Nicht nur zur Weihnachtszeit sind Bücher über Kochen und Essen beliebte Präsente. BARABARA WEGMANN hat sich drei aktuelle Bücher angesehen.
Den Fisch mit anderen Augen zu sehen, zu erkennen, dass er weitaus mehr sei, als die Summe seiner Filets, das ist Josh Nilands leidenschaftliches Anliegen. Aus dieser Leidenschaft des australischen Chefkochs und Restaurantbesitzers ist ein absolut besonderes Kochbuch entstanden. Kann man es überhaupt so einfach »Kochbuch« nennen? stellt es vor.
»Meine Mission ist es, dem ganzen Fisch Begehrlichkeit zu verleihen. Es ist nachlässig, ignorant und einfach lächerlich, dass auf der ganzen Welt mehr als die Hälfte der Fische in den Mülleimer geworfen wird.«
Das sind sehr deutliche Worte und ganz ehrlich? Darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht. Aber es macht nachdenklich, wenn die ganz einfache Rechnung aufgemacht wird. Bei der herkömmlichen Fischzubereitung erreicht man eine Verwertungsquote von etwa 50 Prozent. »Das heißt, die andere Hälfte des Fisches landet- traurig aber wahr- im Müll.« Da spätestens ist die Aufmerksamkeit für Buch und Thema plötzlich hellwach. Millionen Tonnen Fisch könnten jährlich mehr zur Verfügung stehen, Fangquoten könnten reduziert werden, oder aber mehr Menschen mit gesundem Fisch versorgt werden, weltweit, Ozeane und ihre fischigen Bewohner könnten sich erholen. Das sind Thesen, die gewagt sind, aber voller Spannung und Potential stecken. So ist das Buch nicht nur voller Rezepte, sondern da ist eine unüberhörbare Botschaft, die eines zum Ziel hat: Den Fisch mehr wertzuschätzen und alle Teile »nachhaltig zu verwerten.«
Was sofort ins Auge fällt, das sind die Fotografien, die das Anliegen des Autors klar verdeutlichen: Ein Fisch hat deutlich mehr zu bieten als jene köstlichen Filets zwischen Schwanz und Kiemen. Plakativ, ohne große Schnörkel werden die Fisch-Köstlichkeiten in Großformat präsentiert.
Das übrige Layout des Buches passt sich diesem Stil an, große Kapitelzahlen, knallige Farben für die jeweils neuen Abschnitte, viel informativer Hintergrund, in Form von lesenswerten Texten zu der jeweiligen Fischsorte, leider, es ist aber auch wirklich der einzige Hauch an Kritik- leider etwas klein geschrieben und monoton gesetzte Beschreibungen der Rezepte, zwar sehr, sehr ausführlich, aber schon eine kleine optische Herausforderung während der Arbeit am zum Beispiel Wrackbarsch-Kragen-Burger mit scharfer Tamarindensauce. Das Wort »Lecker« wäre eine unverzeihliche Untertreibung! Aber gerade der Zackenbarsch, so der internationale Starkoch und Bestsellerautor, sei kein alltäglicher Speisefisch, aber wunderbar. »Von den Filets über den Kopf, die Augen, die Knochen, die Leber, die Nieren, das Herz, den Rogen, den Magen bis hin zum Darm hat jeder Teil dieses imposanten Fisches großes Potential.« Na, das klingt doch nach kulinarischer Herausforderung.
Da wäre »Panierter Petersfischmagen mit weißem und Sichuanpfeffer im Angebot. Genau das richtige Rezept, wie Niland schreibt, um Fischessern die Angst vor der Konsistenz und dem Aussehen von Fischinnereien zu nehmen. Laut appetitlichem Großfoto zaubert der Profi-Koch »knusprig frittierte Leckerbissen … springen sie einfach über ihren Schatten und geben sie dieser unterschätzten Zutat eine Chance.« Und da wäre mein Favorit: »Spanische Makrele mit Ratatouille-Röllchen«. Aromen, die sich, wie es heißt, perfekt ergänzten.
Wenn Sie dieses Buch über den Fisch im Ganzen, im Speziellen, im Einzelnen und Besonderen durchgearbeitet haben, sei dies garantiert: Sie werden den Fisch mit anderen Augen sehen. Selbst wenn sie die zum Teil wirklich gehobenen Rezepte umgehen, sich an den etwas – aber eben auch vorhandenen – einfacheren Rezepten versuchen, sie werden über Fisch eine Menge lernen, und das auf unterhaltsame und sehr einleuchtende Art und Weise, versprochen. Und eben auch ehrlich: »Ich will mich hier nicht als Captain Planet, der unermüdliche Kämpfer für die Rettung der Erde aufspielen, und ich will auch nicht sagen, dass Sie ab jetzt jeden Fisch bis auf die Gräten verputzen müssen, aber das Thema ist wirklich wichtig und die Zeit drängt: Es ist mehr als überfällig, endlich darüber nachzudenken, dass es nicht normal sein kann, dass die Hälfte des gesamten Fischfangs im Müll landet.« Wo Josh Niland recht hat, hat er recht.
