Elli hat ihren Namen Elizabeth (mit Z!) bekommen, weil ihre Mutter die englische Königin toll fand. »So sollte man als Frau durch Leben gehen«, findet die alleinerziehende Mutter dreier Kinder. Aber anders als die Queen, die im Buckingham Palace Zimmer ohne Ende hatte, muss sich Elli ihres mit den beiden Brüdern teilen. Dabei hat sie nur einen Wunsch, den ANDREA WANNER nur zu gut versteht.
Es ist kurz vor Ellis zehntem Geburtstag und ihren Wunsch hat sie unmissverständlich formuliert: »Ich wünsche mir zum Geburtstag ein eigenes Zimmer! Ein Zimmer für mich allein. Ein Zimmer mit Tür und Schloss. Das ist wichtig und äußerst dringend!« Sie stehen auf der Warteliste für eine größere Wohnung, aber bei drei Zimmern bleibt wenig Gestaltungsspielraum. Die Vorhanglösung hat ein Weilchen funktioniert, fällt dann aber einer Rauferei des älteren (schon 14) und jüngeren Bruders zum Opfer. Wohin soll sich das Mädchen zurückziehen, um ungestört ihrer Lieblingstätigkeit, dem Schreiben nachzugehen.
Ihr erstes Tagebuch hat sie von ihrer besten Freundin, Nachbarin und Wahlschwester Nursemin bekommen. Die beiden sind unzertrennlich und Nursi ist eine strenge Ratgeberin in Sachen Schreiben. Sie besteht auf korrekten Worten, ausreichend Spannung und Unterhaltung und lässt sich von Elli erzählen, was sie schon alles zu Papier gebracht hat. Das soll nicht weniger als ein Roman werden und was darin passiert, ist eine ganze Menge.
Frauke Angel, die mit Mädchen wie Victoria in ›Das Mädchen mit den vier Namen‹ oder Hagar in ›Hagar die Schreckliche‹ schon starke Heldinnen geschaffen hat, gelingt es erneut, ein mutiges, selbstbewusstes Mädchen in den Mittelpunkt zu stellen. Überhaupt geraten die Frauen, seien es Mütter oder Nachbarinnen oder Freundinnen sehr positiv, stark und überzeugend in einer Welt, die wenig beschönigt wird. Es gibt vernachlässigte Kinder, Nachbarn, die sich der rechtspopulistischen »Das-Boot-ist-voll«-Meinung nicht nur anschließen, sondern sie lauthals verkünden. Da ist Ellis Mutter ein wunderbares Beispiel für Zivilcourage, die auf jeden zugeht und ihn wortgewaltig in seine Schranken weist. Und Elli hat viel von diesem gesunden Selbstbewusstsein geerbt. Sie weiß was sie will – und verfolgt ihre Ziele, ohne andere dabei vor den Kopf zu stoßen.
Überhaupt ist das ein in bestem Sinne politisch korrektes Buch: Jungs haben ihr Berufsvorstellungen, die so gar nicht machomäßig sind, wie das Muskeln und Tätowierungen vielleicht vermuten lassen, türkische Ehefrauen sind durchaus selbstbewusst und Hautfarbe spielt eh keine Rolle. Das ist alles so wunderbar selbstverständlich in die Geschichte eingewoben, dass es einfach überzeugt.
Und ja, Elli kriegt, was sie will. Ihren ganz persönlichen Buckingham Palace. Aber bis da ist es ein weiter Weg, der einen rostigen Nagel braucht und der der charmanten Anspielung auf Virginia Woolfs Essay durchaus würdig ist, die als Jugendliche die viktorianischen Beschränkungen für Mädchen und Frauen erlebte – und überlebte.
Titelangaben
Frauke Angel: Ein Zimmer für mich allein
Wien: Jungbrunnen 2024
144 Seiten, 17 Euro
Kinderbuch ab 9 Jahren
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