/

Zurück in die 80er

Bühne | Musical: Rock of Ages

›Rock of Ages‹ ist laut, nostalgisch und frech. Welches Kind der 80er Jahre hätte jemals gedacht, dass dieser Zeit einmal ein musikalisches Denkmal gesetzt wird? Wer hätte sich träumen lassen, dass eine handylose Ära tatsächlich eine reizvolle Zeit war?
ANNA NOAH fragt sich, ob die gezeigte Sehnsucht real ist.

»I want to rock!«

Das Musical ›Rock of Ages‹ wurde 2009 am Broadway uraufgeführt und lief über fünf Jahre. Es bekam Nominierungen für fünf ›Tony Awards‹ und 2012 entstand eine Filmadaption mit Tom Cruise und Catherine Zeta-Jones. Das Buch stammt von Chris D’Arienzo und die Songs von Bon Jovi, Pat Benatar, Journey, Poison, Whitesnake und Twisted Sister sowie anderen klassischen Rockbands.

rock-of-ages-foto-04-credit-richard-davenport

Wie bereits in Der Dezember wird rockig beschrieben, handelt die Geschichte am Sunset Strip, 1987. Der Zuschauer bekommt von Anfang an die volle Dröhnung Glamour, Sex, Drugs und Rock ’n’ Roll.

Mittendrin bemerkt der Zuschauer kaum noch, dass er den Blick in die Vergangenheit richtet.

Beide Protagonisten wollen wissen, was Liebe ist und sind auf dem Weg, sie im jeweils anderen zu finden. Doch ein egomanischer Rockstar, eine Pole-Dance-Clubbesitzerin sowie zwei deutsche Entwickler, die den Strip neu bebauen wollen, machen ihnen und dem Rockclub Bourbon Room das Leben schwer. Der Bourbon Room wird vor den Augen des Publikums zu einem schäbigen Strip-Rock-Veranstaltungsort.

Von der ersten Minute an ist es eine rasante, energiegeladene, glitzernde Performance. Ungefähr 18 Darsteller und eine Live-Band der Extraklasse lassen mit ihren kraftvollen Stimmen und sitzenden Gitarrenriffs nahezu den Boden vibrieren.

Das Feeling der 80er

Es ist nicht nur ein akustischer, sondern auch ein visueller Genuss. Die Szene verwandelt sich permanent, sie ist eine Art Multi-Form-Raum. Die fünfköpfige Band spielt auf einem extra beweglichen Podium. Das auffällige Beleuchtungsdesign macht ein Konzertfeeling, fast wie im Stadion. Alles ist beweglich, der vorhandene Raum wird wunderbar ausgenutzt. Choreografien sind aufs i-Tüpfelchen abgestimmt und machen sehr viel Spaß!

Neben Stirnbändern, engen Jeans, funkelnden Kleidern sowie Lederjacken gibt es auch extrem auffälligen Lidschatten, 80er-Jahre-Frisuren und natürlich den Schnurrbart.
Ein absoluter Höhepunkte der Performance ist der Erzähler Lonny, der die Geschichte in Schwung hält und dabei das Publikum fachkundig mit einbezieht. Seine subtilen Gesichtsausdrücke und das generell brilliante Auftreten sind eine Nummer für sich. Er hat eine wichtige Aufgabe, denn er ist es, der alle Teile der Show irgendwie zusammenhält.
Nicht zu vergessen: der Rockstar Stacee Jaxx, der sich selbst als Karikatur darstellt – eines außergewöhnlichen Darstellers würdig.

»I’m not gay, I’m just German.«

Es gibt viele Geschichten innerhalb der Hauptgeschichte, wie z. B. die der zwei Deutschen Stadtplaner. Der Vater hat seinen Sohn unter der väterlichen Fuchtel. Bis sich dieser aus seinen Klauen windet und er selbst wird – einschließlich Regenbogentanzchoreographie.
Öfter bekommt es der Zuschauer mit purer Lust, schlechtem Benehmen und Exzessen, vor allem durch Stacee Jaxx zu tun. Die eigentlichen Hauptdarsteller Drew und Sherrie harmonieren und singen kraftvoll, werden aber erst später richtig auf der Bühne präsent.