Ein Kochbuch, ja, auf jeden Fall, ein wunderbares, zugleich lehrreiches Buch über den Fisch generell, ja, auch auf jeden Fall, ästhetisch und appetitlich, voller Leidenschaft. Und ein Buch zum Nachdenken, denn der Fisch ist die eine Sache, und wer beginnt, darüber nachzudenken, der ist auch schnell bei vielen weitere Ressourcen, mit denen man sorgsamer und sparsamer umgehen kann.
Ok, es macht etwas Mühe, man muss etwas Zeit investieren, aber jede Wette: Mit etwas Selbstgemachtem, einem Präsent aus der Küche in Glas, Karaffe oder Geschenktüte, da freut sich jeder.
Anlässe gibt es nun wahrlich genug: Geburtstage, Einladungen, zu denen man etwas mitnehmen möchte, oder eben auch zu den ganz großen Festen wie Weihnachten oder Ostern, ein kleines Mitbringsel oder Geschenk ist die Regel und macht nicht nur dem Beschenkten Freude. Kulinarische Köstlichkeiten, herzhaft oder süß, flüssig oder fest, die sind da etwas ganz Besonderes.
Auf gut 250 Seiten präsentieren Autorin und Fotograf, beide Profis in der Food-Branche, rund 100 kreative Ideen. Alles wird ausführlich beschrieben, es gibt Anleitungen, Zubereitungszeiten, Mengenangaben und den Text, der aufs Etikett gehört. Alles gehört dazu, natürlich auch ein verführerisches Foto. Marcin Jucha weiß, was er wie in köstliche Szene setzt, schließlich wurde er 2016 zum Food-Fotografen des Jahres gekürt. Und verraten sei: Das Angebot reicht von ganz einfach bis hin zu, na ja, doch schon etwas kniffliger.
Also, auf Gelee, eingelegte Früchte oder Säfte wäre ich auch gekommen. Zitronenmarmelade, Champagnergelee oder Spekulatius-Spread, Lavendel-Walnuss-Honig, Artischocken-Creme oder ein Trüffel-Petersilien-Pesto – alles Beispiele aus der Rubrik »Aufstriche, Pasten, Saucen und Konfitüren«. Vielleicht noch ein hübsches Geschenkband oder eine Abdeckung aus Stoff, fertig ist das Mitbringsel aus heimischer Produktion. Und die mutet garantiert an, als stamme sie aus einem edlen Delikatessenladen.
Blättern wir nun weiter, durchstöbern die Rubriken »Auf Vorrat«, »Gewürze und Würzmischungen«, »Getränke« und schließlich »Herzhaftes mit Fisch und Fleisch«. Hier begeistern die schon anspruchsvolleren Mitbringsel, ein wenig kreatives Können und Geschick sind gefragt. Nicht jedermanns Geschmack mag ein geräuchertes Schweinefilet sein, aber bei »Gebeiztem Entenschinken mit Datteln« oder einer selbst gemachten Bolognesesauce kommt Appetit auf, oder? Rindergulasch oder eingelegte Gewürzheringe, vielleicht ja auch ein Forellenaufstrich gäbe es auch im Angebot. Und viel, viel mehr. Und wem nicht so sehr nach Herzhaftem ist, nun, der wird auch in der Rubrik Trüffel, Pralinen und Bonbons fündig.
Das Tolle an dem Buch: es gibt diverse Rezepte aus der nicht alltäglichen Schublade. Zum Beispiel den Espressopfeffer, schwarze Pfefferkörner, Szechuan-Pfeffer, Kakaonibs und Espressobohnen. Das Ganze schmeckt, so heißt es hervorragend zu dunklem Fleisch und würzigen Käsesorten.
Von der »BIBEL der köstlichen Präsente« zu sprechen ist vielleicht etwas hoch gegriffen, dennoch erfüllen die angebotenen Mitbringsel aus einer Küche tatsächlich höchste Ansprüche. Individuell, ohne eine Quittung aus dem Laden und mit viel Herz verschenkt.
Kulinarische Genießer und Märchenfans kommen hier in diesem Kochbuch gleichermaßen auf ihre Kosten. Es war einmal… Und es sind die Geschichten der Gebrüder Grimm, die die Fantasie des Autors derart beflügelten, dass er 99 Rezepte mit »magischen Erzählungen« kombinierte.
Ich mache es kurz: was für eine bezaubernde Idee: Märchenhaftes mit Schmackhaftem zu verbinden, tief in die Märchenwelt zu steigen und sich inspirieren zu lassen. Rezepte, deren Zutaten einen wundervollen, im wahrsten Sinne des Wortes fabelhaften Rahmen erhalten. Aber: da ist auch ein durchaus ernster Hintergrund.
