Kleiner Weltuntergang

Lyrik | Peter Engel: Gedichte

Spiegelungen, Ablagerungen

Mit der Hand schließe ich mich kurz
beim Schreiben, lasse den Wortstrom
fließen durch mich hindurch,
damit er mich genau ausdrückt,
meine verschiedenen Stimmungen
zwischen heiter und bedeckt,
wie sie der Himmel mir vormacht.

 

Eine Spiegelung also,
ein Bild mit Worten gemalt
in den Farben meiner Sprache,
gemischte Spektralereignisse,
unrein wie sie der Tag bringt
mit seinen dunklen Schmutzschichten,
den Ablagerungen der Jahre.

Kleiner Weltuntergang

 

Aus den Leitungen braune Brühe,
Stromausfall im Sanitärbereich
und ein blinder Fleck im Spiegel,
die Heizung arbeitet nur matt,
die Butter scheint ranzig zu sein.

 

Das umgewehte Rad vorm Haus,
wild flattert die schwarze Hülle,
auf dem Balkon der gepeitschte Strauch,
kein Loch im verhängten Himmel,
nur sein einheitlich grauses Grau.

 

Kein Anruf von niemand, kein Signal
zur eingetretenen Lage,
sondern nur ein fataler Geruch
im Treppenhaus, beinahe brandig,
doch der Feuermelder springt nicht an.

 

Vielleicht alles ohne Bedeutung
oder die Nachricht ist nicht
durchgedrungen, hängt irgendwo fest,
es gibt also noch Aufschub,
eh‘ alles wirklich zusammenbricht.

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Eintauchen in Abenteuer und Geschichte

Nächster Artikel

Maschinen-Wesen

Weitere Artikel der Kategorie »Lyrik«

Geschlechtertrennung

Lyrik | Vierzeiler der Woche – von Michael Ebmeyer Das Fräulein steht am Meere das Männlein steht im Wald da kommen in die Quere die zwei sich nicht so bald  

Kurs Süden

Lyrik | Peter Engel: Zwei Gedichte Kurs Süden Eine Handbreit steht die Sonne mittags neben dem Fensterkreuz, zeigt mir den Süden an,

Offenes Gewässer

Lyrik | Christian Saalberg: Vor dem Portal VOR DEM PORTAL sitzen Bettler mit ausgestreckten       Händen, die sie langsam sinken lassen. Vorsichtig steigen die Vögel von den Bäumen, eine       Laterne in der Hand, um nicht zu stolpern. So kann es einem ergehen, wenn man jeden Morgen       das Haus durch die falsche Tür verläßt.

In Tuwa / Insektendompteur

Lyrik | Anette Hagemann: Gedichte In Tuwa Zwei Straßen nur führen nach Kysyl, und es reiten dort die Jungen und die Alten einhändig auf den Pferden: Als geschmeidige Zentauren bewegen sie sich durch die Steppe, die so weit ist, wie die Gesänge kehlig klingen und der Blick mancher Augen ins Unabsehbare geht – umgeben von Falten, verschmitzt, wie geschnitzt, genauso wie die Seen hier von Zweigen und Strauchwerk umgeben sind. Und manchmal gurren die Kamelkälber am helllichten Tag wie geschwätzige Uhus und in der Hauptstadt gründen die Schamanen Gemeinschaftspraxen