Es gibt so viel zu bewundern und zu genießen, was dieses beeindruckende Ensemble hervorbringt. Mittendrin bemerkt der Zuschauer kaum noch, dass er den Blick in die Vergangenheit richtet. Daher sollte jeder die Gelegenheit nutzen, sich diese Darbietung anzusehen. Am Ende hält es vor Begeisterung niemanden auf seinem Platz!

| ANNA NOAH
| Foto: RICHARD DAVENPORT

Showangaben
Rock of Ages (BB Promotion)
Cast: Drew – Luke Walsh; Sherrie – Jodie Steele
Stacee Jaxx – Sam Ferriday; Lonny – Lucas Rush
Buch: Chris D’Arienzo

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Frische Frauenpower mit Sektwelle

Nächster Artikel

Wird das Feuer neu entfacht?

Weitere Artikel der Kategorie »Bühne«

Das Schicksal am Nil nimmt seinen Lauf

Bühne | Show: Aida – Das Arena-Opern-Event 2024

Giuseppe Verdis Oper ›Aida‹ wurde 1871 erstmals in Kairo aufgeführt. Das moderne Arena-Opern-Event von Regisseurin Rian van Holland zeichnet dieses Ereignis nach: Ägypten soll gespürt werden – von Anfang an. Bereits bevor es losging, hörte man in der Arena Vogelrufe, ein Adler zog seine Kreise auf einer Projektionsfläche. Das Besondere: Die Handlung fand nicht nur auf der Bühne statt, sondern im gesamten Innenraum, zwischen den Besuchenden. ANNA NOAH freut sich auf das Spektakel.

Heavy-Metal aus dem Schützengraben

Bühne | Konzert: Sabaton Keine andere Metalband ist als komplexe Maschinerie so gut geölt wie Sabaton. Sie liefern neben ihrem (Aufklärungs-)Metal nicht nur eine passende (Kriegs-)Show, sondern gehen auch herzlich auf die Fans ein. ANNA NOAH wurde nicht enttäuscht.

Was ist der »ideale Mann«?

Bühne | Oscar Wilde / Elfriede Jelinek: Der Ideale Mann

Interaktion mit dem Publikum steht bei dieser Vorstellung ganz klar im Vordergrund. Das erfährt man zu Beginn der Vorstellung von »Der ideale Mann« am Badischen Staatstheater Karlsruhe. Leonard Dick glänzt als Mason & Phipps und führt das Publikum im fast bis auf den letzten Platz besetzten Kleinen Haus zum Thema hin. Von JENNIFER WARZECHA

Im Alten verharren oder das Neue wagen?

Live | Theater: ›Der zerbrochne Krug‹ Am Ende löst sie die Situation und damit auch die Situationskomik: Eve (ausdrucksstark und rhetorisch gewandt: Steffi Baur) gibt ihrem Verlobten Ruprecht (situationsbedingt kleinbübisch und zurückhaltend: Clemens Ansorg), dessen Vertrauen sie am Ende des Stückes nicht mehr sicher ist, das Verlobungskettchen zurück. Damit widersprechen sie und der Ausgang der Handlung der der klassischen Komödie nach Aristoteles. Nach dieser hätte sich das Pärchen am Ende von Heinrich Kleists (1777-1811) Lustspiel ›Der zerbrochne Krug‹ glücklich und zufrieden in Hochzeit und Hochzeitsreise gewogen. Von JENNIFER WARZECHA

Das verfaulte Spiegelbild des Sozialen

Bühne | Zombie1_eine Schreckensbilanz Zombies gelten als das Lumpenproletariat des Horror-Genres – nicht so elegant, erotisch und aristokratisch wie Vampire – und in ihren Bedürfnissen wesentlich primitiver orientiert. Denn der Zombie strebt schlicht nach Menschenfleisch, primär Hirnmasse. Vielleicht auch, weil diesem Untoten die Eigenschaft des menschlichen Denkens abhandenkam. Das treibt ihn in die Peripherie der Gesellschaft, und sein fehlendes Bewusstsein macht ihn dazu noch völlig kritikunfähig. Von PHILIP J. DINGELDEY