Roman | James Rayburn: Fake
Unter dem Pseudonym James Rayburn schreibt der erfolgreiche Thrillerautor Roger Smith (geb. 1960 in Johannesburg) seit ein paar Jahren Agentenromane. Fake ist – nach Sie werden dich finden (2016) – der zweite Ausflug des auch hierzulande mit seinen knallharten Büchern über das Postapartheid-Südafrika bekannt gewordenen Autors in jenes Genre, dessen Spannweite sich mit den Namen James Bond und George Smiley ausmessen lässt. Von DIETMAR JACOBSEN
Dabei tendiert Rayburn/Smith mehr zur Methode Bond, setzt auf Spannung und Action, exotische Schauplätze und taffe Helden – Männer wie Pete Town, den Ex-CIA-Agenten, der den wegen des Todes einer amerikanischen Geisel scheiternden Nahost-Friedenspozess mit einer raffiniert geplanten Vertuschungsaktion retten soll.
Eigentlich ist Pete Town schon pensioniert. Der ehemalige, in Afghanistan verwundete CIA-Mann lebt mit seiner Frau Ann, einer erfolgreichen Fotografin, recht zufrieden in Brooklyn und hat »keine Lust mehr auf verbrannte Erde, Falschmeldungen und Kriege, die nicht zu gewinnen sind«. Doch als ein ungenehmigter Drohnenangriff in Rakka nicht nur den IS-Chefprogagandisten Ahmed Assir trifft, sondern – als Kollateralschaden – auch die amerikanische Geisel Catherine Finch tötet, muss er noch einmal ran.
YouTube-Star mit Billigung des IS
Denn Finch, die als freiwillige Ärztin einst nach Syrien gekommen war und, nachdem Rakka in die Hände des IS fiel, nicht mehr rechtzeitig von dort wegkam, ist in den vier Jahren ihrer Geiselhaft mit Billigung des IS zu einem YouTube-Star geworden. In regelmäßigen Abständen gestatten ihr die Dschihadisten, Videos aufzunehmen, in denen sie gegen die Scharia und die Unterdrückung der Frau argumentieren darf, wenn sie sich gleichzeitig auch kritisch mit dem Vorgehen der USA in der Region auseinandersetzt, willkürliche Drohnenangriffe brandmarkt und die Verflechtungen zwischen US-amerikanischer Politik und multinationalen Rüstungskonzernen, die sich am tausendfachen Sterben im Nahen Osten hemmungslos bereichern, offenlegt.
Dass sie selbst nun ein Opfer der Kriegsstrategie ihres Heimatlandes geworden ist, schwächt natürlich dessen Position in den ohnehin schwierigen Friedensverhandlungen, mit denen der scheidende US-Präsident in seinem letzten Jahr an der Spitze des Staates noch eine geschichtliche Großtat ins Werk setzen will, etwas, das seiner Amtszeit und seinem Namen Glanz und Ewigkeit verleihen soll. Oder um es mit den Worten des Mannes zu sagen, der Town zurück ins Agentengeschäft beordert: »Dass wir Catherine Finch getötet haben, setzt sozusagen den Olivenzweig in Brand und grillt die kleine weiße Taube.«
Böses mit Bösem verhindern?
Und so begibt sich Rayburns Held nach Los Angeles, um in der Nähe Hollywoods – und bald auch mit der Unterstützung einer der vielen Möchtegern-Schauspielerinnen, die meist vergebens auf ihre große Chance lauern und für eine noch so kleine Rolle alles zu tun bereit sind – an Catherine Finchs Wiederauferstehung zu arbeiten. Denn eines hat er schnell erkannt: Er braucht eine Frau, die den Drohnenangriff überlebt hat, ein Friedenssymbol, das zwar schwer verwundet sein darf, aber auf keinen Fall tot.
Was Town nicht ahnt: Es gibt auch Kräfte, die durchaus nicht daran interessiert sind, dass der YouTube-Friedensengel wieder auftaucht. Und die sorgen dafür, dass spätestens in der zweiten Hälfte des Romans die Fetzen richtig fliegen und am Ende kaum mehr jemand unbeschadet bleibt. Nicht Pete Town, dessen Frau, deren KGB-Vergangenheit seine Auftraggeber irgendwann als Druckmittel gegen ihn einsetzen, sich kurz entschlossen von ihm scheiden lässt. Nicht die Finchs – Catherine und ihr kalifornischer Ehemann Richard, ein gescheiterter Schriftsteller, den das Schicksal seiner Frau nur insofern interessiert, als er es für den eigenen Ruhm auszubeuten hofft. Und schon gar nicht all jene – gelegentlich wirklich ein wenig an überzeichnete Bondschurken erinnernde – skrupellosen Killer wie der schon aus Rayburns Vorgängerroman Sie werden dich finden bekannte Dudley Morse, den ein Washingtoner Waffenlobbyist eiskalt für seine Zwecke morden lässt.
Fakenews
Fake ist ein raffiniert gebauter Thriller, der – bei allen Übertreibungen im Einzelnen – gar nicht so weit weg ist von den Wahrheiten unserer Tage. Fakenews – 2016 zum »Anglizismus des Jahres« gewählt – ist ein Lieblingswort des derzeitigen amerikanischen Präsidenten. Von seiner ersten Pressekonferenz an benutzte er es als Waffe gegen eine kritisch mit ihm umgehende freie Presse und den Gegenwind aus den eigenen Reihen. Fakenews waren es auch, die George W. Bush 2003 bewogen, den Krieg gegen Saddam Husseins Irak zu beginnen.
Und obwohl im Zeitalter von Internet, sozialen Medien und Gläsernem Menschen jede noch so kleine Ecke der Bühne Welt bestens ausgeleuchtet zu sein scheint, sorgen geschickt platzierte Falschmeldungen und dreiste Lügen immer wieder für Verwirrung. Dieses Klima einer sich auf Unwahrheiten stützenden Politik und der sich daraus ergebenden fatalen Folgen gibt James Rayburns Thriller akkurat wieder. Und zieht seinen Plot dabei so unwiderstehlich spannend auf, dass man ihm einfach bis zum bitteren Ende folgen muss.
Titelangaben
James Rayburn: Fake
Aus dem Englischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann
Stuttgart: Tropen 2018
383 Seiten, 16,95 Euro
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