Licht und Schatten, hell und dunkel, porträtiert in aller Schönheit, in jedem Alter, jeder nur denkbaren Pose: die Labormaus. 96 Seiten, die zu einer gefühlvollen Hommage an jene kleinen Wesen wird, die uns Menschen so verflixt und ungeahnt ähnlich sind. Von BARBARA WEGMANN
Heidi und Jürgen Koch haben ein sehr talentiertes Händchen dafür, Themen mehrschichtig fotografisch darzustellen. Sie studierte Sozialarbeit, er Verhaltensforschung, irgendwann widmeten sie sich beide »nur« noch der Fotografie, mit großem Erfolg. So ist dieser Bildband nicht nur eine Aneinanderreihung exzellenter Fotografien jener kleinen Lebewesen, die ihr kurzes Dasein in den Laboratorien dieser Welt fristen. Die Bilder, verknüpft mit einer sehr informativen und detailreichen Einführung, regen schnell zum Nachdenken an, zur Auseinandersetzung mit dem Thema Laborversuche mit Tieren.
›Thank You, Mouse!‹ Das ist ein »Denkmal« für den kleinen Winzling, der mit »Abstand das Gros aller Versuchstiere« stellt, ein »effizientes Forschungswerkzeug« ist. Millionen Mäuse werden gezüchtet, als Ware verschickt in alle Welt, schließlich teilen Mensch und Maus etwa »95 bis 98 Prozent ihres Genoms«. »Die Probanden sind klein, billig zu halten, leicht zu handhaben und vor allem – sie vermehren sich prächtig.«
Von der Züchtung von Farbmäusen berichten die Autoren, in England, eine »beliebte Freizeitbeschäftigung« im 19. Jahrhundert. Sie führte zur Gründung des ersten ›National Mouse Clubs‹, der ein Auge auf die Regeln und Standards der Zucht werfen sollte. Im 20. Jahrhundert züchtete eine ehemalige Grundschullehrerin in Amerika Mäuse, ein Unterfangen, das nicht nur schnell beachtlich wuchs, sondern auch über viele Kontakte zu Wissenschaftlern schließlich nach Harvard führte. Dort begann Clarence Cook Little, den man dann den »Mouse-Man« nannte, zig Generationen von Mäusen in Inzucht zu verpaaren. »Die produzierten Nachkommen sind zu 99 Prozent genetisch identisch. Die moderne Labormaus ist geboren.«
Heute klingen Forschungsmöglichkeiten mit Mäusen, die Ziele der Wissenschaftler im Kampf gegen Krankheiten, wie aus einem Science-Fiction-Roman. »Das Potential ist schwindelerregend. Für Enthusiasten ist es der Heilige Gral, für Apokalyptiker die Büchse der Pandora.« Die Maus, so schreiben die beiden Autoren, habe nie eine Wahl gehabt, der Mensch jedoch koppele sein Schicksal an das der Mäuse.
Die Einführung wie gesagt, sehr inhaltsreich, sie motiviert schnell dazu, sich vielleicht weitergehend mit der Geschichte der Labormäuse zu beschäftigen, die Bilder, die den wunderbaren, den so speziellen Bildband ausmachen, sie gehen mit all diesen Informationen natürlich ganz automatisch und selbstverständlich an Herz und Nieren, machen ohne jedes weitere Wort klar, es sind einzigartige Tiere, Geschöpfe, die als »anonyme Masse Tiermaterial« auf den Arbeitstischen der Labore landen. Nach diesen Fotografien aber sind sie gar nicht mehr so anonym. Sie erhalten – und das war die Absicht der beiden Fotografen – »ihre Individualität und Persönlichkeit zurück«.
Heidi und Hans-Jürgen Koch haben übrigens auch über die Geschichte der Büffel einen ebenso großartigen Bildband herausgebracht und ein anderes Buch, ›Animal Affairs‹ begeistert ebenso durch eine Foto- und Text-Präsentation, in der Worte dem Bild eine ganz neue Ebene geben, so wie hier: Ein Denkmal für die »kleinen Helden« und, wie die Autoren meinen, es sei Zeit, danke zu sagen.«
Titelangaben
Heidi u. Hans-Jürgen Koch Thank You, Mouse!
A-Baden: Edition Lammerhuber 2020
96 Seiten, 39, 90 Euro
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