen der ewigen Liebe eintauchen. Unterstützt werden die beiden von einem jugendlichen Chor aus zwanzig Julias und Romeos, die die Emotionen der beiden Protagonisten physisch und melodisch untermalen – etwa mit bahnbrechend lauten E-Gitarren in der Hand.

Neben der werkgetreuen Sprache und der Handlung bleibt Shakespeares Drama jedoch wenig klassisch, denn die Inszenierung ist durchweg von modernen Überraschungen geprägt – so etwa einer Braut im Schlafanzug, einem highen Benvolio, ohrenbetäubenden Tönen, viel Qualm, unendlichen Echos, in denen Julia den Geliebten auf der berühmten Balkonszene zu sich zurückruft und einem mehr als unkonventionellen Ende.

Steckels Interpretation, die im Saarländischen Staatstheater Saarbrücken mit dem ›FAUST-Theaterpreis‹ in der Kategorie ›Regie Schauspiel‹ ausgezeichnet wurde, ist nichts für sanfte Gemüter und Liebhaber des klassischen Theaters, jedoch eine erfrischende Brise, die Leben in die immerwährende, tragische Liebegeschichte haucht und durch junge, bunte, laute und individuelle Akzente besticht. Ein besonderes Lob sei auch den Nebendarstellern Karin Neuhäuser als Amme und Pascal Houdus als Benvolio ausgesprochen, denn es sind die kleinen Irrwitzigkeiten in Dialog und Performance, die diesem Stück neben Bühnenbild und Musik Charme verleihen.

| MONA KAMPE
| FOTO: ARMIN SMAILOVIC

Titelangaben
Die Tragödie von Romeo und Julia
Thalia Theater Hamburg
Termine: 11. Dezember 2018; 07. Januar 2019, je 19:30 Uhr

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Der Dezember wird rockig

Nächster Artikel

Ausmisten

Weitere Artikel der Kategorie »Bühne«

»Ich will sterben« – Der mediale Werther

Bühne | Goethes ›Die Leiden des jungen Werthers‹ im Badischen Staatstheater Karlsruhe Werther (Seit 2012/13 im Ensemble und souverän im jugendlichen Elan: Michel Brandt) liebt und leidet − unglücklich mit dem Gefühl für die Frau eines anderen Mannes im Herzen. Von JENNIFER WARZECHA

Gottes Zorn und Menschens Recht

Bühne | Sophokles im Theater das Zimmer

Der Vorhang hebt sich endlich wieder im kleinsten Theater Hamburgs, doch die Raumgröße erlaubt pandemiebedingt nur einen Darsteller auf der Bühne. Was nun? Die Intendanz hat eine Idee. Von MONA KAMPE

Drill und Delirium

Bühne | Im Kopf von Bruno Schulz (Schauspiel Köln)   Bildung beginnt mit Muskelmasse: So lautet Lektion Numero eins für den Zuschauer, der Nicola Gründel als Lehrerin Helena Jakubowicz dabei zusieht, wie sie mit lakonischen Kommentaren und drakonischer Härte ihre Kollegen Robert Dölle und Seán McDonagh zu Höchstleistungen an Schwebebalken, Barren, Trampolin und Co. antreibt. Das Ensemble des Schauspiel Köln zeigt sich sportlich. Von JALEH OJAN

Man(n) ist sprachlos

Bühne | Bodyrule im Hamburger Sprechwerk Übergriffigkeit, Schweigen, Schuld. Die MeToo-Debatte hat viel aufgewirbelt – doch nicht genug. Das weiß man(n), wenn man das neue Stück von Denise Stellmann sieht. Ein persönlicher Eindruck von MONA KAMPE

Rocky aus der Röhre!

Theater | Richard O’Brien’s THE ROCKY HORROR SHOW – Deutsches Theater Göttingen Neben den ganzen erwartungsvollen und schon beim Ersten Klingeln vor Begeisterung zitternden Menschen in der Lobby, musste ich beinahe kühl oder reserviert wirken. Vielleicht lag es daran, dass ich zwar gerne ins Theater ging, aber noch nie The Rocky Horror Show gesehen hatte. Es war mein erstes Mal. So wie bei den meisten ersten Mals konnte man unmöglich wissen, was passieren würde. Und am Ende kam dann sowieso alles anders. Von SVEN GERNAND