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Wenn das Spiel des Lebens zum Lebensspiel wird

Bühne | Der Spieleabend

Theater zum Anfassen, nicht im wörtlichen, aber übergreifend sprichwörtlichen Sinne, das findet sich kurz zusammengefasst im Jakobus-Theater im zentral gelegenen Theaterhaus in der Karlsruher Innenstadt. Auf gleich drei Bühnen bietet sich dem Publikum ein breites und vielfältiges Programm. Im kleinsten Saal des Theaterhauses, gegenüber vom Sandkorn Theater gelegen, haben die Schauspielerinnen und Schauspieler Großes vor. Nicht nur das: Es kommt einfach authentisch und echt rüber. Von JENNIFER WARZECHA

An diesem Samstagabend sorgt die Komödie ›Der Spieleabend‹ dafür, dass ein provokantes Spiel auf den Tisch kommt, bei dem die Grenzen zwischen Diskussionswettstreit und persönlichem Rechtfertigungsdruck verschwimmen, Freundschaften und Beziehungen auf die Probe gestellt werden. Nicht nur das: An der einen oder anderen Stelle erkennt man sich oft unweigerlich selbst wieder.

Zum Beispiel dann, wenn man vielleicht selbst als im Publikum sitzend, im wahren Leben auch Mutter ist. Dann tut vielleicht der Vorwurf, den man bekommt, eine sogenannte Helikopter-Mutter zu sein, besonders weh. Nicht nur ums Familienleben oder um Frauen-Ideale und Werte – der eben angesprochene Vorwurf wird von einer Frau gemacht – geht es. Auch, wie man Beziehungen oder Freundschaften pflegen – oder nicht pflegen – kann, geht es in diesem Stück. Auch eine Prügelei darf nicht fehlen, wenn einer der Schauspieler herausfindet, dass nicht er, sondern ein anderer der Vater seines Kindes ist.

Sechs Personen starren auf einen Wohnzimmertisch

Nah dran am Publikum ist man nicht nur durch die Gestaltung der Räumlichkeiten. Schließlich ist das Publikum ganz nah dran an den Schauspielerinnen und Schauspielern und umgekehrt. Das Spiel im Spiel »Social Clarity« sorgt mehr oder weniger für Klarheit zwischen den schauspielenden Figuren. Das Publikum wird in Zukunft möglicherweise vermeiden, ein solches Spiel zu spielen – oder wird es möglicherweise erst recht dazu angeregt? »Wahrheit oder Lüge« würde das Spiel sicherlich noch besser beschreiben, das sich da auf der Bühne abspielt. Wie sieht es hinter den Kulissen aus?

Hintergrund

Caroline Scheringer ist in der Komödie von Bernd Spehling nicht nur die Regisseurin, als die sie relativ spontan eingesetzt worden ist, wie sie nach dem Stück erzählt. Sie ist es im Stück, die sich selbst, ihre Ehe und Freundschaft durch einen Seitensprung auf die Probe stellt, sich selbst behauptet und ihren Mann und ihre Freunde stets unter Kontrolle hat. Vor der Premiere hatte sie mit dem gesamten Ensemble eine Woche lang jeden Tag vier Stunden 12 neue Seiten mit Stand-Doubles geprobt.

Ein Mann sitzt auf der Bühne. Mehrere Personen betrachten ihn vom Rand aus.»Es ist eine wahnsinnig große Ensemble-Leistung. Alle haben gesagt: Wir schaffen das. Ich konnte aus den Proben lernen und nachbessern, habe Emotionen und Subtexte gestellt und eingebaut.« Nachdem Mitte August der Regisseur ausfiel und sowohl das Bühnenbild, als auch alles neu organisiert werden musste, freute sie sich über den ersten Durchlauf in dieser Woche vor der Aufführung am vergangenen Samstagabend. »Ich liebe es, wenn die Bühne lebt und dort Charakterstücke aufgeführt werden.«

An die 100 Vorstellungen mit zwischen 65 und 70 Zuschauerinnen und Zuschauern führen die Schauspielerinnen und Schauspieler, die aus denkbar allen Berufszweigen wie Lehrer, Rettungssanitäter, Informationstechniker oder der Theaterpädagogik bestehen, im Jahr auf. Caroline Scheringer hat schon als Kind immer gerne Theater gespielt, bis hin zum Studium. Auch während des Abiturs hat sie in vier Produktionen mitgewirkt. Ans Jakobus-Theater kam sie über den Lamathea-Landesamateurtheaterpreis und über einen Regisseur hier, dem sie ihre Visitenkarte da gelassen hatte. Nach einem spontanen Casting war sie blitzschnell Regisseurin.

Fünf Personen auf einer Bühne, die wie ein Wohnzimmer eingerichtet ist.

Ansonsten kann jeder, der das Theater liebt, eine Anfrage übers Kontaktformular senden, ob er bei ihnen mitmachen kann. Nach den Vorstellungen kommen die Schauspielerinnen und Schauspieler gerne noch an die Bar im gleichen Raum und sprechen mit dem Publikum. »Das ist ein Vollzeithobby. Wir verbringen viel Zeit miteinander,« freut sich Caroline Scheringer.

| JENNIFER WARZECHA
| FOTOS: www.herrliche-fotografie.de

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Jakobus Theater Karlsruhe

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