Klare Sache, »Hänsel und Gretel« fallen einem sofort ein: »Eines der bildkräftigsten Motive in »Hänsel und Gretel« ist die Brotkrumenspur.« Die Eltern sind bettelarm, wollen die Kinder im Wald aussetzen. Hänsel streut Brotkrumen auf den Weg, um wieder nach Hause zu finden. »Als der Mond kam, machten sie sich auf, aber sie fanden keine Bröcklein mehr, denn die vieltausend Vögel, die im Walde und im Felde umherfliegen, die hatten sie weggepickt.« Wer kennt es nicht, dieses Märchen. Der Rat von Schriftsteller, Dichter und Herausgeber Robert Tuesley Anderson: »Viel besser wäre es gewesen, die Brotkrumen als Belag für dieses köstliche Gratin zu verwenden, um den Heißhunger zu stillen.« Das Rezept Lauch-Hähnchen-Gratin mit Bröselkruste ist denn auch an dieses Märchen angelehnt.
Gegen Ende des Buches gibt es natürlich, das darf nicht fehlen, das Rezept für ein Lebkuchenhaus. Vor dem Hintergrund der großen Hungersnot, so Anderson, stelle das Lebkuchenhaus einen Traum, ja eine Halluzination des Überflusses dar. »Natürlich verwandelt sich dieser Traum bald in einen Albtraum und das Lebkuchenhaus ist ein Haus des Schreckens- die Behausung einer Kannibalenhexe.«
Dann wäre da eine absolut dringende Frage: als der Prinz Dornröschen wach küsst und der ganze Hofstaat erwacht, eben auch der Koch, da müssten eigentlich nach der langen Zeit alle am Hof großen Hunger haben. Was aber wird der Koch als erstes Gericht zubereitet haben? Vielleicht ja panierte, gefüllte Hähnchenbrustfilets. Wer weiß, aber gern folgt man Andersons Fantasie.
Einige Kartoffelgerichte faßt Anderson vor dem Hintergrund des Märchens ‚Der Meisterdieb‘ zusammen. Der Sohn taucht unerkannt im Haus seiner Eltern auf und verlangt nach dem Kartoffelgericht seiner Mutter. Er war ein Taugenichts, als er das Haus verließ. Jetzt hat er Reichtum durch ein Leben als Dieb erworbene und tritt auf wie ein Adliger.« Süßkartoffeln mit Honig und Ingwer oder Gratin Dauphinois, Kartoffelstampf mit Senf und Petersilie oder Knoblauchkartoffeln, Potato Skins mit Guacamole oder Kartoffelknödel: Es sind einfache Rezepte, ausführlich erklärt mit übersichtlichen Zutatenlisten. Ob es der Käse aus dem »Tapferen Schneiderlein« ist, eine ganz besondere Suppe aus »Allerleirauh«, der Wunsch nach Brot aus »Der Arme und der Reiche« oder Speck aus dem Märchen »Der gescheite Hans«, Anderson verknüpft mit vielen Rezepten und unterhaltsamen sowie hintergründigen Texten Märchen und Essen.
Und Essen, das machen die Märchen klar, es spielte in der damaligen Zeit eine arg wichtige Rolle. »Die Protagonisten in den Märchen sind oft hungrig und arm. Sie müssen, um in einer feindseligen Welt zu überleben, in der alles gegen sie gerichtet zu sein scheint, ihren Verstand schärfen.« Die Märchen der Grimmschen Sammlung, so bilanziert der Autor, wurzelten in Zeiten, in denen ein gefüllter Magen alles andere als eine Selbstverständlichkeit war. Kein Wunder, dass Zaubertische und magische Kochtöpfe, die nie leer wurden, so faszinierten.
Die 99 Rezepte bleiben ebenso bodenständig wie die Märchenkost, Salate, Gemüse, Aufläufe, Braten und Gebäck sind einfach zubereitet und vor allem auch preiswert von den Zutaten.
Beim nächsten Lesen oder Vorlesen einer Erzählung, das sei garantiert nach der Lektüre dieses hübschen und ideenreichen Buches, wird man die Verpflegungslage der Märchenfiguren mit ganz besonderer Aufmerksamkeit verfolgen.
Titelangaben
Josh Niland: Man nehme einen Fisch
Neue Rezepte von der Flosse bis zur Kieme
Fotografien von Rob Palmer
Prestel Verlag
272 Seiten, 38 Euro
| Leseprobe
| Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander
Susann Kreihe (Autorin)/ Marcin Jucha(Fotograf): Food Manufaktur
Die Bibel der köstlichen Präsente
München: Christian Verlag 2022
256 Seiten, 39,99 Euro
| Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander
Robert Tuesley Anderson: Das Gebrüder Grimm Märchen Kochbuch
99 phantasievolle Rezepte
München: Christian Verlag 2022
176 Seiten, 26,99 Euro
| Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander