Es dauert, bis man im Leben weiß, wer man ist. Aber man schon bald überlegen, was man mag – und was weniger. Mit solchen Gedankenspielen lernt man sich selbst – und auch andere – besser kennen. ANDREA WANNER hat ihre Wahl getroffen.
Vergangenes Jahr erschien von Juliane Pieper ›Such aus!‹. Schon da konnte sich die Rezensentin einen Hinweis auf John Burninghams 1979 erschienenen Klassiker »Would you rather like…« nicht verkneifen. Er muss ein weiteres Mal herhalten, wenn man durch Jörg Mühles mal amüsante und mal auch ganz schön krasse Alternativen blättert, die zur Entscheidung anstehen. »Was wärst du lieber? Reich oder beliebt?« Tja, vermutlich lieber beliebt, oder? Am liebsten natürlich beides! Aber »Immer müde oder immer hungrig?« Eines ist so schrecklich wie das andere, keines davon will man. Aber wenn man sich jetzt von zwei Übeln für das kleinere entscheiden müsste?
Lieber Wanderungen in der Kreidezeit, wo man echten Dinos begegnet, oder lieber in der Südsee baden gehen? Da kann man wenigstens drüber nachdenken, auf was man mehr Lust verspürt. Das blaue Wasser rund um die Südseeinsel sieht verlockend aus. Das Schiff, das am linken Bildrand gerade am Versinken ist, raubt der Szene dann aber doch einiges von ihrer Idylle. – Ohne blassen Schimmer in der Schule vor einer Rechenaufgabe an der Tafel stehen oder im Schlafanzug zum Sportunterricht gehen: Finde ich nicht schwierig, weil Schlafanzüge heute längst salonfähig sind. Sowohl die Nacht im Gruselwald, wo ein kleines Zelt den einzigen Schutz vor Gefahren in dem bläulich schimmernden Nachtwald bietet, wo wer weiß was alles lauert. Aber das rote Zimmer mit all seinen Ecken, Truhen und Vorhängen, hinter denen sich üble Gestalten verstecken können, lädt auch nicht wirklich ein.
Spätestens bei der Frage »Würdest du lieber im Wald verloren gehen oder in einer Menschenmenge?« sind wir ganz bei Burningham, das ungute Gefühl ist deutlich spürbar und ein vehementer Trotz gar nicht verloren gehen zu wollen macht sich breit. Aber lassen uns Bücher eben dem, was sie explizit vorschlagen, nicht auch die Möglichkeit über Alternativen jenseits der dieser Gedanken nachzudenken? Liegt nicht darin auch ein ungeheurerer Reiz von Literatur, auch schon von Literatur für die Kleinen.
Mühle wird sehr deutlich und die auf den ersten Blick niedlichen Bildchen stecken voller Abgründe. Man muss das alles nicht wollen. Aber man darf darüber nachdenken, mit den Ideen und Varianten spielen, sie verwerfen – auch zugunsten anderer, noch nicht gedachter Dinge. Es sind – auch – existenzielle Fragen, die zum Philosophieren anregen. Gerade gemeinsam lassen sich da spannende, neue Dinge entdecken in einem kleinen Bilderbuch.
Titelangaben
Jörg Mühle: Kroko oder Krake?
Du musst dich entscheiden!
Leipzig: Klett Kinderbuch 2023
32 Seiten. 12 Euro
Bilderbuch ab 6 Jahren
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